8. Februar 2025

Stadtreparatur als Chance, städtische Räume neu zu denken – ehret+klein Development-Geschäftsführer Erdal Bektas und Projektleiterin Simone Seidl im Interview

Starnberg (pm) – Projektentwickler, Investment-, Asset- und Property Manager ehret+klein will mehr machen als erfolgreiche Projekte realisieren. „Stadtreparatur“ wollen die Starnberger betreiben. In diesem Interview erläutern Development-Geschäftsführer Erdal Bektas und Projektleiterin Simone Seidl, was das konkret bedeutet.

Simone Seidl und Erdal Bektas © ehret + klein

Herr Bektas, Sie bei ehret+klein schreiben sich die Mission der Stadtreparatur auf die Fahnen. Wie hoch ist eigentlich der Bedarf an Stadtreparatur in Städten und Kommunen?

Erdal Bektas: „Der Bedarf an Stadtreparatur in Deutschland ist sehr hoch und nimmt kontinuierlich zu. Der Gebäudebestand ist in die Jahre gekommen, ebenso die öffentliche Infrastruktur. Das durchschnittliche deutsche Wohnhaus stammt aus den 1960er und 1970er Jahren, bei Gewerbeimmobilien sieht es ähnlich aus. Städte und Kommunen haben sich aber seitdem stark verändert, ebenso das Arbeits-, Freizeit- und Konsumverhalten.“

Simone Seidl: „Auch die Erwartungen an den Wohnraum und das urbane Umfeld sind heute ganz andere als vor 50, 60 Jahren. Oder nehmen Sie die Themen Infrastruktur, Mobilität und Klimaresilienz – da gibt es massiven Anpassungsbedarf. Das wiederum erfordert die Einbeziehung aller Akteure – von den Nutzern über die Kommunen und Finanziers bis hin zu den Investoren. Es gilt also einiges zu stemmen, sowohl baulich als auch kommunikativ.“

Vor diesem Hintergrund: Was bedeutet Stadtreparatur mit Blick auf Architektur und Stadtentwicklung?

Simone Seidl: „Aus architektonischer Sicht bedeutet es einerseits, die Mängeln aus der Vergangenheit zu beheben. Andererseits muss Stadtreparatur auch den umgebenden kommunalen Raum weiterentwickeln und ihm neue Impulse geben. Die Architektur muss sowohl den historischen Charakter eines Stadtteils wahren als auch auf die zukünftigen Bedürfnisse eingehen – sei es durch die Schaffung von Wohnraum, gewerblichen Flächen oder durch eine Mischnutzung.“

Und darauf reagieren Sie?

Erdal Bektas: „Genau. Stadtreparatur bietet die Chance, städtische Räume neu zu denken – lebendige, multifunktionale Orte zu schaffen, die sich positiv auf das gesamte Umfeld auswirken. Indem wir unsere Städte und Gemeinden durch umgenutzte oder revitalisierte Objekte um nachgefragte Flächen bereichern, leisten wir einen Beitrag zur Lebensqualität, stiften Identität, werten den jeweiligen Mikrostandort auf und schaffen eine Nutzungsmischung, die zukunftsfest ist.“

Darüber hinaus wird heute ein erkennbarer ‚Social Impact‘ erwartet, also eine positive gesellschaftliche und soziale Wirkung der Immobilie.

Erdal Bektas: „Und das völlig zu Recht. Darauf haben wir zum Beispiel beim Maschinenhaus in München großen Wert gelegt und das Objekt dem Münchner Kreativkollektiv broke.today – einem Zusammenschluss von Street-Art-Künstlern, Designern, Musikern und Handwerkern – für eineinhalb Jahre kostenlos zur Zwischennutzung überlassen. So entstand eine temporäre Begegnungsstätte für Kunst, Kultur, Technik und Sport. Und auch im Rahmen der Transformation des Gebäudes schaffen wir Räume, die sowohl den Arbeitsplatz der Zukunft bieten als auch die Begegnung und Kreativität der Menschen fördern.“

Maschinenhaus in Schwabingen © ehret + klein

Und wie steht es um die dauerhaften neuen Nutzungen?

