18. Oktober 2025

Stimmungsumfrage unter den sozialen Vermietern Norddeutschlands

Hamburg/Schwerin/Kiel (pm) – Eine Mehrheit der sozialen Vermieter Norddeutschlands wird in diesem Jahr nicht mit dem Bau von Wohnungen beginnen, sondern sich auf die energetische Sanierung ihres Bestandes konzentrieren.

Demnach planen lediglich 28 Prozent der am Gemeinwohl orientierten Wohnungsunternehmen, 2025 mit dem Bau von Wohnungen zu beginnen. 58 Prozent werden es nicht tun. Bei 14 Prozent der Unternehmen ist das noch unklar. 

Anders sieht es bei der energetischen Sanierung bestehender Wohnungen aus. Jedes zweite VNW-Unternehmen plant mit dem Start, 30 Prozent nicht. Bei etwa einem Fünftel (20 Prozent) ist das noch unsicher.

Das ergab eine aktuelle Stimmungsumfrage unter den 350 Wohnungsgenossenschaften und Wohnungsgesellschaften aus Hamburg, Mecklenburg-Vorpommern und Schleswig-Holstein, die im Verband norddeutscher Wohnungsunternehmen (VNW) organisiert sind. Die Umfrage wurde zwischen dem 6. und 10. Januar 2025 durchgeführt.

54 Prozent der Unternehmen bewerten Lage als befriedigend

Den Umfrageergebnissen zufolge bewerten 54 Prozent der Unternehmen die aktuelle Lage der Wohnungswirtschaft als befriedigend. Fast jedes fünfte Unternehmen – 19 Prozent – bezeichnet die Lage dagegen als „schlecht“, vier Prozent als „sehr schlecht“. 19 Prozent sprechen von „guter“ bzw. „sehr guter“ Lage.

Als drängendstes Problem werden derzeit die hohen Baupreise (66 Prozent) angesehen. Mit Abstand folgen der Mangel an Baugrundstücken (zehn Prozent) und gestiegene Zinsen (acht Prozent).
Von der künftigen Bundesregierung erwarten die sozialen Vermieter vor allem eine verlässliche und auskömmliche Förderkulisse, weniger Bauvorschriften und einfachere Genehmigungsverfahren. Zudem fordern die Unternehmen realistische Klimaziele.

VNW-Direktor Andreas Breitner bezeichnete die Ergebnisse der Umfrage als Warnsignal für die künftige Bundesregierung. „Sie muss vor allem die Bedingungen für den Neubau von Wohnungen verbessern – und zwar rasch. Auch wenn sich die Lage zuletzt etwas gebessert hat: fehlen Tausende Baugenehmigungen aus den vergangenen beiden Jahren. Wir brauchen einen Bau-Turbo, sonst fliegt die Wohnungsfrage den künftig regierenden Parteien um die Ohren.“

Der VNW-Direktor mahnte, Vorschriften und Gesetze nicht weiter zu verkomplizieren. „Es mag jetzt für den einen oder anderen Politiker verlockend sein, Wohnungsunternehmen zum Feindbild zu erklären. Am Ende aber sind sie es, die Wohnungen bauen – oder eben nicht.“

VNW-Direktor Andreas Breitner verwies auf die zehn Forderungen, die er aus Anlass des 27. VNW-ManagementForums veröffentlichte. „Unsere Vorschläge liegen auf dem Tisch. Die Politik muss nur zugreifen.“

Die Vorschläge, um beim bezahlbaren Wohnen voranzukommen, sind:

