19. April 2024

Zinswende und weiterhin divergierende Preisvorstellungen sorgten im ersten Quartal 2023 für Vollbremsung am deutschen Immobilieninvestmentmarkt

Frankfurt am Main (pm) – Im ersten Quartal 2023 summierte sich das Transaktionsvolumen am deutschen Immobilieninvestmentmarkt auf gut sieben Milliarden Euro – 71 Prozent weniger als im Vorjahreszeitraum. Verglichen mit dem Fünfjahresdurchschnitt der ersten Quartale lag das aktuelle Quartal 66 Prozent darunter, gegenüber dem Zehnjahresdurchschnitt 60 Prozent. Insbesondere im Bürosegment war ein deutlicher Rückgang des Transaktionsvolumens zu verzeichnen. Dies ist jedoch auch auf den hohen Vergleichswert des ersten Quartals 2022 zurückzuführen, das signifikant von der Übernahme der alstria office REIT-AG durch Brookfield geprägt war. Internationale Anleger zeigten sich in den vergangenen drei Monaten zurückhaltender als noch vor einem Jahr. Auf sie entfielen 41 Prozent des Gesamtvolumens – im Vorjahresquartal war es noch die Hälfte. Das sind die Ergebnisse einer aktuellen Analyse des globalen Immobiliendienstleisters CBRE.

„Die rasante und deutliche Zinswende wirkt sich derzeit bremsend auf das Transaktionsgeschehen aus, da die Investoren ihr Pricing den aktuellen Rahmenbedingungen anpassen müssen. Aktuell sehen wir weiter nur sehr verhaltene Investmentaktivität, auch wenn viele, insbesondere internationale Investoren aktuell Deutschland als einen der wichtigsten Zielmärkte weltweit sehr genau beobachten. Käufer und Verkäufer finden aber gerade im großvolumigen Core-Bereich weiterhin nicht zusammen“, sagt Fabian Klein, Head of Investment bei CBRE in Deutschland. „Das deutlich veränderte Markt- und Zinsumfeld hat bisher nicht zu Zwangsverkäufen oder Restrukturierungen geführt. Dennoch ist zu erwarten, dass das Angebot aufgrund solcher Entwicklungen über alle Assetklassen zunehmen wird – insbesondere getrieben durch auslaufende Finanzierungen. Dies wird Investoren attraktive Chancen bieten, die ein klares Bild von ihren Zielinvestments haben. Die generell positive Mietentwicklung vor allem bei hochwertigen Büroimmobilien in Innenstadtlagen, modernen Logistikhallen und insbesondere im Wohnsegment wird auch eher opportunistische Produkte für Cash-on-Cash-orientierte Investoren attraktiv machen.“

Deutschland wird auf Jahressicht nur eine sehr milde Rezession erleben – wenn überhaupt, zumal die führenden deutschen Wirtschaftsforschungsinstitute ihre Konjunkturprognosen nach oben korrigieren und auch die zukünftigen Inflationsraten sukzessive nach unten revidiert werden. Zwar dürfte die Wirtschaftsleistung im ersten Quartal 2023 erneut gesunken sein, aber weniger stark als im Vorquartal. „Der intakte Arbeitsmarkt, die sukzessive Verbesserung des Geschäftsklimas, die im März der fünfte Anstieg des ifo-Index in Folge zeigt, sowie die sich aufhellenden Konjunkturerwartungen lassen dennoch einen vorsichtig optimistischen Ausblick für die Nutzermärkte im weiteren Jahresverlauf zu“, erklärt Dr. Jan Linsin, Head of Research bei CBRE.

Fokus auf Core und Core-Plus

Trotz der Preisfindungsschwierigkeiten entfiel der Großteil des investierten Kapitals auf Core- und Core-Plus-Produkte. „Generell ist am Markt aber zunehmend zu beobachten, dass auch aufgrund des höheren Angebots verstärkt Immobilien mit Entwicklungspotential, vor allem Manage-to-ESG, in den Fokus rücken“, ergänzt Linsin. Investoren setzten weiterhin auf Risikomanagement durch selektive Einzeltransaktionen. Lediglich knapp zwei Milliarden Euro (27 Prozent des Gesamtvolumens) entfielen im ersten Quartal auf Portfoliokäufe. Insgesamt wurden nur 13 Investments oberhalb der 100-Millionen-Euro-Marke getätigt, vorrangig im Wohn- und Bürosegment. In allen Transaktionen mit gewerblicher Nutzung fanden diese Großtransaktionen als Single Asset-Deals statt, im Residential-Bereich alle als Portfoliotransaktionen.

Wohnen als größte Assetklasse

Die stärkste Assetklasse stellten Wohnimmobilien (ab 50 Einheiten) dar, auf die rund 1,94 Milliarden Euro (28 Prozent) des Gesamttransaktionsvolumens entfielen. An zweiter Stelle standen Einzelhandelsobjekte mit 1,34 Milliarden Euro (19 Prozent). Dieses ungewöhnlich starke Ergebnis wurde signifikant von der anteiligen Übernahme des KaDeWe in Berlin durch die thailändische Harng Central Department Store Limited getrieben. Nur den dritten Platz in der Rangfolge konnten Büroimmobilien für sich beanspruchen, mit 1,14 Milliarden Euro (16 Prozent), gefolgt von Lager- und Logistikimmobilien mit 1,03 Milliarden Euro (15 Prozent), wo sich fehlende Portfoliotransaktionen am deutlichsten auswirkten.

