Osnabrück/Jena (pm) – Den Durch die Landeshauptstadt Schwerin ausgelobten hochbaulichen und freiraumplanerischen Realisierungswettbewerb um den Neubau eines Regionalen Beruflichen Bildungszentrums – Gesundheit und Sozialwesen (RBB GeSo) hat die pbr Planungsbüro Rohling AG jüngst für sich entschieden. Mit dem Entwurf, der in Zusammenarbeit mit pbr freiraum, der pbr-Tochtergesellschaft für Landschaftsarchitektur, entstanden ist, hat sich das Büro gegen ein starkes Teilnehmerfeld (u.a. caspar schmitzmorkramer GmbH, gmp International GmbH, Winking · Froh Architekten GmbH, RKW-Architektur + GmbH und Heinle Wischer Partnerschaft freier Architekten mBB) durchgesetzt. An den Wettbewerb schließt ein VgV-Verfahren zur Vergabe der entsprechenden Planungsleistungen an.
Schwerin ist heute Hochschulstandort mit rund 600 Studierenden, darunter die private Fachhochschule des Mittelstands, die Hochschule der Bundesagentur für Arbeit und die Vitruvius Design-Hochschule. Wirtschaftlich dominieren Technologieunternehmen, Behörden, die Deutsche Bahn, Maschinenbau und Materialverarbeitung, Konsumproduktion, Gesundheitswirtschaft und Kliniken, Dienstleistungsbetriebe, zunehmend auch der Tourismus und die Kultur- und Kreativwirtschaft. Das Regionale Berufliche Bildungszentrum Gesundheit und Sozialwesen ist ein wesentlicher Baustein des Bildungsstandortes Schwerin. Mit aktuell 1.350 Schüler:innen und 85 Lehrer:innen bildet das RBB GeSo gemeinsam mit den weiteren beruflichen Schulen der Schwerpunkte technische Berufe und der Bereiche Wirtschaft und Verwaltung das Angebot der beruflichen Ausbildung in Trägerschaft der Landeshauptstadt ab. Der geplante Neubau der Schule mit einer kalkulierten Nettoraumfläche (NRF) von 19.420 m² soll die momentan auf drei Standorte verteilten Fachabteilungen des Bildungszentrums an einem Standort zusammenfassen. Darüber hinaus galt es, die Planung einer Dreifeldsporthalle mit einem Raumprogramm in den hochbaulichen Entwurf des Wettbewerbsbereiches zu integrieren. Ebenso die Außenanlagen. Mit dem geplanten Neubau des Bildungszentrums in Zippendorf sollen zukünftig die Ausbildungssparten Gesundheit, Gewerbe und Sozialwesen an einem Standort vereint werden. Es soll ein übergeordneter, interdisziplinärer Austausch zwischen den Schüler:innen der verschiedenen Bildungsgänge und innerhalb des Kollegiums sowie moderne und zeitgemäße Unterrichtsbedingungen ermöglicht werden.
Ferner sollen in der gesamten Schule gemeinsame Werte sowie die Inhalte des Leitbildes sichtbar und erlebbar sein. Für die Planung einer Schule für die Zukunft wird als bedeutsam erachtet, dass diese den Anforderungen an Nachhaltigkeit, Barrierefreiheit und Inklusion gerecht wird. Flexible Möbel, Wände und Medien sind gewünscht, ebenso wie ein vielseitiges Raumprogramm vom Konzentrierten Arbeiten über Möglichkeiten zur Kontemplation hin zu Bereichen der Kommunikation.

Dem Leitbild der Begegnungsstätte folgend
Gemäß der Leitidee einer Begegnungsstätte öffnet sich das neue Bildungszentrum im Entwurf von pbr dem Areal, schafft Zugehörigkeit und wird Teil des gesellschaftlichen Lebens. pbr positioniert den Neubau so, dass die Struktur der vorhandenen grünen Inseln im angrenzenden Wohngebiet fortgeführt und durch konzentrierte, öffentlich nutzbare Freiräume ergänzt wird. Zugleich wird die städtebauliche Grundidee des Wohngebiets in Form der Quartiersbildung durch zeilenartige Randbebauung aufgegriffen und neu interpretiert. Die Mensa bzw. Aula lädt mit ihrer bewusst gewählten solitären Lage Besucherinnen und Besucher ein, diese zu erkunden. Ebenso lässt pbr mit seinem Entwurf eine öffentliche Teilhabe an den Sportanlagen zu. In Richtung Nordosten wird mit der vorgesehenen Blockrandbebauung ein baulicher Abschluss des Wohngebietes umgesetzt.
