27. April 2025

Peter Diessenbacher, Vorstand der WeGrow AG und Geschäftsführer von KIRITEC: Wir bauen gesunde, energieeffiziente und bezahlbare Gebäude aus nur 3 Jahre alten Bäumen

Peter Diessenbacher und Allin Gasparian, die Gründer von WeGrow und KIRITEC, haben sich der nachhaltigen Nutzung des schnellwachsenden Kiribaums verschrieben. Diese Unternehmen revolutionieren die Bauindustrie mit Entwicklungen wie dem KiriBloX® Bausystem, das nachhaltige und flexible Architekturlösungen ermöglicht. Das Interview mit Peter Diessenbacher wird nicht nur die Entstehung dieser innovativen Unternehmen beleuchten, sondern auch deren Einfluss auf moderne Bauweisen und die nachhaltige Nutzung pflanzlicher Rohstoffe in der Architektur.

Peter Diessenbacher und Allin Gasparian, die Gründer von WeGrow und KIRITEC © WeGrow AG

Was hat Sie dazu inspiriert, WeGrow und Kiritec zu gründen, und welche Geschichte steht dahinter?

Peter Diessenbacher: Schon als Student der Landwirtschaft an der Universität Bonn war ich überzeugt, dass wir auf lange Sicht endliche, insbesondere fossile Rohstoffe Schritt für Schritt durch nachwachsende Rohstoffe ersetzen werden müssen. So galt meine Neugier schon damals dem Anbau und der wirtschaftlichen Nutzung noch nicht „entdeckter“ potenzialreicher pflanzlicher Rohstofflieferanten.

Als dann eines Tages ein Gärtner aus dem Botanischen Garten der Universität Bonn mit der Holzscheibe eines Kiribaumes bei meinem damaligen Professor und mir im Büro stand, konnten wir unseren Augen nicht glauben: Die Holzscheibe hatte einen Durchmesser von 40 Zentimetern, zählte jedoch nur 12 Jahresringe! Zum Vergleich: Eine Eiche hätte für solch einen Durchmesser mindestens 100, wenn nicht sogar 120 Jahre benötigt.

Die Faszination für das Wachstumswunder Kiribaum hat mich seit diesem Tage nicht mehr losgelassen. An diesem Tag begann also die Geschichte von WeGrow und KIRITEC. Rund 15 Jahre ist es jetzt her, dass ich zusammen mit meiner Geschäftspartnerin Allin Gasparian das Unternehmen WeGrow unter dem Schrägdach meiner damaligen Studentenwohnung gegründet habe. Heute gelten wir als Weltmarktführer für Kiribaum-Jungpflanzen mit Kunden in 47 Ländern auf 5 Kontinenten und mit rund 500 Hektar angelegten Kiribaum-Anbauflächen als der führende Kiriholz-Bewirtschafter in Europa.

Was ist Kiri für ein Baum und welche einzigartigen Eigenschaften zeichnen ihn aus?

Peter Diessenbacher: Der Kiribaum, der auch unter der Gattungsbezeichnug Paulownia bekannt ist, gilt als der schnellwüchsigste Baum, den wir auf unserer Erde kennen. Er kann innerhalb eines Jahres über 6 Meter in die Höhe wachsen und je nach Anwendung bereits nach 3-12 Jahren für die Holznutzung geerntet werden. Seine Blätter erreichen Durchmesser von bis zu 1 Meter und können entsprechend viel Sonnenergie aufnehmen. Nach der Holzernte treiben Kiribäume wieder aus dem vorhandenen Wurzelwerk aus, müssen also für Folgezyklen nicht neu gepflanzt werden.

Der unter anderem aus Japan stammende Baum wird in seinen ursprünglichen Heimatregionen seit Jahrhunderten aufgrund seines sehr leichten und homogen wachsenden Holzes geschätzt. Diese Wertschätzung des Kiribaumes wird verdeutlicht durch das Siegel der japanischen Regierung, in dem drei Blätter sowie drei Blütenstände des Kiribaumes dargestellt sind. Seit dem 16. Jahrhundert wurde dieses Emblem als Symbol der japanischen Kaiserfamilie verwendet.

