19. Mai 2025

h4a Architekten: Sanierung und Erweiterung Friedrich-von-Keller-Schule in Neckarweihingen

Stuttgart (pm) – Bauen im Bestand versus Abriss und Neubau – mit Sanierung und Erweiterung einer in die Jahre gekommenen Behnisch-Schule erwecken h4a Architekten ein kleines Juwel aus dem Dornröschenschlaf.

„Qualitäten erhalten und zukunftsfähig gestalten“ war die Devise für die Sanierung und Erweiterung der 1966 von Günter Behnisch erbauten Friedrich-von-Keller-Schule. Aus einem in die Jahre gekommenen Schulbau wurden durch behutsame Eingriffe Stärken wie Transparenz, Großzügigkeit und vielfältige Blickbeziehungen herausgearbeitet, Flurzonen zu Lernlandschaften aufgewertet und somit das Haus für die Anforderungen des zeitgemäßen Lernens ertüchtigt.

Die Schule stammt aus der frühen Schaffensphase Günter Behnischs. Prägend, entsprechend der 1960er-Jahre, war die vorgefertigte Bauweise, technische Präzision und eine daraus resultierende funktional-nüchterne Gestaltung. So stellte die Stadt Ludwigsburg die Schule zwar nicht unter Denkmalschutz, sprach sich aber aufgrund der vorhandenen räumlichen Qualitäten und ihrer ortsprägenden Gestalt – eine terrassierte Bauweise am Hang – für einen Erhalt und Generalsanierung der Grundschule mit Erweiterung aus. Zuvor waren im Rahmen einer Studie Sanierung und Erweiterung einem Abbruch und Neubau gegenübergestellt worden. Die sanierungsbedürftig wirkende Schule konnte glücklicherweise mit ihrem Potential überzeugen.

Schulbau mit Qualitäten

20 Kilometer nördlich von Stuttgart in Neckarweihingen gelegen, ist die Friedrich-von-Keller-Schule zentrale Anlaufstelle in einem Wohngebiet. Nach der Sanierung erstrahlt die Schule in neuem Glanz, wobei die Planer:innen das äußere Erscheinungsbild weitestgehend unangetastet ließen. Besonderes Merkmal: ein jahrzehntealter Bestandsbaum im Herzen des Schulhauses. Eine prächtige Hängebuche spannt mit ihrem üppigen Grün in einem Innenhof sinnbildlich ein schützendes Blätterdach für die Kinder auf. Schon allein dieses besondere Kennzeichen macht die Schule einzigartig. Der vom Baum erfüllte Lichthof prägt das Geschehen im Inneren mit seiner freundlich-friedlichen Atmosphäre und konnte vollständig erhalten bleiben.

Insgesamt wies der vorhandene Schulbau viele Qualitäten auf, die erhaltenswert schienen. Blickbeziehungen zwischen innen und außen verankerten die Schule mit hoher Aufenthaltsqualität im Areal. Großzügige Flurzonen boten Raum für Lernlandschaften und neue pädagogische Konzepte, die sich jenseits des Frontalunterrichts orientieren. Die terrassierte Bauweise ermöglichte ein Schulhaus, das an keiner Stelle mehr als zwei Geschosse aufweist und damit dem maßstäblichenKin Empfinden von Grundschüle:innen entgegen kommt.

Sensible Eingriffe in den Bestand

Mit lediglich zwei Hauptmaßnahmen gelingt eine Anpassung an die aktuellen Anforderungen und gestiegenen Schüler:innenzahlen: Ein Ergänzungsbau, der eine Mensa, zusätzliche Klassenzimmer sowie Bibliothek beherbergt, schmiegt sich unaufgeregt in Form eines zweigeschossigen Riegels an die westliche Gebäudeseite.

Mit großzügiger Glasfassade orientiert sich die neue Mensa zum Pausenhof, während die oben gelegenen Klassenräume einen Zugang zum rückwärtigen Schulgarten erlauben. Die Erweiterung wertet den Bestand auf und folgt dem ursprünglichen Entwurfsgedanken. Im Inneren entsteht ein vielfältig zu nutzender Veranstaltungsbereich, mit enger Anbindung ans Foyer, im Außenraum ergibt sich durch die Erweiterung eine geschützte Hofsituation. Die Gestaltung des neuen Baukörpers greift das Raster des Bestands auf, die grau lasierte Holzverschalung vermittelt eine angenehme Haptik.

