Matthias Zühlke ist Architekt und Co-Founder & CEO des ausgezeichneten Startups syte. Die syte GmbH ist ein Startup aus Münster, das sich auf die Nutzung künstlicher Intelligenz zur Identifikation und Analyse von Grundstücks- und Bestandspotenzialen spezialisiert hat. Sie bietet Lösungen wie Grundstückssuche, Bestandsanalysen und Baupotenziale. Sie wurde mit dem Deutschen KI-Preis 2023 und dem AI Startup Award 2024 prämiert.
Wie haben Sie zur Architektur gefunden?
Matthias Zühlke: Schon als Kind habe ich viel gezeichnet und meine Kreativität ausgelebt. Ein Schülerpraktikum bei einem Architekten hat dann meinen Weg endgültig vorgezeichnet.
Bei wem und wo haben Sie studiert?
Matthias Zühlke: Ich habe an der MSA in Münster studiert.
Wer oder was hat Sie in Ihrer beruflichen Tätigkeit als Architekt geprägt?
Matthias Zühlke: Meine Affinität zur digitalen Welt hat mich stark geprägt. Während meines Studiums entwickelte sich gerade das 3-dimensionale Entwerfen, was ich von Anfang an faszinierend fand. Mein erstes Unternehmen gründete ich während des Studiums und führte Energie- und Lichtsimulationen für DGNB-Zertifizierungen durch.
Mein Professor Jürgen Reichard hatte hier großen Einfluss auf mich. Bei Maas und Partner Architekten lernte ich von Michael Maas, Entwürfe zuerst wirtschaftlich zu prüfen bevor wir angefangen haben zu zeichnen. Diese Erfahrungen haben meine Arbeit und die Gründung von syte stark beeinflusst.
Ein weiteres prägendes Erlebnis war der Bau eines Community-Centers aus Bambus in Ecuador, der meine Sicht auf nachhaltiges Bauen revolutionierte. Bei diesem Projekt haben wir ein Gebäude gebaut, welches eine Anlaufstelle für die Bewohner des Dorfes darstellt und zusätzlich Zimmer für Volontariats-Studenten beinhaltet. Das Gebäude wurde in traditioneller Bauweise komplett aus Bambus errichtet.
Wie ist die Idee zu syte entstanden?
Matthias Zühlke: Bei Maas und Partner waren wir stets darauf angewiesen, effizient zu arbeiten und schnell an Grundstücks- und Gebäudedaten zu gelangen. In Ecuador hatte ich dann die Zeit, diese Herausforderung gründlich zu durchdenken. Gemeinsam mit meinem Sandkastenfreund David Nellessen haben wir die passenden Datenquellen gefunden und anschließend syte zusammen in Absprache mit meinen Partnern von Maas und Partner gegründet.
Auf welche aktuellen Herausforderungen bietet syte Antworten?
Matthias Zühlke: Die Anforderungen in der Projektentwicklung sind seit der Immobilienkrise stark gestiegen. Syte liefert auf Knopfdruck Antworten zu Bestandsdaten, Baupotenzial, Sanierungskosten, Projektentwicklungskosten, Energiebedarf, PV-Potenzial, Förderungen und Residualwert. Unsere Nutzer können gezielt nach diesen Daten suchen, um wirtschaftliche Projekte zu identifizieren. Mit diesem holistischen Ansatz bieten wir eine fundierte Datengrundlage für Ankaufs- oder Entwicklungsentscheidungen. Zusätzlich bieten wir Layer und Karten zur Unterstützung der Argumentation für Bauvorhaben sowie den Download von 3D-Modellen. In naher Zukunft werden wir auch noch den Sanierungsfahrplan in Echtzeit in die Platform einbauen.
Welche Daten liegen der Anwendung zugrunde? Wie nutzt die Künstliche Intelligenz diese Daten?
Matthias Zühlke: Wir aggregieren verschiedene öffentliche Daten, darunter Kataster-, LiDAR- und Satellitendaten. Unsere KI wurde darauf trainiert, Baupotenziale zu erkennen und zu beurteilen, ob Nachverdichtungen, Aufstockungen oder Neubauten sinnvoll sind. Auch Energiedaten und Versiegelungspotenziale werden berücksichtigt. So haben wir den deutschen Gebäudebestand aus seiner „Black Box“ gehoben.
Inwieweit fließen plan- und ordnungsrechtliche Bestimmungen des Baugesetzbuches und der Landesbauordnungen in die Auswertung mit ein?
Matthias Zühlke: Unsere KI berechnet das Baupotenzial auf Grundlage des §34 und beurteilt, ob sich ein Bauvorhaben in die Umgebung einfügt. Dabei berücksichtigt sie das bestehende Baurecht. Mittlerweile sind auch Bebauungspläne maschinenlesbar in unsere Plattform integriert, sodass Nutzer direkt rechtsverbindliche Antworten erhalten. Wir arbeiten bereits mit Kommunen am digitalen Bauantrag im vereinfachten Genehmigungsverfahren.