© WeGrow AG

Sie haben nicht-invasive Hybrid-Sorten des Kiribaumes entwickelt. Welche spezifischen Eigenschaften haben Sie durch die Kreuzung verschiedener Kiribaum-Sorten hervorheben wollen?

Peter Diessenbacher: Schon während meiner wissenschaftlichen Tätigkeit am Institut für Nachwachsende Rohstoffe der Universität Bonn habe ich mich intensiv mit der züchterischen Selektion von Kiribaum-Hybriden befasst. Mein erstes züchterisches Ziel war es, eine Kiribaum-Sorte zu züchten, die sowohl schnell wächst, einen homogenen und geraden Stammwuchs aufweist als auch an die kalten hiesigen Klimabedingungen angepasst ist. Aus diesem ersten Züchtungsprogramm ist unsere Hybrid-Sorte NordMax21 hervorgegangen, die wir bereits 2009 zum Sortenschutz anmelden konnten und auf zahlreichen Flächen in Deutschland selbst anbauen.

Über die Jahre konnten wir weitere drei Hybridsorten selektieren, die mittlerweile in der EU und in 15 Länder außerhalb der EU sortenschutzrechtlich geschützt sind. Darunter befindet sich die besonders starkwüchsige Sorte Phoenix One für milderes Klima sowie die Sorte H2F3, die wir speziell für besonders trockene Anbauregionen selektiert haben.

Wo pflanzen sie die Kiribäume an und welche klimatischen oder geografischen Bedingungen sind ideal für ihr Wachstum? Wie energie- und ressourcenintensiv ist die Aufzucht und der Anbau?

Peter Diessenbacher: Über die letzten 15 Jahre haben wir zahlreiche Anbauflächen sowohl in Deutschland als auch in Spanien mit Kiribäumen bepflanzt, in der Summe etwa 500 Hektar. Der Anbau erfolgt hierbei nicht im Wald, sondern auf landwirtschaftlichen Flächen in Form von Agrarholzplantagen. Diese Form der Holzproduktion ist in der EU in den Jahren 2009-2010 rechtlich implementiert worden, um den Nutzungsdruck auf die natürlichen Waldvorkommen zu mindern. Agrarholzplantagen sind seitdem der Landwirtschaft zugeordnet. Das Holz aus diesen Plantagen wächst also außerhalb des Waldes und gilt auch als landwirtschaftliches Produkt. Die Kulturführung ist eine andere als im Wald oder Forst, sie entspricht eher der einer Obstplantage oder Baumschule.

Generell bevorzugt der Kiribaum ein ausgeglichenes Klima und lockere, tiefgründige und gut drainierende Böden. Zudem sollten nach Möglichkeit windgeschützte Standorte ausgewählt werden. Wie jede Pflanze benötigt der Kiribaum direkt nach der Pflanzung eine ausreichende Wasserversorgung, um sich zu etablieren. Ist der Baum erst einmal angewurzelt, kann er aufgrund seines teils 3-5 Meter tief reichenden Wurzelwerkes auch sehr lang anhaltenden Dürreperioden problemlos überstehen. Dies zeigte sich besonders deutlich im Dürrejahr 2023, in dem unsere Kiri-Bestände in Deutschland teils Rekordzuwächse verzeichnet haben, während heimische Baumarten wie die Fichte, Eiche und Buche sehr unter der Trockenheit gelitten haben.

Sowohl in Hinblick auf die Intensität der Bewirtschaftung also der ökologischen Wertigkeit ist eine Kiribaum-Plantage zwischen der Waldwirtschaft und dem konventionellen Ackerbau einzuordnen. Auf unseren großen Anbauflächen in Norddeutschland verwenden wir ausschließlich regionale organische Dünger und die Unkrautkontrolle erfolgt mechanisch. Seit letztem Jahr sind die Anbauflächen offiziell Bio-zertifiziert. Auch wenn die Waldwirtschaft von Natur aus auch rein biologisch arbeitet, ist unser zertifiziertes Kiriholz vermutlich das erste „Bio-Holz“ auf dem europäischen Markt.

Wie gestaltet sich die Logistik vom Anbau bis zur Verarbeitung des Kiriholzes? Wie wird das Holz in Bezug auf Nutzung und Abfallmanagement verarbeitet?

