20. April 2024

Prof. Frank Dehn über nachhaltige Baustoffe

Prof. Dr.-Ing. Frank Dehn Institut für Massivbau und Baustofftechnologie © Karlsruher Institut für Technologie, Markus Breig

Karlsruhe (pm) – Die Bauindustrie ist ein maßgeblicher Verursacher des menschengemachten CO2-Ausstoßes. Baustoffe zu untersuchen und zu entwickeln, die den nachhaltigen Umgang mit Ressourcen fördern und helfen, die weltweiten CO2-Emisionen zu senken, ist ein wesentliches Forschungsziel des Bauingenieurs. Er leitet das Institut für Massivbau und Baustofftechnologie (IMB), Abteilung Baustoffe und Betonbau, sowie die Materialprüfungs- und Forschungsanstalt Karlsruhe (MPA) am Karlsruher Institut für Technologie (KIT).

„Beton ist neben Wasser das meistverbrauchte Material weltweit, es gibt deshalb die gesellschaftliche Erwartung, so verantwortungsvoll wie möglich damit umzugehen“, sagt Dehn. Ursächlich für den riesigen Carbon-Footprint von Beton ist der Herstellungsprozess von Zement, der als Bindemittel wesentlicher Bestandteil dieses vielseitigen Baustoffs ist. Um nachhaltige und klimafreundliche Lösungen zu finden, geht der Bauingenieur mit seinem Team in der Forschung und Materialprüfung verschiedene Wege. Die Wissenschaftler analysieren und charakterisieren beispielsweise Reststoffe sowie bislang nicht genutzte mineralische Materialien und untersuchen, wie diese sich  aufbereiten und umwandeln lassen, und sie arbeiten unter anderem an der Entwicklung von zementfreien Betonen.

„Wir greifen zum Beispiel auf vorhandene industrielle Reststoffe wie Hochofenschlacken aus der Stahlherstellung oder Flugasche aus der Kohleverstromung zurück“, sagt Dehn. In der Forschung an sogenannten alkalisch-aktivierten Bindemitteln und Geopolymeren, die zementähnliche Eigenschaften aufweisen, gehört das IMB zu den deutschlandweit führenden Instituten. Anders als Zement sind diese anorganischen Bindemittel nahezu calciumfrei und damit sehr beständig gegen hohe Temperaturen und chemische Substanzen, so dass sie sich vor allem für Beton eignen, der dort eingesetzt wird, wo zum Beispiel Säuren angreifen, etwa im Abwasserbereich. Alternative Bindemittel könnten die Lebensdauer von Beton erheblich, von rechnerischen 50 auf bis zu 100 Jahre und mehr verlängern, so Dehn.

Als Fachbeirat vertritt er das KIT im Netzwerk für innovativen Massivbau Baden-Württemberg „solid UNIT“, das sich – mit dem Ziel von CO2-Einsparungen und nachhaltigem Ressourcen-Management – dafür engagiert, neue Technologien und Baustoffe beschleunigt in der Praxis einzusetzen. Neue Erkenntnisse machten es generell möglich Baustoffe für den jeweiligen Anwendungsfall zu optimieren. Dehn spricht daher vom gezielten Baustoffdesign. Seine Forschung ist in die Denkfabrik „Industrielle Ressourcenstrategien“ am KIT eingebunden, an der, gefördert vom Land Baden-Württemberg und der Industrie, Lösungskonzepte für Rohstoff- und Ressourceneffizienz erarbeitet werden.

Am IMB, an dem schwerpunktmäßig mineralische Baustoffe in den Blick kommen, arbeiten Fachleute der Geologie, Mineralogie, Physik, Chemie, des Bauingenieurwesens und der Informatik zusammen. Vor allem die Digitalisierung im Bauwesen liegt Dehn sehr am Herzen, denn es sei immens wichtig, Wertschöpfung, Produktivität und Nachhaltigkeit miteinander zu verknüpfen.  Hierfür bieten die digitalen Ansätze Building Information Modelling (BIM) und Künstliche Intelligenz (KI) ein riesiges Potenzial, so Dehn. Das IMB steht für Grundlagenforschung, aber auch für  anwendungsnahe Forschung mit Blick auf den Bauprozess, dies in engem fachlichen Austausch mit Unternehmen der Bauwirtschaft. Die europaweit herausragende Verbindung von numerischer Analyse und Experiment, die sich sowohl mit den mechanischen Eigenschaften wie mit der Dauerhaftigkeit von Baustoffen befasst, verdanke sich „den Köpfen und den Prüfgeräten am KIT“, betont Dehn. Die MPA als national anerkannte Prüf-, Überwachungs- und Zertifizierungsstelle sowie als europäisch notifizierte Einrichtung sei ein wichtiges Instrument für den Wissens- und Technologietransfer. „Wir prüfen Werkstoffe für das Bauwesen skalenübergreifend von der Mikroebene bis hoch zum Bau- und Tragwerk darauf, ob sie den Anforderungen der Praxis entsprechen, und wir begleiten die Markteinführung von neuen, noch nicht standardisierten Baustoffen und Bauarten in Deutschland und Europa“, sagt der Bauingenieur.

Seine Erfahrungen aus Forschung und Materialprüfung bringt Dehn in verschiedene wissenschaftlich-technische Gremien ein. Beispielsweise ist er Präsidiumsmitglied  in der internationalen Gesellschaft für Beton, Fédération Internationale du Béton (fib) und arbeitet in Ausschüssen des Deutschen Instituts für Normung (DIN) sowie der deutschen Bauaufsicht (DIBt) und des Europäischen Komitees für Normung (CEN) mit.

Pressemitteilung: Karlsruher Institut für Technologie (KIT)