Berlin stärkster Markt unter den Top-Standorten

In den Investmentzentren stehen Berliner Immobilien weiterhin weit oben auf den Einkaufslisten der Investoren. Gut 1,6 Milliarden Euro flossen in den vergangenen drei Monaten in Immobilien in der Bundeshauptstadt. Zweitstärkster Markt war München mit knapp 700 Millionen Euro. An dritter Stelle folgte Düsseldorf mit 317 Millionen Euro.

Alle Top-Standorte mussten einen deutlichen Rückgang des investierten Volumens verzeichnen. Entfielen im Vorjahresquartal noch 48 Prozent des Gesamttransaktionsvolumens auf diese Märkte, so waren es aktuell 46 Prozent. „Wir sehen keinen grundsätzlichen Trend einer Abkehr von den Top-Märkten. Vielmehr wirken sich die aktuellen Preisdivergenzen in den Top-Standorten bei höheren Preisen stärker auf die Aktivitäten der Investoren aus als in Regional- und B-Standorten“, erklärt Klein.

Zinswende ließ die Renditen steigen

Die Kapitalmarkt- und Finanzierungszinsen sind in den vergangenen zwölf Monaten deutlich gestiegen und lagen Ende des ersten Quartals mit 2,47 Prozent für die zehnjährige Benchmarkrendite 1,75 Prozentpunkte über dem Vorjahreswert. Bei den Finanzierungszinsen erhöhte sich der Wert für den 5-Jahres-Euroswap im gleichen Zeitraum um 2,05 Prozentpunkte auf aktuell gut drei Prozent.

„Entsprechend der Zinsentwicklung stiegen auch die Immobilienrenditen – und werden im Jahresverlauf weiter moderat nach oben gehen, wenngleich wir das Gros der Korrekturen schon hinter uns haben dürften“, erwartet Dr. Jan Linsin. Über alle Immobilienassetklassen hinweg gab es im Vergleich zum Vorjahresquartal einen deutlichen Renditeanstieg – im Durchschnitt legten die Immobilienrenditen für hochwertige Core-Produkte um 0,75 Prozentpunkte auf 4,15 Prozent zu. Am stärksten stiegen die Spitzenrenditen bei Büroimmobilien in den Top-7-Standorten (plus 1,25 Prozentpunkte auf aktuell 3,90 Prozent), für Logistikimmobilien (plus einen Prozentpunkt auf aktuell vier Prozent) und bei Handelsimmobilien (plus 0,85 Prozentpunkte auf aktuell über 4,6 Prozent). Hier gingen die Renditen insbesondere bei Geschäftshäusern, lebensmittelgeankerten Objekten und Fachmarktzentren binnen der vergangenen zwölf Monate deutlich hoch. Weiter nach oben korrigierten die Renditen auch im Segment der Shopping-Center (5,1 Prozent in den Top-Standorten, 6,5 Prozent in B-Standorten) und Hotels, wenngleich nicht ganz so stark wie in den anderen Gewerbeimmobilienassetklassen, zumal das Pricing dieser Objekte bereits während der Corona-Pandemie angepasst wurde. Auch im Wohnsegment tragen die gestiegenen Finanzierungskosten dazu bei, dass sich die Immobilienrenditen weiter nach oben bewegen und die Spitzenrenditen im Mittel der Top-7-Städte 2,78 Prozent erreicht haben. Zum aktuellen Quartalsende war bei den Werten von Bestandsobjekten ein durchschnittlicher Rückgang zwischen acht und zehn Prozent gegenüber dem letzten Hochpunkt Ende des zweiten Quartals 2022 zu verzeichnen.

„Unsere Analysen der Transaktionen im Bürosektor – vor allem bei jenen, die in den letzten Monaten aufgrund unterschiedlicher Preisvorstellungen nicht zum Abschluss kamen – zeigen, dass der Markt derzeit im Durchschnitt mindestens einen Abschlag von 20 Prozent im Vergleich zum letzten Peak einpreist“, analysiert Linsin.

Ausblick

„Wir erwarten, dass sich die Preisvorstellungen auf Käufer- und Verkäuferseite zunehmend angleichen werden und die Investoren die zukünftige Zinsentwicklung besser einschätzen können und ihre Anlageentscheidungen darauf anpassen können“, sagt Klein. „Aktuell nehmen die Pitch- und Vermarktungsaktivitäten zu, sodass mit den am Markt erwarteten Benchmarktransaktionen ein neues Preissignal gesetzt werden kann – als Startschuss für mehr Dynamik.“

„Der Zinserhöhungszyklus wird voraussichtlich zum Jahresende 2023 seinen Höhepunkt erreicht haben, wenn die Inflationsraten wieder auf dem Zielwert der EZB liegen“, erwartet Linsin. „Tendenziell rückläufige Leitzinsen erwarten wir dann ab dem ersten Quartal 2024 und mit zunehmender Dynamik in den darauffolgenden Monaten, sodass zum Jahresende 2024 der EZB-Leitzins wieder unter der Drei-Prozent-Marke liegen dürfte. Bis dahin bietet sich für Investoren ein besonderes Zeitfenster für attraktive Kaufgelegenheiten.

„Valide Aussagen zum Transaktionsvolumen sind derzeit nur schwer möglich“, sagt Klein. „Wir erwarten aktuell ohne große Plattformübernahmen, M&A-Deals oder signifikante Restrukturierungsthemen beziehungsweise Distressed-Sales ein Gesamtvolumen zwischen 30 und 35 Milliarden Euro.“

Pressemitteilung: CBRE GmbH

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