Peter Diessenbacher: Unser Grundprinzip besteht darin, das Rundholz dort regional zu verarbeiten, wo es auch wächst. So können weite Transportwege vermieden werden. Die Verarbeitung des Rundholzes unserer Anbauflächen in NRW erfolgt beispielsweise bei uns auf dem Zentralbetrieb in Tönisvorst. Weitere Verarbeitungswerke sollen zentral innerhalb unserer Anbaugebiete in Mecklenburg-Vorpommern und Talavera de La Reina in Zentralspanien entstehen. Der Transport des Rundholzes beschränkt sich somit auf einen sehr engen Radius und kann mit Rückefahrzeugen ohne aufwändiges Umladen bewältigt werden. Dies spart Kosten und Ressourcen.

Wir sind davon überzeugt, dass zukünftig nicht nur die nachhaltige Herkunft des Holzes eine immer wichtigere Rolle spielen wird, sondern auch der sparsame Umgang mit dem begrenzt zur Verfügung stehenden und immer knapper werdenden Rohstoff Holz. Im Vordergrund stehen bei uns deshalb Verarbeitungsverfahren, bei denen der Nutzungsgrad des Massivholzes maximiert wird. Zudem ist es unser Ziel, den gesamten Baum inklusive des Astwerkes vollständig einer stofflichen Nutzung zuzuführen. So befindet sich aktuell ein Produkt in der Entwicklung, welches aus Kronenmaterial und Koppelprodukten der Verarbeitung produziert werden kann ohne die Verwendung von synthetischen Zuschlagstoffen.

© WeGrow AG

Der Baustoff Holz kann als CO2-Speicher einen wichtigen Beitrag zur Bekämpfung des Klimawandels leisten. Können Sie quantifizieren, wie effizient die CO2-Aufnahme des Kiribaums im Vergleich zu heimischen Bäumen ist?

Peter Diessenbacher: Aufgrund seines sehr schnellen Wachstums wird der Kiribaum in jüngster Zeit auch vermehrt als „Klimabaum“ bezeichnet, da er ein Vielfaches der Menge von CO2 aus der Atmosphäre binden kann als heimische Baumarten. Zum Vergleich: Eine Kiribaum-Plantage bindet mit ca. 40 Tonnen CO2 pro Hektar und Jahr etwa 3–4-mal so viel CO2 aus der Atmosphäre wie ein heimischer Mischwald.

3 Jahre alte Kiribäume © WeGrow AG

Wie positioniert sich Kiriholz im Vergleich zu traditionellen Laub- und Nadelhölzern hinsichtlich seiner physikalischen und ökologischen Eigenschaften für den Einsatz im Bauwesen?

Peter Diessenbacher: Die spezifischen materialphysiologischen Eigenschaften des Kiriholzes unterscheiden sich sehr stark von denen traditionell im Baubereich eingesetzten Laub- und Nadelholzarten. So gilt sein Holz mit einer Darrdichte von 220-250 kg/m3 als die leichteste in Europa produzierbare Holzart und wiegt somit nur etwa halb so viel wie Fichtenholz.

Aufgrund des hohen Luftanteils liegt der Dämmwert von Kiriholz mit 0,09 W/(mK) rund 50% über dem der klassischen Bauhölzer wie Kiefer oder Fichte (0,13 W/(mK)).

Die Dauerhaftigkeit unserer Kiribaum-Hybride NordMax21 wurde von der Materialprüfanstalt in Eberswalde mit 1v klassifiziert. Das Holz ist im Außenbereich also ähnlich dauerhaft wie beispielsweise Teakholz.

Das Quell- und Schwundverhalten des Kiriholzes (Trocknungsschwindmaß radial 0,69% und tangential 2,46%) ist geringer als das der meisten Laub- und Nadelholzarten.

Ein für die Anwendung im Baubereich ganz wesentlicher Aspekt sind jedoch die feuerhemmenden Eigenschaften von Kiriholz. Kiriholz ist harzfrei, weist eine eher wabenförmige Zellstruktur auf besitzt einen niedrigen Ligningehalt. Dies führt dazu, dass sich bei Feuereinwirkung eine Kohleschicht bildet, die eine noch effizientere Feuerschutzwirkung aufzuweisen scheint als die anderer Holzarten mit Harzeinschluss oder höherer Dichte.