Über eine durchgrünte Campussituation mit einer differenziert bespielbaren Nutzbarkeit schaffen die Architektinnen und Architekten von pbr eine hohe Aufenthaltsqualität. Der grüne Vorplatz öffnet sich zum Wohngebiet und integriert sich in die Gesamtkonzeption des städtebaulichen Umgriffs.
Wesentliches Entwurfsziel von pbr war die maßstäbliche Integration der nicht unerheblichen Baumassen des neuen Bildungszentrums in den Kontext des Umfeldes auf dem Grundstück, aber auch in die städtebauliche Gesamtsituation der Umgebung. Dabei wird eine signifikante Adressbildung der Schule mit einem zentralen Eingangsbereich angestrebt, der die Willkommenskultur der Einrichtung abbildet und eine optimale Zugänglichkeit aus allen Richtungen ermöglicht. Zudem soll eine nachvollziehbare und flexible Funktionalität umgesetzt werden, die den aktuellen Erfordernissen einer zeitgemäßen Berufsschule Rechnung trägt, aber ebenso auf zukünftig wechselnde Bedarfe flexibel reagieren kann.
Lebendige Lernlandschaft
Der Eingangsbereich dient als Auftakt einer zentralen Erschließungsachse im Erdgeschoss, die alle Schulbereiche miteinander verbindet. Diese einfache Erschließungslösung ermöglicht eine gute Orientierung innerhalb des Gebäudes und bietet zudem kurze Wege zu den unterschiedlichen Funktionsbereichen. Gleichzeitig wird durch die alternierende Abfolge von Kommunikationsflächen, Sitzstufen und begrünten Innenhöfen eine lebendige und attraktive Lernlandschaft entwickelt. So ergänzt beispielsweise ein Café, das zum Campus ausgerichtet wird, das Angebot der Aktivitäten im Erdgeschoss. Im Sinne einer flexiblen Zugänglichkeit der einzelnen Schulbereiche erhält jede Funktionseinheit sowie die Sporthalle eine zusätzliche äußere Erschließung am Campus.
Das Gebäude für die Mensa bzw. der Aula wurde bewusst als Solitär situiert, aus den übrigen Schulgebäuden herausgelöst, ist städtebaulich signifikanter Auftakt und Verbindungselement zum angrenzenden Wohngebiet. Als Solitär ist das Gebäude gut geeignet für externe Nutzungen wie z.B. als Stadtteil Café, Einwohnertreffpunkt oder als multifunktionale Versammlungsstätte.

Maximale Flexibilität für mehr Nachhaltigkeit
Ganz im Sinne von pbr:GeN | gemeinsam nachhaltig betrachtet pbr das Thema Nachhaltigkeit im Entwurf allumfassend, der Nachhaltigkeitsgedanke geht weit über die reine Energieeinsparung hinaus.
Alle Gebäude der Schulbereiche in den Obergeschossen sind nach dem gleichen Grundtypus entwickelt, sodass ein Wechsel bzw. Substitution einzelner Funktionseinheiten unproblematisch möglich ist. Ebenso wird durch die gewählte SB-Skelettbauweise mit Holzhybriddecken und flexiblen Raumtrennwänden eine spätere Umnutzung kurzfristig und wirtschaftlich zu realisieren. Nicht zuletzt kann die modular aufgebaute Fassade auf zukünftige Veränderungen im Inneren des Gebäudes gut reagieren. Durch die Umsetzung von funktionellen Grundrissstrukturen mit hoher und dauerhafter Nutzerakzeptanz wird eine lange Nutzungsdauer ohne wesentliche Eingriffe in die Substanz erreicht und damit Umbaukosten gespart. Durch die Wahl von robusten Materialien im Ausbau (z. B. Sichtbetonflächen in Verkehrsbereichen) werden eine dauerhafte werthaltige Anmutung realisiert und Instandsetzungs- bzw. Unterhaltungskosten reduziert. Das Verhältnis Hüllfläche Neubau / Bruttorauminhalt liegt mit dem Wert 0,3 unter den Referenzwerten der aktuellen Vergleichsobjekte und lässt eine effiziente Unterhaltung hinsichtlich Heizung und Reinigung erwarten. Durch die Nutzung von Abbruchmaterial der Rückbaubereiche auf dem Grundstück können vorhandene Ressourcen sinnvoll in den Bauprozess im Sinne des ‚Upcyclings‘ integriert werden. Die zentrale und konzentrierte Anordnung von Technikflächen ermöglicht eine kurze und effiziente Leitungsführung und damit einen effizienten Betrieb der zukünftigen Anlage. Die gewählte Betonfertigteilfassade ist nahezu wartungsfrei, senkt damit auch die Unterhaltskosten und vermittelt eine dauerhafte Werthaltigkeit des Gebäudes.
