19. April 2024

GFB-Zukunftspreis für Projekt „Gut leben in großen Siedlungen“

Staatssekretär Jens Deutschendorf überreichte die Urkunde für den GFB-Zukunftspreis an Prof. Dr. Natalie Heger (M.) und Ruth Schlögl von der Frankfurt UAS. Foto: Annika List Fotografie

Frankfurt (pm) – Für das Projekt „Gut leben in großen Siedlungen“ wird das Forschungslabor Nachkriegsmoderne der Frankfurt University of Applied Sciences (Frankfurt UAS) im Rahmen des GFB-Zukunftspreises mit einem Preisgeld in Höhe von 20.000 Euro prämiert.

Staatssekretär Jens Deutschendorf überreichte die Preisurkunde am 19. Dezember 2022 im Landeshaus in Wiesbaden an das Forschungsteam. Der Große Frankfurter Bogen (GFB) ist ein Programm des Landes Hessen, das den Wohnungs- und Städtebau im Ballungsraum Frankfurt Rhein-Main fördert. Der GFB-Zukunftspreis unterstützt Projekte in oder für GFB-Partnerkommunen, die einen Impuls für den Wohnungs- und Städtebau geben.

Prof. Dr. Maren Harnack, Prof. Dr. Natalie Heger und Ruth Schlögl vom Forschungslabor Nachkriegsmoderne des Frankfurter Forschungsinstituts FFin widmen sich in ihrem prämierten Projekt dem Thema Lebensqualität in Großwohnsiedlungen. Im Zentrum steht das Thema „Zusammenleben und Nachbarschaft“ und die Frage, wie man bezahlbaren Wohnraum in den Quartieren der Nachkriegsmoderne erhalten und zugleich lebenswert und nachhaltig gestalten kann. Das Projekt startet im März 2023 und läuft ein Jahr.

„Lebensqualität ist ein vielschichtiges Thema, mit dem sich unterschiedliche Disziplinen befassen. Im Kontext der Quartiersentwicklung von Großwohnsiedlungen wurden Lebensqualitätskonzepte bisher jedoch selten betrachtet. Insofern verfolgt unser Forschungsprojekt einen neuen Ansatz“, erläutert Prof. Dr. Maren Harnack, Professorin für Städtebau und Entwerfen und Sprecherin des Forschungslabors Nachkriegsmoderne.

Gemeinsam mit Bewohnerinnen und Bewohnern untersucht das Forschungsteam die Lebensqualität in Wohnquartieren und formuliert messbare Schlüsselkriterien. Die Leitfrage lautet: Wie können Daten und Informationen zu einem Quartier erfasst, zusammengeführt und visualisiert und bewertet werden, um eine Grundlage für die weitere Quartiersentwicklung zu bilden?

Das Projekt „Gut leben in großen Siedlungen“ basiert auf einer Kooperation zwischen dem Forschungslabor Nachkriegsmoderne und der Wohnungsgesellschaft GWH, in deren Rahmen beispielhaft an einer Siedlung in Kassel der Wohnqualitätsindex gemessen wurde.¹ Die dafür entwickelte Bewertungsmatrix soll nun im Rahmen eines Lehr- und Forschungsprojekts der Frankfurt UAS an den beiden Frankfurter Großwohnsiedlungen Henri-Dunant-Siedlung und Ben-Gurion-Ring qualifiziert werden, um sie für die Praxis nutzbar zu machen.
Die Beispielsiedlungen wurden ausgewählt, da es für sie aus dem Vorgängerprojekt bereits umfangreiche Datengrundlagen gibt, auf die man nun zurückgreifen kann.

