25. April 2024

Wertkorrektur, Nachhaltigkeit, Digitalisierung: Was erwartet uns im Immobilienbereich?

Dr. Nicole Lux
Dr. Nicole Lux (c) Bayes Business School

London (pm) – Nach einer deutlichen Verlangsamung der Immobilieninvestitionen und der Fremdkapitalmärkte infolge steigender Finanzierungszinsen im Jahr 2022 werfen die Experten des Real Estate Research Centre an der Bayes Business School (ehemals Cass) einen Blick auf die Entwicklung im Jahr 2023.

Immobilienfachleute stehen vor der größten Herausforderung ihrer Karriere

Zum ersten Mal seit mehr als einem Jahrzehnt hat der europäische Immobilienmarkt einen Abwärtswendepunkt im Zyklus erreicht, und viele tun sich schwer damit, vorherzusagen, wann die Talsohle erreicht wird.

Für Dr. Nicole Lux, Senior Research Fellow an der Bayes Business School, würde der Abschwung eine scharfe Lernkurve für viele Branchenpraktiker darstellen. „Viele Immobilienfachleute sind zum ersten Mal mit einem Abwärtszyklus konfrontiert“, so Dr. Lux. „Sie werden nun schnell lernen müssen, ihre Investitionen durch unsichere Zeiten zu steuern.“

Anlageklassen droht eine Wertkorrektur nach dem Covid

Dr. Lux befürchtet angesichts der jüngsten und aktuellen wirtschaftlichen Widrigkeiten einen falschen Optimismus, da Schocks in der Regel über mehrere Jahre hinweg wirken. „Die Entwicklung des Immobilienmarktes ist eng mit den Wirtschaftszyklen verbunden, allerdings mit einer zeitlichen Verzögerung zu anderen Anlageklassen“, so Dr. Lux weiter. „Die meisten Immobilienschulden haben eine Laufzeit von drei bis fünf Jahren, was natürlich die Auswirkungen von wirtschaftlichen Schocks und geopolitischen Ereignissen – wie wir sie mit Covid-19 und dem Krieg in der Ukraine erlebt haben – aufhält. Die Anlageklassen wuchsen zum Beispiel während der Pandemie in Bereichen wie der Logistik“.

Alex Skouralis, Forschungsassistent an der Bayes Business School, glaubt, dass die Auswirkungen in den verschiedenen Sektoren unterschiedlich spürbar sein werden. „Bei diesen Vermögenswerten besteht nun ein größeres Risiko einer Wertkorrektur nach unten“, so Skouralis. „Allerdings sind nicht alle Immobilienarten gleichermaßen betroffen. Der jüngste Bayes Commercial Real Estate Lending Report deutet darauf hin, dass steigende Zinssätze für Kreditnehmer zwar ein Problem darstellen, aber aufgrund des gestaffelten Fälligkeitsprofils von Krediten nur zwischen 15 und 20 Prozent der Kreditnehmer oder Kreditgeber pro Jahr davon betroffen sein werden. Andererseits könnten die Immobilienwerte auch dann noch sinken, wenn der Rest der Wirtschaft wieder wächst. Während Real Estate Investment Trusts (REITs) im Jahr 2022 bereits mit großen Abschlägen gehandelt wurden, haben sich die Immobilienbewertungen laut Bayes Commercial Real Estate Monitor länger gehalten.“

Nachwirkungen der REITs-Bewertungskorrektur

Nach der deutlichen Bewertungskorrektur der REITs im Jahr 2022 werden sich alle Augen auf deren Einsatz und Anwendungen im kommenden Jahr richten. Nach Alex Moss, Direktor des Real Estate Research Centre, werden sich die Forschungsarbeiten des Zentrums auf vier Hauptbereiche konzentrieren. „Im Zentrum sind wir besonders darauf gespannt, wie sich die Bewertungskorrektur bis 2023 fortsetzt“, so Herr Moss. „Konkret wird sich unsere Forschung auf die implizite Preisbildung von börsennotierten gegenüber direkten Immobilien, die Quantifizierung der Auswirkungen von strukturellen und zyklischen Veränderungen in verschiedenen Sektoren, die Nutzung und Anwendung von REITs für Multi-Asset-Fonds sowie Bewertungsansätze für erfolgreiche Impact-Investing- und Nachhaltigkeitsstrategien auf dem börsennotierten Immobilienmarkt konzentrieren. Es ist zu erwarten, dass es in den nächsten 12 Monaten zu Marktkorrekturen bei Immobilieninvestitionen kommen wird“.