Mit welchen Kommunen arbeitet ihr schon zusammen?
Wir arbeiten derzeit unter anderem mit Dortmund oder der Neckar-Odenwald-Kreis zusammen. Mit der Stadt Dortmund haben wir z.B. den Bestand mit den Nachverdichtungspotenzialen der Bebauungspläne abgeglichen, um das rechtsverbindliche Bebauungspotenzial zu berechnen.
Die gleiche Technik haben wir genutzt um die Frage zu beantworten, ob ein Bauvorhaben (rein von der GFZ und Baumasse wie auch Abstandsflächen) auf einem Grundstück zulässig ist. Dazu haben bieten wir dem Antragssteller seine Unterlagen hochzuladen, welche dann mit dem vorliegenden Bebauungsplan abgeglichen werden und der Antragssteller in Echtzeit ein Feedback bekommt, ob das Bauvorhaben gute Aussichten auf eine Genehmigung hat oder was an dem Bauvorhaben noch geändert werden muss. Wir glauben, dass dieses Vorgehen der nötige Hebel ist um die Ämter zu entlasten und die Bautätigkeit zu beschleunigen.
Welche wesentlichen Herausforderungen sind Ihnen seit der Gründung von syte begegnet, und was haben Sie daraus gelernt?
Matthias Zühlke: Eine große Herausforderung ist der Zugang zu hochwertigen Daten. Zudem brach kurz nach unserer Gründung die Immobilienkrise aus, was uns zwang, unser Produkt breiter aufzustellen.
KI-Anwendungen werden zunehmend von Architekten im Planungsprozess genutzt. Welche Entwicklungen halten Sie für besonders spannend?
Matthias Zühlke: Ich bin überzeugt, dass wir bald KI-gestützt zeichnen, bzw. entwerfen werden. Die KI kann weniger kreative Aufgaben wie Parkplatzermittlung, Raumaufteilung, Detailentwicklung, Fassadenschnitte, Ausschreibungen und Mengenermittlungen sicher unterstützen oder sogar übernehmen. Auch wird die ganzheitliche Analyse eines geplanten Gebäudes und die Variantenplanung eine wichtige Metrik im Entwurfsprozess werden.
Wie unterscheidet sich die Nutzung von Künstlicher Intelligenz (KI) durch Architekten in Deutschland im Vergleich zu ihren Kollegen in anderen Ländern?
Matthias Zühlke: Der Boom und Einfluss von KI hat Architekten und Planer weltweit überrascht. Skandinavische Länder sind möglicherweise etwas weiter, ebenso Länder mit stärker standardisiertem Wohnungsbau (wie z.B. die USA), die hier sicher Vorteile haben.
Was würden Sie angehenden Architektinnen und Architekten mit auf den Weg geben?
Matthias Zühlke: Daten und digitales Arbeiten werden eine zunehmend größere Rolle spielen. Auch die Effizienz in einem Büro wird von entscheidender Bedeutung sein. Es wird unerlässlich sein, Tools zeitsparend einzusetzen und Entwürfe bereits in den frühen Leistungsphasen auf verschiedene Szenarien zu untersuchen, um Projekte zu gewinnen. Die “große, grafische Geste” , wie ich ihn noch gelernt habe, wird in Zukunft weniger wichtig sein. Stattdessen sollte ein Gebäude möglichst einfach und energieeffizient gestaltet werden. Damit meine ich nicht nur die Energieversorgung, sondern auch den Grundgedanken des Entwurfs.
Interdisziplinäres Arbeiten wird dabei eine zentrale Rolle spielen. Der Architekt von morgen wird viel mehr und viel früher mit Fachplanern in Echtzeit zusammenarbeiten müssen, um Entwürfe ganzheitlich, wirtschaftlich, umweltfreundlich und sozial verträglich umzusetzen. Dabei wird auch die Integration der Umgebung, wie zum Beispiel die Bepflanzung der Fassade zur Gewährleistung des Sonnenschutzes, von großer Bedeutung sein.
In Zukunft wird uns Künstliche Intelligenz bei diesen Analysen und dem Entwurf unterstützen. Die Nutzung von KI ermöglicht es, komplexe Zusammenhänge besser zu verstehen und nachhaltige, anpassungsfähige Lösungen zu entwickeln. Auch die Auseinandersetzung mit dem Bestand, der den Entwurfsgedanken leiten wird, wird immer wichtiger. Durch eine integrative und interdisziplinäre Herangehensweise können wir Gebäude schaffen, die nicht nur funktional und ästhetisch, sondern auch nachhaltig und ressourcenschonend sind.
Wie lautet ihr Wahlspruch?
Matthias Zühlke: Ich habe da keinen direkten Wahlspruch, ich wünsche mir vor allem mehr Neugier und Offenheit neuen Technologien gegenüber.