20. April 2024

Deutscher Immobilieninvestmentmarkt spürte im zweiten Quartal die Auswirkungen der geopolitischen und wirtschaftlichen Verwerfungen

Frankfurt am Main (pm) – Im ersten Halbjahr 2022 wurden am deutschen Immobilieninvestmentmarkt 35,6 Milliarden Euro investiert – gut drei Prozent mehr als im entsprechenden Vorjahreszeitraum. Zurückzuführen ist dies jedoch vor allem auf ein besonders starkes erstes Quartal. Im zweiten Quartal fiel das Transaktionsvolumen aufgrund der gestiegenen Unsicherheit infolge des Kriegs in der Ukraine, weiterhin gestörter Lieferketten, rekordhoher Inflationsraten und zuletzt deutlich gestiegener Finanzierungskosten spürbar geringer aus. Nur ein Drittel des Gesamtvolumens wurde im Zeitraum von April bis Ende Juni registriert (11,6 Milliarden Euro) – im zweiten Quartal 2021 waren es noch 18,6 Milliarden Euro. Insgesamt betrachtet lag das erste Halbjahr jedoch gleichauf mit dem fünfjährigen Durchschnitt der ersten Halbjahre (minus 0,4 Prozent) und deutlich über dem Durchschnitt der vergangenen zehn ersten Halbjahre (plus 19 Prozent). Dies sind Ergebnisse einer aktuellen Analyse des globalen Immobiliendienstleisters CBRE.

„Der deutsche Immobilienmarkt sucht derzeit ein neues Gleichgewicht. Das größte Hemmnis der Marktdynamik sind momentan divergierende Preisvorstellungen bei Käufern und Verkäufern“, konstatiert Fabian Klein, Head of Investment bei CBRE in Deutschland. „Im weiteren Jahresverlauf wird sich das Repricing aber einpendeln. Bis dahin werden Investoren insgesamt zurückhaltender agieren und sich die Transaktionsprozesse sowohl bei Investoren als auch bei Banken verlängern. Sobald sich der Markt jedoch wieder gefangen und sich das Preisgefüge stabilisiert hat, werden auch wieder in größerem Umfang Transaktionen getätigt werden. Im aktuellen Zinsumfeld haben dabei eigenkapitalstarke Anleger einen Marktvorteil und können sich so in den aktuell laufenden Ankaufsprozessen gegen stärker fremdfinanzierte Investoren häufiger durchsetzen. Im Vergleich zur globalen Finanzkrise sind die Fremdkapitalquoten in den Portfolios zudem auf einem recht moderaten Niveau, weswegen die Zinsanstiege derzeit keine Notverkäufe oder Notleidende Kredite erwarten lassen.“

„Nach aktueller Datenlage stellt die momentane konjunkturelle Eintrübung noch keine Rezession dar. Angesichts der hohen Teuerung wird ein Stagflationsszenario für 2022 und 2023 jedoch immer wahrscheinlicher“, warnt Dr. Jan Linsin, Head of Research bei CBRE in Deutschland. „Gleichzeitig bieten gerade in Zeiten steigender Inflationsraten Immobilien durch die Indexierung von Gewerbemietverträgen einen gewissen natürlichen Schutz gegenüber einem möglichen Wertverfall. Dementsprechend sind sie als Realvermögensgut weiterhin bevorzugte Anlageobjekte. Zudem ist noch immer sehr viel Liquidität im Markt, für die nach sicheren Anlagemöglichkeiten gesucht wird. So stehen Immobilien auch bei global agierenden institutionellen Anlegern weiterhin im Fokus. Angesichts gestiegener Anleiherenditen und sehr volatiler Aktienmärkte kommt es bei vielen institutionellen Anlegern jedoch zu Verschiebungen bei deren gesamter Asset-Allokation, was dazu führt, dass ihre Immobilienquoten erreicht oder gar übererfüllt werden und dadurch weitere Immobilieninvestments in der aktuellen Marktsituation vorerst zurückgestellt werden.“