© WeGrow AG

Sie haben ein standardisiertes Wandmodulsystem entwickelt. Wie ist das KiriBloX® Bausystem konstruiert?

Peter Diessenbacher: KiriBloX® ist ein standardisiertes Wandmodulsystem aus 100 % Holz, das aus vertikalen, Achtkantprofilen aus Kiriholz besteht. Die Profile fertigen wir aus Kiribaumstämmen unserer nachhaltig bewirtschafteten Anbauflächen, die meist nur 3-4 Jahre gewachsen sind. Die Module werden ohne Leim oder Metall durch präzise gefräste Systemdübel aus Kiefernholz verbunden, wodurch eine stabile und nachhaltige Konstruktion entsteht.

Welche architektonischen Möglichkeiten und Bauvariationen bietet das modulare Bausystem?

Peter Diessenbacher: Das KiriBloX®-System setzt sich aus zwei Standardmodulen zusammen, dem Sockelmodul und dem Zwischenmodul. Durch das Umdrehen des Sockelmoduls und das Aufstecken auf das Zwischenmodul entsteht eine Gesamthöhe von 2,85 m pro Wand.

Bei der Montage werden die einzelnen Module mit speziellen Systemdübeln aus Kiefernholz sicher und passgenau verbunden. Dies ermöglicht eine stabile Konstruktion ohne den Einsatz von Leim oder Metall.

Das System ist auch um die Ecke steckbar, sodass komplette Außen- und Innenwände durchgängig konstruiert werden können. Die Module sind so konzipiert, dass sich verschiedene Wandstärken und -höhen realisieren lassen, was eine individuelle Anpassung an unterschiedliche Bauanforderungen ermöglicht.

Die abgeschlossenen umfänglichen Materialprüfungen unserer Standard-Wandaufbauten durch die Prüfanstalt MFPA Leipzig bestätigen, dass alle Anforderungen an Brandschutz (REI 90), an Wärmeschutz und Statik erfüllt werden.

Aus KiriBloX® konstruierte Gebäude lassen sich jederzeit wieder rückbauen, indem die Verbindungsdübel ausgeschlagen und die Module wieder auseinandergesteckt werden. KiriBloX®- Gebäude sind somit Materiallager eines wertigen und für den Bau neuer Gebäude zirkulär wieder verwendbaren Baustoffes.

© WeGrow AG

In welchen Projekten wird das Bausystem eingesetzt und welche Vorteile zeigen sich dabei?

Peter Diessenbacher: Nur wenige Wochen nach der offiziellen Produkteinführung auf der BAU-Messe 2025 in München haben wir unseren ersten Auftrag für die Aufstockung eines Wohngebäudes in NRW erhalten. Dank der modularen und besonders leichten Bauweise eignet sich das System ideal für solche Erweiterungen, da das geringe Eigengewicht statische Vorteile bietet und den Bauprozess erleichtert. Zudem ermöglicht der hohe Vorfertigungsgrad eine schnelle und effiziente Montage vor Ort.

Aktuell befinden sich eine Vielzahl weitere Projekte in der Planung, darunter weitere Aufstockungen, Neubauvorhaben im Wohnungsbaubereich sowie ein Projekt mit Bungalows für einen Ferienpark.

Welche langfristigen Ziele und Visionen haben Sie für WeGrow und Kiritec, besonders im Hinblick auf Nachhaltigkeit und Innovation in der Bauindustrie?

Peter Diessenbacher: Gesunde, energieeffiziente und bezahlbare Gebäude bauen aus nur 3 Jahre alten Bäumen, für die kein Holz aus natürlichen Wäldern gefällt werden muss, in denen große Mengen an CO2 langfristig aus der Atmosphäre gebunden werden und die ohne die Verwendung von Leimen oder Metallen auskommen: Diesen Lösungsansatz wollen wir weltweit gemeinsam mit unseren Anbaupartner in mittlerweile 47 Ländern auf 5 Kontinenten weiter skalieren und somit einen schnell umsetzbaren nachhaltigen Lösungsansatz für die größten Herausforderungen unserer Zeit bieten: Dem Schutz unseres Klimas, unserer Umwelt und unserer weltweiten natürlichen Waldvorkommen.

Vielen Dank für das Gespräch.

WeGrow

KIRITEC