29. April 2024

Holz allein ist nicht die Antwort. UNStudio berechnet den geringsten C02-Fußabdruck für das neue Kyklos-Gebäude in Luxemburg… und das Ergebnis ist hybrid

Visualisations by Play-Time Barcelona

Amsterdam/NL (pm) – UNStudio wurde kürzlich gemeinsam mit dem lokalen Partner HYP Architects von Atenor, Arhs Group und Agora Luxembourg zu den Gewinnern des Wettbewerbs um den Entwurf des Kyklos-Gebäudes in Belval gekürt.

Belval ist ein Konversionsprojekt, welches das ehemalige Stahlwerk von Esch-sur-Alzette erfolgreich in ein urbanes Quartier, mit Universitätseinrichtungen, einem Technologiezentrum, Wohn- und Büroflächen sowie Hotels und Einzelhandel umgewandelt hat. Nun wird Das Kyklos-Gebäude als letzter Baustein den Bereich um den zentralen Quartiersplatz prägen.

Von Beginn an war das Designteam entschlossen, ein Gebäude mit möglichst geringem C02-Fußabdruck einzubringen.

C02 Berechnung

Mit dem bisher erlangten Wissen und der Fähigkeit, Netto-Null-Gebäude zu entwerfen, konzentriert sich UNStudio mittlerweile auf die Entwicklung optimierter Designs für Gebäude mit niedrigem eingebettetem Kohlenstoff, um unsere Praxis mit dem Pariser Abkommen und der EU-Taxonomie in Einklang zu bringen.

In den letzten Jahren lag der Schwerpunkt bei der CO2-Optimierung von Neubauten vor allem auf den betriebsbedingten Kohlenstoffemissionen. Innerhalb der ersten 40 Jahre werden allerdings lediglich 10 % des CO2-Fußabdrucks eines Gebäudes durch dessen betriebliche Nutzung bestimmt – hingegen 90 % durch die verwendeten Materialien. Daher wurde bei der Planung des Kyklos-Gebäudes besondere Aufmerksamkeit auf den gesamten Kohlenstoffausstoß über den Lebenszyklus des Projektes hinweg gerichtet und neben den betriebsbedingten Parametern auch die Materialien untersucht.

Entwicklung der nötigen Tools

UNStudio arbeitet derzeit an der Entwicklung eines vollumfänglichen CO2-Design-Frameworks, welches Architekt:innen neben anderen Anwendungen erlaubt, umfassende Kontrolle über die voraussichtlichen Kohlenstoffemissionen ihrer Entwürfe zu erlangen. Als Teil dieses Toolsets ermöglicht der „Carbon Builder“ Designer:innen die komplexe Analyse zahlreicher Optionen zur Reduzierung des CO2-Fußabdrucks ihrer Projekte.

Bei der Entwicklung des Entwurfs für das Kyklos-Gebäude konnte das Team mit Hilfe des Prototyps des Carbon Builders bereits in der Frühphase effektive Entscheidungen treffen. Durch die Bewertung des eingebetteten Kohlenstoffs, der auch den Transport und die Bearbeitung der Materialien berücksichtigt, war es möglich, den CO2-Fußabdruck des Konzeptes für dieses Gebäude im Vergleich zur konventionellen Bauweise von Bürogebäuden in Luxemburg um 80% zu reduzieren.

Auswahl der optimalen Materialien

Durch die Möglichkeit, Stahl mit 100 % Recyclinganteil zu verwenden und mit bewährten Betonmischungen zu arbeiten, wurde die Kohlenstoffbilanz des Projekts erheblich verbessert. Vor dem Hintergrund der Anforderungen an die Funktion und Nutzung führte dies zur Wahl einer Hybridkonstruktion aus Stahl und Beton gegenüber anderen Bauweisen. Es wurde festgestellt, dass diese Hybridlösung auf lange Sicht eine bessere Kohlenstoffbilanz aufweist.
Die möglichst präzise Frühschätzung zeigt, dass auf diese Weise 115 kg CO2-Äquivalent/m2 erreicht werden können, verglichen mit 580 kg/m2 für ein typisches Bürogebäude in Luxemburg.
Das Kyklos-Gebäude wird voraussichtlich die Zertifizierungen BREEAM Outstanding und WELL Platinum erhalten.