Kaufpreise gingen in vielen Assetklassen leicht zurück

Die Nettoanfangsrenditen stiegen infolge der gestiegenen Unsicherheiten und damit höheren Finanzierungskosten in fast allen Assetklassen an. Im Büroimmobiliensegment stieg der Wert gegenüber dem ersten Quartal 2022 um 15 Basispunkte auf 2,8 Prozent an. Auch für Lager- und Logistikimmobilien wurde ein Anstieg um 15 Basispunkte auf 3,15 Prozent registriert. Für Mehrfamilienhäuser stieg die Spitzenrendite im Durchschnitt der Top-7-Standortre leicht um neun Basispunkte auf 2,29 Prozent. Im eher eigenkapitaldominierten Segment für High-Street-Objekte blieben die Werte verglichen mit den ersten drei Monaten des Jahres stabil. Auch bei Shopping-Centern blieben die Renditen auf ihrem Vorquartalsniveau, nachdem dort im Zuge der Verwerfungen durch die Coronapandemie die Renditen bereits nach oben korrigiert worden waren.

„Der Referenzzinswert der zehnjährigen Bundesanleihe lag infolge der eingeleiteten Zinswende zum Monatsende Juni bei 1,51 Prozent. Damit fällt der Spread zwischen den Nettoanfangsrenditen zur risikolosen Anlage so gering aus wie seit Langem nicht mehr. Der Spread dürfte aber infolge eines weiteren Zinsanstiegs wieder zunehmen, zumal mit weiter steigenden Anfangsrenditen zu rechnen ist. Da die Realzinsen noch längere Zeitnegativ rentieren, bleibt die Assetklasse Immobilie weiterhin attraktiv und elementarer Bestandteil einer nachhaltigen Portfolioallokation“, sagt Linsin.

Berlin wichtigster Standort, Büroimmobilien stärkste Assetklasse

Knapp die Hälfte des Transaktionsvolumens entfiel auf die sieben Top-Standorte Berlin, Düsseldorf, Frankfurt am Main, Hamburg, Köln, München und Stuttgart – sieben Prozent mehr als im Vorjahreszeitraum. Mit Ausnahme von Berlin und München, die beide ein außergewöhnlich starkes erstes Halbjahr 2021 hatten, wurden in allen Top-Standorten höhere Volumina als im Vorjahreszeitraum erzielt, insbesondere in Hamburg und Düsseldorf – vornehmlich bedingt durch die Übernahme der alstria office REIT-AG durch das kanadische Unternehmen Brookfield im ersten Quartal. Mit 5,5 Milliarden Euro verzeichnete der Investmentmarkt der Hauptstadt zwar im Vorjahresvergleich einen Rückgang um 13 Prozent, Berlin war jedoch erneut der mit Abstand wichtigste Immobilieninvestmentstandort Deutschlands.

Während Investoren bei der räumlichen Allokation also weiterhin deutlich auf die Top-Standorte setzten, ging der Anteil des Transaktionsvolumens in den ebenfalls risikoaversen Investmentstrategien Core und Core Plus um sechs Prozentpunkte auf 61 Prozent des Investmentvolumens zurück. Dagegen konnten die Volumina im Value-add- und opportunistischen Segment jeweils leicht zulegen.

Mit etwa 38 Prozent des Transaktionsvolumens beziehungsweise 13,5 Milliarden Euro blieben Büroimmobilien die stärkste Assetklasse und verzeichneten gegenüber dem vergleichbaren Vorjahresvolumen einen Zuwachs von 18 Prozent, gefolgt von Wohnimmobilien (ab 50 Einheiten) mit anteilig 22 Prozent (7,7 Milliarden Euro), in die rund ein Fünftel weniger investiert wurde als im ersten Halbjahr 2021. Industrie- und Logistikimmobilien standen an dritter Stelle mit 17 Prozent Anteil am Transaktionsvolumen (sechs Milliarden Euro, plus 33 Prozent). Auf Einzelhandelsimmobilien entfielen mit 3,7 Milliarden Euro gut zehn Prozent (plus ein Prozent).