Drei Schlüsselbereiche, auf die man achten sollte, um in der Vermögensverwaltung Werte zu schaffen

Nach Dr. Lux gibt es trotz der derzeitigen Abwärtszyklen auch Möglichkeiten zur Wertschöpfung, wobei sie drei Schlüsselbereiche nennt.

Dekarbonisierung

„Damit Investitionen mit dem Pariser Abkommen in Einklang gebracht werden können, müssen Gebäude ihren gebundenen Kohlenstoff reduzieren. Dabei handelt es sich um Emissionen, die in die Gebäudestruktur „eingeschlossen“ sind – etwa aus Stahl, Fenstern oder Isolierung, die für den Bau, die Instandhaltung und die Renovierung eines Gebäudes produziert werden – sowie um betriebsbedingten Kohlenstoff in Form von Emissionen aus dem Energieverbrauch für Heizung, Geräte und andere Endanwendungen. Die bebaute Umwelt ist für etwa 40 Prozent der weltweiten Kohlenstoffemissionen verantwortlich, aber alle neuen Gebäude müssen ab 2030 kohlenstofffrei betrieben werden und sowohl neue als auch bestehende Gebäude müssen bis 2050 kohlenstofffrei betrieben werden.

Berücksichtigung von Umwelt-, Sozial- und Regierungsaspekten (ESG)

Grüne Immobilien, Flexibilität und Anlagen mit sozialer Wirkung werden laut Dr. Lux auch für Investoren immer wichtiger. „Die Inhaber und Mieter sind selbstbewusster und anspruchsvoller geworden, da sie großartige Orte zum Leben und Arbeiten wollen. Um mehr Käufer oder Mieter anzulocken, müssen Bauträger und Eigentümer zusätzliche Vergünstigungen anbieten oder gut durchdachte Annehmlichkeiten bereitstellen. Zu den Möglichkeiten gehören Bürogebäude mit intelligenter Technologie, nahe gelegenen Annehmlichkeiten und Zugang zu Ladestationen für Elektrofahrzeuge, E-Bikes oder Lieferstellen für den E-Commerce. Vorausschauende Immobilienentwickler, Investoren und andere Beteiligte kennen die Bedeutung der Nachhaltigkeit. Dazu gehört nicht nur die Optimierung der Energieeffizienz, sondern auch die Wahl umweltfreundlicher Materialien.“

Digitalisierung und Technologie

Die Steigerung der Transaktionseffizienz und die Senkung der Transaktionskosten durch den Einsatz digitaler Lösungen wird auch im kommenden Jahr und darüber hinaus ein entscheidender Wendepunkt sein. „Prop-Tech ermöglicht es Anlegern, ihre Immobilieninvestitionen aus der Ferne zu verwalten, und zwar mit Hilfe von Unternehmen, die die Einrichtung und Verwaltung von Vermögenswerten mit nur einem Smartphone anbieten“, so Dr. Lux.

„Das Real Estate Research Centre geht davon aus, dass diese drei Bereiche die wichtigsten Werttreiber für zukunftssichere Immobilieninvestitionen zwischen 2023 und 2030 sein werden. Es ist viel einfacher, in einem wachsenden oder stabilen Markt positive Renditen zu erzielen, und das Jahr 2023 wird für die Anleger eine Herausforderung sein, aber bei einer klugen Steuerung wird es bedeutende Möglichkeiten geben, große Renditen zu erzielen. In diesem Jahr werden wir dank unserer Zusammenarbeit mit Rightmove.co.uk und der Unterstützung von Ambiental Risk Analytics einen weiteren Beitrag zur Umweltimmobilienforschung leisten.“

 

Pressemitteilung: Bayes Business School