Wichtige Merkmale, die einen Wohnort lebenswert machen, wurden in elf übergeordneten Kategorien (beispielsweise Gestaltung, Freiräume, Service, Gebäudezustand, Mobilität) eingeordnet; jeder der elf Kategorien sind insgesamt 39 Indikatoren (beispielsweise Barrierefreiheit, ÖPNV-Anbindung, Schulen, aber auch Sauberkeit, Nachbarschaft, Aufenthaltsqualität) zugeordnet.
Alle Bewertungskriterien zusammen ergeben den Wohnqualitätsindex. Er macht ablesbar, wo die Stärken eines Quartiers liegen und eine gute Weiterentwicklung ansetzen könnte – und wo Defizite vorhanden sind und Handlungsbedarf besteht.

„Die Teilhabe der Bewohner/-innen vor Ort ist eine wesentliche Voraussetzung zur Ermittlung des Wohnqualitätsindex‘“, so Ruth Schlögl, administrative Geschäftsführerin des FFin. Studierende und Forschende der Frankfurt UAS befragen im Laufe des Projekts die Bewohner/-innen und erstellen anschließend in den genannten Siedlungen eine partizipative Quartierskarte. „So werden die Menschen, die dort leben, zu Gestaltenden ihrer Quartiersentwicklung“, so Schlögl.
Das vorliegende Projekt leistet somit nicht nur einen wichtigen Beitrag zur nachhaltigen Stadtentwicklung, sondern auch zur Aktivierung lokaler Gemeinschaften und der Festigung des bürgerschaftlichen Selbstverständnisses.

Über die Hälfte aller Mietwohnungen in Deutschland liegen in Mehrfamilienhäusern, die von 1949 bis 1978 gebaut wurden. Sie prägen das Wohnen bis heute. Kommunen und Wohnungsbaugesellschaften als Bestandshalter stehen vor der Herausforderung, diese Bestände für die großen Zukunftshemen zu qualifizieren: demografischer Wandel, Klimaschutz, sozialer Zusammenhalt und Digitalisierung.
„Großwohnsiedlungen sind zudem in den angespannten Wohnungsmärkten prosperierender Regionen oft die letzten Nischen mit bezahlbarem Wohnraum für einkommensschwächere Bevölkerungsgruppen“, so Prof. Dr. Natalie Heger, Professorin für Städtebau und Entwerfen.
„Das Projekt ist angesichts der großen Zahl von Siedlungen der Nachkriegsmoderne in der gesamten Rhein-Main-Region in Methodik und Vorgehen direkt auf andere Siedlungen übertragbar“, so Heger. Alle während dieses Lehr- und Forschungsprojekts gewonnenen Erkenntnisse fließen unmittelbar in die Verbesserung zukünftiger Projekte und Erhebungen mit ein.
Ähnliche Quartiere mit ähnlichen Problemlagen wie die beiden ausgewählten gibt es in vielen Kommunen, beispielsweise Rüsselsheim, Neu-Isenburg, Hanau oder Wiesbaden.

Forschungslabor Nachkriegsmoderne

Das Forschungslabor Nachkriegsmoderne, Re-Working Mass Housing, an der Frankfurt University of Applied Sciences versteht die Wohnsiedlungen der Jahre 1945 bis 1975 als eine wichtige kulturelle, soziale, wirtschaftliche, architektonische und städtebauliche Ressource. Auf dieser Grundlage entwickelt das Forschungslabor die besten Strategien für deren Anpassung an heutige Bedürfnisse und Anforderungen (energetische Sanierung, Barrierefreiheit, soziale und Versorgungsinfrastruktur). Durch den hohen Nachverdichtungsdruck gewinnt eine umfassende Beschäftigung mit diesen Beständen derzeit zusätzlich an Dringlichkeit. Kooperationspartner sind der Regionalverband FrankfurtRheinMain, das Landesamt für Denkmalpflege Hessen, der Deutsche Werkbund Hessen e.V., die Stadt Frankfurt am Main (Dezernat IV Planung und Wohnen sowie Denkmalamt) und die Nassauischen Heimstätten.

Pressemitteilung: Frankfurt University of Applied Sciences