„Dank vieler Neuabschlüsse und Mietvertragsverlängerungen blieben die Nutzermärkte in den Segmenten Büro und Logistik aber weiterhin sehr robust. Diese Märkte sind im Vergleich zur letzten Krise 2008/2009 geprägt von niedrigen Leerstandsraten und entsprechend steigenden Spitzen- und Durchschnittsmieten“, differenziert Klein.

Fonds und internationale Investoren besonders aktiv

Stärkste Nettokäufer im ersten Halbjahr waren offene Immobilien- und Spezialfonds, die circa 4,6 Milliarden Euro mehr investierten als verkauften, gefolgt von Asset- und Fondsmanagern mit einem positiven Saldo von 3,6 Milliarden Euro. An dritter Stelle standen Immobiliengesellschaften mit einem Plus von 1,5 Milliarden Euro.

Internationale Anleger verstärkten ihr Engagement am deutschen Markt weiter, sodass mit gut 17 Milliarden Euro 48 Prozent des Gesamtvolumens auf sie entfielen. Im ersten Halbjahr 2021 waren es noch 38 Prozent. Insbesondere Anleger aus dem Vereinigten Staaten und Kanada (dort vor allem Brookfield) investierten stark am deutschen Markt (24 Prozent oder 8,5 Milliarden Euro), gefolgt von Anlegern aus dem europäischen Ausland wie dem Vereinigten Königreich, Frankreich und den Niederlanden.

Großvolumige Transaktionen wurden wichtiger

In den ersten sechs Monaten dieses Jahres fanden insgesamt 68 großvolumige Transaktionen oberhalb der 100-Millionen-Euro-Marke statt, die sich auf gut 19,4 Milliarden Euro summierten. Im Vorjahreszeitraum waren es 16,6 Milliarden Euro, resultierend aus 69 Transaktionen. Hier spiegelt sich der mit Abstand größte Deal (alstria office REIT-AG an Brookfield) mit etwa 4,5 Milliarden Euro wider. Die größte Einzeltransaktion war der Frankfurter Marienturm im ersten Quartal, gefolgt von dem anteiligen Verkauf des Sony Centers in Berlin im zweiten Quartal stattfand. Auch Portfoliotransaktionen gewannen an Bedeutung. So entfielen im ersten Halbjahr 2022 40 Prozent des Transaktionsvolumens auf Portfoliokäufe. Im Vorjahreszeitraum waren es lediglich 34 Prozent.

Ausblick auf das Gesamtjahr 2022

„Für das Gesamtjahr 2022 gehen wir – im optimistischen Fall – von einem Transaktionsvolumen von rund 50 Milliarden Euro bei Gewerbeimmobilien und von bis zu rund 15 Milliarden Euro im Wohnsegment aus“ sagt Klein. „Ein solches Ergebnis würde in etwa dem Niveau der Vorjahre entsprechen – ausgenommen das absolute Rekordjahr 2021.“

„Abwärtsrisiken für die wirtschaftliche Gesamtlage und damit auch für den Immobilienmarkt bestehen vor allem in einem Abbruch russischer Energielieferungen, einer weiteren Eskalation des Ukraine-Kriegs und einem erneuten Ausbruch der Covid-19-Pandemie mit negativen Folgen für die globalen Beschaffungs- und Absatzmärkte“, erklärt Linsin. „Sollte das Risiko einer weiterhin hohen Inflation zu einem stärkeren Eingreifen seitens der Geldpolitik führen, würde dies entsprechend auch die Finanzierungskosten in die Höhe treiben.“

 

Pressemitteilung: CBRE Group, Inc