  1. Die öffentliche Förderung des Baus und der Sanierung bezahlbarer Wohnungen muss verstetigt werden. Wir erkennen an, dass die Landesregierungen in Kiel, Hamburg und Schwerin kurzfristig mit einer Ausweitung der Förderung auf höhere Baupreise und gestiegene Zinsen reagiert haben. Wohnungsbauprojekte haben regelmäßig einen mehrjährigen Planungsvorlauf. Bauwillige benötigen deshalb gerade auch auf der Finanzierungsseite mehr Planungssicherheit. Angesichts sehr hoher Baukosten entscheidet die Finanzierung maßgeblich mit über die letztlich zur Kostendeckung notwendige Miethöhe.
  2. Bund. Länder und Kommunen im Norden müssen sich dringend um das wachsende Problem der Nebenkosten kümmern. Wir erleben derzeit überall – u.a. bei Heizenergie, Strom, Wasser, öffentlichen Gebühren, CO2-Abgabe – einen ungebremsten Anstieg der Kosten. In einigen Regionen ist die sogenannte zweite Miete bereits höher als die Kaltmiete. Eine Politik, die das Wohnen verteuert, dann aber zwischen Selbstnutzer und Mieter unterscheidet, ist eine Politik der gesellschaftlichen Spaltung. Das geht nach hinten los.
  3. Die sozialen Vermieter unterstützen als sogenannte Bestandshalter die Energiewende mit ganzem Herzen. Allerdings muss der Wandel zu einer Gesellschaft, die ohne die Produktion klimaschädlicher Emissionen auskommt, sozial verträglich organisiert werden. Notwendig sind dazu zielgerichteter Pragmatismus und weniger ideologisch motivierte Vorgaben. Der Umbau hin zu Klimaneutralität kostet sehr viel Geld. Allein im Verbandsgebiet des VNW – und nur für den Klimaschutz – sind in den kommenden Jahren weit mehr als 100 Milliarden Euro zu finanzieren. Um das stemmen zu können, werden auch die Wohnkosten deutlich steigen müssen. Bei ihren ordnungsrechtlichen Vorgaben muss die Politik daher auf die Kosteneffizienz achten. Echter Klimaschutz findet durch CO2-Vermeidung statt – nicht durch teure material- und damit CO2-intensive bauliche Energieeffizienzvorgaben, deren Einhaltung Planer aber lediglich auf dem Papier nachweisen können. Bei der Sanierung bestehender Wohngebäude besteht das größte Potenzial, klimaschädliche Emissionen zu reduzieren. Deshalb muss sich die öffentliche Förderung auf die energetische Sanierung und die Umstellung auf eine emissionsfreie Energieversorgung konzentrieren. Außerdem ist eine verbindliche Umsetzung der kommunalen Wärmeplanung erforderlich.
  4. Bauen verursacht immer klimaschädliche graue Emissionen. Beim Klimaschutz im Gebäudesektor kommt es deshalb darauf an, diese grauen Emissionen so weit wie möglich zu vermeiden. Das gilt besonders für energetische Maßnahmen im Gebäudebestand, bei deren Umsetzung keinesfalls mehr Emissionen entstehen dürfen, als durch ihre Wirkung mittelfristig wieder eingespart werden. Sonst würde dem Klimaschutz ein Bärendienst erwiesen. Die Umstellung auf eine emissionsfreie Energieversorgung bietet meist einen effizienteren Klimaschutz-Hebel als die maximale Dämmung der Gebäudehülle, die deshalb auf ein optimales Maß begrenzt werden sollte.
  5. Beim Klimaschutz ist eine unrealistische Verkürzung des Zieljahrs für die Klimaneutralitätkontraproduktiv. Diese für das Jahr 2040 oder gar 2035 vorzuschreiben, dient dem Klimaschutz nicht. Weder sind ausreichend Fachkräfte vorhanden noch reicht das Geld. Hier ist Ehrlichkeit statt Wunschdenken gefragt. Niemand stellt die Notwendigkeit des Klimaschutzes in Frage. Zum Ziel muss es aber einen für alle gangbaren Weg geben. Das ist entscheidend für die Aufrechterhaltung der Akzeptanz und des gesellschaftlichen Zusammenhalts.
  6. Die Anstrengungen der Bundesländer, die jeweiligen Landesbauordnungen zu entschlacken, können nur ein erster Schritt sein. Wir brauchen eine noch weitergehende Reduzierung kleinteiliger Regelungen und eine Harmonisierung der Landesbauordnungen mit der Musterbauordnung. Eine ‚norddeutsche Bauordnung‘ könnte ein erster Schritt sein. Auch Bauordnungen müssen konsequent durch die Brille der Kosteneffizienz betrachtet werden. Ebenso die dazugehörigen Durchführungsverordnungen und Verwaltungsvorschriften. Die sichere Nutzung von Gebäuden muss gewährleistet sein. Darüber hinaus muss aber auf Verzichtbares verzichtet werden können.
  7. Baugenehmigungsverfahren müssen – wo immer möglich – beschleunigt werden, denn auch am Bau gilt „Zeit ist Geld“. Für den Umgang mit eingereichten Antragsunterlagen muss es angemessene, aber kurze Fristen geben, in denen die Behörden die Vollständigkeit der Unterlagen bestätigen oder – einmalig – Nachforderungen stellen können. Geschieht das nicht, muss eine Vollständigkeitsfiktion für die eingereichten Unterlagen eintreten, damit die gesetzliche Genehmigungsfrist zu laufen beginnt. Flächendeckend muss endlich der vollständig digitale Bauantrag Realität werden.
  8. Der „Gebäudetyp E“ muss für das konkrete Wohnungsbauvorhaben konsequent im Sinne der Reduzierung auf das wirklich Notwendige ausgelegt werden. Tiefgaragen, Keller, Balkone sind nicht immer zwingend erforderlich. Überzogene statische Sicherheiten sind unnötig. Das „E“ steht dabei vorrangig für einfach und erleichtert, nicht für experimentell. Hauptziel sind bezahlbare Wohngebäude mit bezahlbaren Mieten. Schleswig-Holstein zeigt mit dem „Regelstandard E“ im geförderten Wohnungsbau: die Reduzierung von Baukosten ist möglich.
  9. Bauland ist ein knappes Gut. Maßnahmen gegen die Spekulation mit Bauland sind unverzichtbar. Die Städte und Gemeinden müssen die Möglichkeiten städtebaulicher Verträge ausschöpfen und im Interesse künftiger Entwicklungsmöglichkeiten mehr auf die eigene frühzeitige Baulandbevorratungsetzen. Notwendig ist ein kommunales Baulandregister, um Transparenz zu schaffen. Die Fokussierung auf das Erbbaurecht ist kontraproduktiv, weil sie für bestandshaltende Wohnungsunternehmen auf lange Sicht unkalkulierbare Risiken birgt. Wir brauchen differenzierte Regeln für verschiedene Bauherren: Wer bietet langfristig bezahlbares Wohnen an und wer ist auf Maximalrendite aus.
  10. Die Grundsteuerreform wird in Schleswig-Holstein und Mecklenburg-Vorpommern das Wohnen in guten Lagen verteuern und so der Segregation Vorschub leisten. Jetzt gilt es, die Nachteile des Bundesmodells rasch zu heilen und Lösungen zu finden, die bezahlbares Wohnen auch in besonders nachgefragten Quartieren ermöglicht. Hierfür kann das Hamburger Modell als Beispiel dienen.

Quelle: Verband norddeutscher Wohnungsunternehmen (VNW)