„Unsere neuen CO2-Tools haben uns gezeigt, dass Holz nicht immer die beste Option ist und dass besonders nachhaltige Gebäude nicht alle gleich aussehen müssen. Wir können jetzt zeigen, dass sich eine interessante Geometrie und ein hohes Maß an Nachhaltigkeit nicht gegenseitig ausschließen.“

Ben van Berkel

Resonanz auf den Kontext

Kyklos (griechisch für „Kreis“) ist das letzte zu entwickelnde Gebäude des großflächigen Entwicklungsareal in Belval, Luxemburg. Das Gebäude ist das Herzstück des Agora-Masterplans und liegt im Zentrum des Quartiers, direkt neben dem „Place des Bassins“.

Das emblematische Design des Place des Bassins verbindet zwei Becken, Relikte des ehemaligen Stahlwerks, in Form einer Unendlichkeitsschleife. Diese Schleife symbolisiert die Allianz des Industriestandorts und seine Revitalisierung als städtischer Lebensraum. Aufgrund seiner Nähe zum Platz ist das Kyklos-Gebäude als dritte Schleife in dieser Gleichung vorgesehen: Eine nachhaltige Verbindung, welche die Zukunft der Stadtentwicklung darstellt.

Die städtebauliche Integration und ein ganzheitlicher nachhaltiger Ansatz sind die beiden wichtigsten Motive für die Gestaltung aller Elemente des Gebäudes, von seiner funktionalen Organisation, seinen Bautechniken bis hin zu seiner Materialität.

Von Beginn des Entwurfsprozesses an bestand das Ziel darin, die distinkten Elemente des Standortes hervorzuheben und ein Gebäude zu entwerfen, dessen Form klar und eindeutig diesen Merkmalen verbunden ist. Der Entwurf berücksichtigt den Masterplan, die Fußgänger-Achse und den bestehenden Quartiersplatz, um ein Gebäude zu schaffen, das von seiner Umgebung inspiriert ist und diese ergänzt. Das Ergebnis ist die Kombination der kreisförmigen Geometrie des Platzes mit der orthogonalen Geometrie der umliegenden Gebäude.

Mit einer Gesamtfläche von 7.600 m2 oberirdisch und 2.250 m2 unterirdisch bietet das Kyklos-Gebäude 8 Stockwerke mit Büroflächen über einem gemischt genutzten Erdgeschoss.
Mittels diverser Strategien wurde der Entwurf auf ein hohes Maß an Transparenz und Tageslicht ausgerichtet. Sie ermöglichen die Verglasung von 90 % im Erdgeschoss und 80 % in den Obergeschossen. Eine Ecke des Gebäudes ist in den unteren Stockwerken zurückgesetzt, wodurch eine Auskragung entsteht, die zusätzlich vor Überhitzung schützt.

Die Lobby ist als vereinter Raum konzipiert, der sowohl den Hauptempfang als auch gewerbliche Nutzungen umfasst, die sowohl von innen und außen direkt zugänglich sind. Von hier aus stellt eine große, kreisförmige Treppe eine visuelle Verbindung mit dem Place des Bassins im Freien her und lädt die Nutzer:innen des Gebäudes ein, die Treppe den Aufzügen vorzuziehen.

Die Bodenplatten des Kyklos-Gebäudes zweigen sich von dem runden Kern ab und sind an Stahlseilen aufgehängt. Dadurch werden tragende Säulen weitestgehend vermieden und die Bodenflächen sind frei für eine Vielzahl offener Innenraumaufteilungen. Die Konstruktion des Gebäudes gewährleistet daher Flexibilität für mögliche künftige Nutzungsänderungen.

Quelle: UNStudio

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