Durch eine flexible Erschließung des Mensabereiches und der Aula können diese Bereiche auch einer externen Nutzung im Sinne einer Stadtteilintegration zugeführt werden und führen zu einer Aufwertung der Nachbarbebauung. Die Ausbildung der Dächer als begrünte Flächen mit Speichervolumen führt neben einer verbesserten Feinstaubbindung und verzögerter Regenwasserableitung auch zu einer zusätzlichen Kühlung des Gebäudes in den Sommermonaten und damit zu einer Reduzierung von Energiekosten. Der verbindende Mittelbau wird als extensives Gründach genutzt und bietet einen Beitrag zur Biodiversität und Artenförderung. Das Regenwassermanagement erfolgt mittels eines gedrosselten Systems, dass die anfallenden Niederschläge von der mit PV-Modulen belegte Dachfläche zu dem tiefer liegenden Biodiversitätsdach leiten. Speichermodule stellen der Vegetation auf dem 0% Dach dauerhaft ausreichend Wasser zu Verfügung.
Als nichttragende Außenwandkonstruktion am Schulgebäude wird eine Vorsatzfassade aus eingefärbten Faserbetonfertigteilelementen mit Betonung der horizontalen Deckenebenen gewählt.
In den Verkehrsflächen werden Sichtbetonoberflächen analog der Außenwand vorgesehen. Für die Konstruktionen der Geschossdecken werden vorgefertigte Holzmoduldecken vorgeschlagen. Dieses nachhaltige Deckensystem funktioniert ohne Aufbeton und realisiert bei geringem Materialverbrauch einen wirtschaftlichen Einsatz des nachwachsenden Rohstoffs Holz. Die Dachkonstruktion des Schulneubaus wird als intensiv begrüntes Flachdach ausgebildet und kann gleichzeitig als Photovoltaik-Standort genutzt werden.
Upcycling auch in den Freianlagen
Im Entwurf von pbr bilden die Freianlagen einen wesentlichen Teil des Entwurfsansatzes. Vorgeschlagen wird ein Freiraumtypus, der einen stark durchgrünten Campuscharakter aufweist. Bewusst wurde auf die Ausbildung eines reinen Schulhofes oder einer Parklandschaft verzichtet. Viel mehr öffnet sich der Freiraum durch den gefassten, ruhigen Städtebau, multi-codierte Nutzungsmöglichkeiten und durch eine klare Durchwegung gleichsam für alle Nutzergruppen. Räumlich gliedert sich der Campus unauffällig in drei Teilbereiche. Erholung, Sport, Kommunikation. Einzelne unterschiedlich große Taschen öffnen und schließen sich innerhalb des Campus zu lebendigen Kommunikationszonen; Rückzugs- und Ruhebereichen, Schatten- und Liegewiesen schaffen Abwechslung und verbinden sich über eine gleichmäßige Rhythmik.
Das landschaftliche Leitbild folgt aufmerksam der umgebenden Region und entwickelt sich unter Zuhilfenahme der Wiederverwendung massiver Betonplatten des Bestandsparkplatzes zu einem ortsspezifischen Entwurfsthema. Dabei folgt auch dieser Ansatz einer konstanten Rhythmik: fest, gebrochen, grün: Begehbare Bereiche werden mit intakten, überarbeiteten Betonplatten ausgelegt, die gleichsam die Taschen einfassen und mit dem Campus verzahnen. Defekte und/oder gebrochene Platten werden zu einem biodiversen Magerstandort für vielerlei Flora und Fauna. Intensive, dichte und trockenheitsresistente Planzungen aus heimischen und „Klima -X“ Gehölzen bilden bei einzelnen Taschen den Übergang zur inneren, spezifischen Nutzung. Neben der massiven Einsparung von neu zu verbrauchendem CO2, welches durch Herstellung und Transport neuer Verschleißschichten entstehen würde, nimmt der Entwurfsansatz rücksichtsvoll und behutsam Bezug zur Geschichte des Ortes und soll bewusst zu kontroversen Diskussionen anregen.
Die Innenhöfe und Dachterrassen folgen der Ruhe und Großzügigkeit der Bewegungsflächen im Gebäude-inneren und dienen neben Kommunikationsflächen und grünem Klassenraum, hauptsächlich dem Kurzaufenthalt und der visuellen Erholung.
Quelle: pbr Planungsbüro Rohling AG
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