Simone Seidl: „Im Mantelhaus in Köln zum Beispiel schafft die Mischnutzung ein neues Level an sozialer Interaktion. Im Zuge der Sanierung entwickeln wir ein Büro- und Geschäftshaus, das auch Platz für Kleingastronomie und -gewerbe im Erdgeschoss bietet. Dies fördert den lokalen Austausch und schafft eine lebendige, integrative Atmosphäre für die Stadtgesellschaft. Ein weiterer Baustein ist die geplante Dachterrasse mit Bar oder Café, die als öffentlicher Treffpunkt fungieren wird.“

Mantelhaus in Köln © ehret + klein

Worin liegen dabei die Herausforderungen für Kommunen?

Simone Seidl: „Die Anforderungen an neue oder revitalisierte Gebäude sind heutzutage sehr komplex und nehmen stetig zu. Das liegt nicht nur an den baulichen Herausforderungen, sondern auch an der Vielzahl der Akteursgruppen, die an solchen Projekten beteiligt sind. Stadtreparatur ist immer eine gemeinschaftliche Aufgabe, bei der jeder Stakeholder – von der Politik bis zur Bürgerschaft – eine Rolle spielt.“

Erdal Bektas: „Für uns ist es daher wichtig, bereits in der frühen Konzeptphase den Dialog mit allen relevanten Akteuren zu suchen: mit Kommunen, Verwaltungen und den Menschen vor Ort. Dabei schätzen Kommunen, ähnlich wie wir, Partnerschaftlichkeit und Verlässlichkeit. Zentral ist für alle Beteiligten, dass das Konzept stimmt.“

Haben Sie hierfür ein Beispiel?

Erdal Bektas: „Nehmen wir unser Projekt in der Schwanthaler Straße in München. Das Umfeld ist heterogen und herausfordernd. Aber mit behutsamen Eingriffen in die gegebene Bausubstanz und der Mischung aus historischer Klinkerarchitektur und modernem Sichtbeton schaffen wir ein identitätsstarkes Ensemble, das an genau diesem Ort funktioniert.“

Bei all den Veränderungen: Welche Nutzungen sind auch in Zukunft noch nachgefragt?

Simone Seidl: „Natürlich haben wir keine Zauberkugel, aber Wohnen wird unserer Ansicht nach auch in Zukunft eine zentrale Rolle spielen. Ebenso Nahversorgung, Dienstleistungsangebote und Gastronomie. Die Menschen wünschen sich eine hohe Lebensqualität – also eine möglichst ideale Mischung aus Wohnen, Arbeiten und Freizeitgestaltung. Von daher glauben wir fest an die Zukunft von Mixed-Use-Immobilien, die eine Vielzahl von Nutzungen unter einem Dach kombinieren. Das ist nachhaltig, zukunftsfähig und auch für Kommunen und Investoren eine attraktive Lösung.“

Erdal Bektas: „Der Bürobereich wird sich stark verändern, da durch die Digitalisierung immer mehr Arbeitsplätze flexibler gestaltet werden können. Für den Einzelhandel wird es auf den Standort ankommen, aber auch hier wird die Anpassung an die lokalen Gegebenheiten und Bedürfnisse wichtig sein. Nutzungen, die einen Mehrwert für das urbane Leben bieten, werden stärker in den Fokus rücken. Es geht darum, Räume zu schaffen, die den sich wandelnden Bedürfnissen der Stadtbewohner gerecht werden.“

Gibt es noch weitere Best-Practice-Beispiele für Stadtreparatur?

Simone Seidl: „Ein ganz anderes, ebenfalls gutes Beispiel für unser Verständnis von Stadtreparatur ist unser Projekt in Kempten. Wo früher ein 18 Meter tiefes ‚großes Loch‘ in zentraler Innenstadtlage klaffte, entstehen auf dem Grundstück bis Ende 2025 68 Wohnungen und Flächen für Gewerbe und Gastronomie, allerdings ohne Einzelhandel. Wir haben das Potenzial dieses Standortes erkannt und verwandeln den einstigen „Schandfleck“, der sogar einen eigenen Wikipedia-Eintrag hat, in eine Bereicherung für die Innenstadt. Und übrigens: Den neuen Namen „Kampeo“ haben sich die Kemptener Bürgerinnen und Bürger in einer Umfrage selbst ausgesucht.“

Quelle: ehret + klein