Zweite entscheidende Maßnahme ist ein neuer Lichthof, der einen Zugang zum Schulgarten ausbildet und die Aufenthaltsqualität des Foyers sowie Werkraums im Gartengeschoss erhöht. Die Architekten öffneten die Fassade mit bodentiefen Fenstern. Der Blick fällt von hier aus auf einen schattenspendenden japanischen Schnurbaum, eine Sophora inmitten des Schulgartens, deren Standort die Planer:innen bei der Ausformung des Lichthofes berücksichtigten.

Moderne Räume für neue pädagogische Konzepte

Mit gezielten Eingriffen ließ sich die Schule an die heutige Zeit und pädagogischen Anforderungen adaptieren. Die Architekt:innen ordneten im Innern die Klassenräume neu und richteten eine Ganztagsbetreuung mit Zugang zum Schulgarten ein. Die ausgesprochen großzügigen Flurzonen nutzen sie, um offene Lernbereiche als flexibel nutzbare Lehrflächen anzulegen. Im dritten Obergeschoss steht den Schüler:innen ein Bewegungsbereich mit Kletterwand zur freien Verfügung. Ursprünglich vorhandene räumliche Qualitäten arbeiteten die Planer:innen wieder heraus: Aufgrund von Platzmangel zugemauerte Glasfugen zwischen Fluren und Klassenzimmern legten sie wieder frei.

Über die Materialität binden die Architekt:innen Bestand und Neubau zusammen: Ein sonnengelber Kautschukboden setzt sowohl in den alten als auch neuen Bauteilen angenehm warme Akzente und einen Kontrast zum Sichtbeton. Abgehängte helle Lamellendecken sorgen für ein freundliches Ambiente. Holztüren und -rahmen, Sitzbänke sowie Schrankelemente in Eiche tragen in allen Bereichen zu einer wohnlichen Atmosphäre bei. Die minimale Materialpalette entspricht dabei weitestgehend dem Cradle-to-Cradle-Prinzip und orientiert sich am Bestand. Auch konnte die Betonfertigteilfassade erhalten bleiben, der Anbau greift deren Duktus auf und zeigt mit einer grau lasierten Holzschalung eine zeitgemäße Gestaltung. Ebenso wurden die Bestandsgebäude einer energetischen, Brandschutz- sowie Schadstoffsanierung unterzogen und barrierefrei gestaltet.

Heute bietet die Schule Raumlichkeiten für bis zu 300 Schüler:innen und einen Ganztagsbetrieb –Schüler:innen und Lehrer:innen sind begeistert vom neuen Schulort. Besonders überzeugend sind das Gefüge der Schule, die Verbundenheit der Geschosse miteinander, die Transparenz und der Bezug zum Außenraum – das Schulhaus vermag es, den Schüler:innen ein Heimatgefühl zu vermitteln. Und auch wenn die Sanierung so manche Überraschung bereithielt, ist es gelungen, die Schule aus dem Dornröschenschlaf zu erwecken. Sensible Eingriffe orientieren sich an den Vorgaben des Bestands, stärken die Qualitäten des ursprünglichen Entwurfs, scheuen aber auch keine Maßnahmen, um die Schule selbstbewusst und entsprechend heutigen Anforderungen zu gestalten.

Projekt: Sanierung und Erweiterung Friedrich-von-Keller-Schule, Neckarweihingen
Architekt: h4a Gessert + Randecker Architekten, Stuttgart
Landschaftsplanung: Gänßle + Hehr Landschaftsarchitekten, Esslingen
Bauherr: Stadt Ludwigsburg
Standort: Schwarzwaldstraße 2, 71642 Neckarweihingen
VOF-Verfahren: 2016, 1. Rang
Fertigstellung: 10/2023

Quelle: h4a Gessert + Randecker Architekten