25. April 2024

EY: Immobilien-Investmentmarkt eingebrochen

Frankfurt (pm) – Der deutsche Immobilien-Investmentmarkt ist 2022 deutlich eingebrochen. Mit einem Gesamtinvestitionsvolumen (Gewerbeimmobilien und Wohnimmobilienportfolios) von rund 67 Milliarden Euro ist er im Vergleich zum Vorjahr um mehr als 40 Prozent geschrumpft (2022: 113,8 Milliarden Euro) und erreicht damit ungefähr das Niveau des Jahres 2016. Während der Transaktionsmarkt im Jahr 2021 noch von Großübernahmen wie derjenigen von Deutsche Wohnen durch Vonovia geprägt war, zeichnet sich der Paradigmenwechsel nun klar ab. Fast 80 Prozent der Investoren erwarten auch für dieses Jahr ein noch weiter sinkendes Transaktionsvolumen. Lediglich 4 Prozent prognostizieren einen Anstieg, 18 Prozent eine Seitwärtsbewegung.

„Mit dem Angriff Russlands auf die Ukraine und der darauf folgenden Energiekrise, der Inflation sowie dann notwendigen Zinsanhebungen erleben wir auch am Immobilienmarkt eine Zeitenwende“, sagt Florian Schwalm, Managing Partner bei EY Real Estate und Autor der Studie. „Die Vorzeichen haben sich fundamental gedreht: Wir beobachten nicht nur teils eingefrorene Transaktionsmärkte, sondern auch sinkende Preise über die meisten Nutzungsarten und Lagen hinweg.“

Deutschland ist von diesem Paradigmenwechsel in besonderem Maße betroffen und büßt Attraktivität ein: So hat auch der Anteil derer, die den deutschen Immobilienmarkt als unattraktiver als zuvor einstufen, im Vergleich zum Vorjahr deutlich von 4 auf nun 36 Prozent zugenommen. Das sind Ergebnisse des Trendbarometers Immobilien-Investmentmarkt, für das EY Real Estate rund 250 Investoren befragt hat, die in den vergangenen Jahren am deutschen Immobilienmarkt aktiv waren.

Mit Ausnahme Logistik überall sinkende Preise erwartet

In allen Nutzungsarten außerhalb der Logistik – also bei Büro-, Einzelhandels-, Hotel- und sogar Wohnimmobilien – erwarten die Umfrageteilnehmer mehrheitlich sinkende Preise. Lediglich bei Logistikimmobilien geht eine knappe Mehrheit der Investoren noch von stabilen Preisen aus. Jedoch wird auch hier kaum mehr eine positive Preisentwicklung erwartet. Die meisten Investoren erachten die Diskrepanz der Preisvorstellungen von Käufern und Verkäufern als das entscheidende Hemmnis für Transaktionen – noch vor Unklarheiten über die gesamtwirtschaftliche Entwicklung oder ESG-Risiken.

„In Erwartung sinkender Preise warten potenzielle Käufer lieber ab, während Verkäufer auf das gewohnte Preisniveau bestehen. Dieses Phänomen lähmt den Transaktionsmarkt in Krisenzeiten seit jeher – ist jedoch erfahrungsgemäß vorübergehend“, sagt Paul von Drygalski, Director bei EY Real Estate und ebenfalls Autor der Studie. So erwarten rund zwei Drittel der Befragten, dass sich Käufer und Verkäufer noch im laufenden Jahr wieder auf eine gemeinsame Preisbasis verständigen werden.

In besonderem Maße leidet der Neubau unter den neuen Rahmenbedingungen. Fast alle Befragten (99 Prozent) stimmen der Aussage zu, dass diese die Neubauaktivitäten beeinträchtigen. Auch der Immobilienfinanzierungsmarkt ist stark betroffen: Jeweils eine Mehrheit der Investoren sieht erschwerte Anschlussfinanzierungen (99 Prozent), einen zunehmenden Eigenkapitalbedarf (94 Prozent), häufigere Kreditausfälle (89 Prozent), ein weiter steigendes Zinsniveau (88 Prozent) und ein in diesem Jahr geringeres Neugeschäftsvolumen (83 Prozent).

Zinsentwicklung und demografischer Wandel bedeutendste Megatrends

Auch bei den prägendsten Megatrends hat sich etwas verschoben: Die Zinsentwicklung und der demografische Wandel lösen die noch im vorigen Jahr relevantesten Trends Digitalisierung und Klimawandel ab. So leidet nach Ansicht von rund drei Vierteln der Umfrageteilnehmer auch der Proptech-Sektor besonders unter der allgemeinwirtschaftlichen Situation.

„Die Zinsentwicklung ist als Megatrend mit Macht wieder aufs Tableau getreten und dominiert derzeit alles in der Immobilienwirtschaft“, sagt von Drygalski. „Umso wichtiger ist es jetzt, einen kühlen Kopf zu bewahren, dabei die anderen Herausforderungen, etwa im Bereich der nachhaltigen Transformation, nicht aus den Augen zu verlieren und den begonnenen Weg weiterzugehen.“

Steigende Energiekosten forcieren Energieeffizienz im Gebäudesektor

Knapp neun von zehn Befragten sind der Meinung, dass die hohen Energiekosten Anreize zur energetischen Transformation des Gebäudebestandes setzen. Über 60 Prozent gehen davon aus, dass die Energiekosten die Liquidität von Bestandshaltern gefährden werden, und 91 Prozent der Investoren erwarten, dass in diesem Jahr vermehrt restrukturierungsbedürftige Immobilien zum Erwerb angeboten werden.

„Die Energiekrise erzeugt immensen Druck auf der Kostenseite und verschärft die Notwendigkeit der energetischen Sanierung im Gebäudesektor ungemein“, sagt Schwalm. „Der Immobilienwirtschaft bietet sich nun die Chance, die Implementierung und vor allem die Umsetzung von ESG-Strategien von der Not zur Tugend zu erheben und damit in unserer krisenbehafteten Zeit einen enorm wichtigen Beitrag zu leisten.“

Allerdings gaben auch 88 Prozent der Befragten an, dass gezielte „Manage-to-Green“-Strategien durch fehlende Erfahrungswerte und Benchmarks erschwert werden. Zudem kennen fast 60 Prozent die Taxonomie-Konformitätsquote ihres Portfolios nicht. Folgerichtig meinen 90 Prozent der Umfrageteilnehmer, dass die ESG-Due-Diligence künftig wesentlicher Teil der Ankaufsprüfung wird.

Sinkender Flächenverbrauch bei Wohnimmobilien, steigende Auslastung von Büroimmobilien erwartet

Im Segment der Wohnimmobilien erwarten 81 Prozent der Investoren eine Trendumkehr: So könnten die steigenden Nebenkosten zukünftig zu einem geringeren Flächenverbrauch pro Kopf führen. Im Bürosegment sehen die Befragten trotz erschwerter Marktbedingungen auch einen positiven Trend: So könnten die hohen Energiekosten nach Ansicht von 60 Prozent der Umfrageteilnehmer dazu führen, dass Mitarbeitende wieder regelmäßiger im Büro arbeiten.

Für das Einzelhandelssegment erwarten 92 Prozent der Befragten angesichts steigender Verbraucherpreise, sinkender Kaufkraft und hoher Energiekosten Insolvenzen im Non-Food-Bereich. Das Hotelimmobiliensegment wird nach Prognose von 96 Prozent der Investoren weiter erheblich unter dem Fachkräftemangel leiden.

Pressemitteilung: Ernst & Young GmbH Wirtschaftsprüfungsgesellschaft