Brüssel (pm) – Das Europäische Parlament hat seine Prioritäten für die bevorstehende Überarbeitung des Vergaberechtsrahmens festgelegt.
Der Initiativbericht, der mit 432 Stimmen bei 95 Gegenstimmen und 124 Enthaltungen angenommen wurde, legt die Schwerpunkte des Parlaments für die bevorstehende gesetzgeberische Reform des öffentlichen Vergaberechts fest, deren Beginn für das dritte Quartal 2026 erwartet wird. Der von Piotr Müller (EKR, PL) verfasste Bericht fordert die EU-Kommission auf, das derzeit lange und komplizierte Regelwerk zu vereinfachen, die Beteiligung von KMU an Ausschreibungen zu erleichtern und das Spektrum der bei öffentlichen Beschaffungen zu berücksichtigenden Kriterien zu erweitern.
Nicht-preisbezogene Kriterien sollen wichtiger werden
Eine der zentralen Aussagen des Berichts ist, dass öffentliche Ausschreibungen nicht länger primär auf den niedrigsten Preis ausgerichtet sein sollen. Stattdessen solle stärker auf das beste Verhältnis von Preis und Qualität geachtet werden. Sehr günstige Projekte zu Beginn gingen oft zu Lasten der Qualität oder verursachten später unverhältnismäßig hohe Wartungskosten. Billige Materialien könnten zudem Umweltschäden verursachen, und bei Billigprojekten beschäftigte Arbeitskräfte seien häufig schlechten Arbeitsbedingungen ausgesetzt. Öffentliche Ausschreibungen sollten daher verstärkt soziale und ökologische Kriterien sowie andere Faktoren berücksichtigen – etwa den Einsatz eigener Beschäftigter statt komplexer Subunternehmerstrukturen, so die Abgeordneten.
Zugleich fordert das Parlament die Kommission auf, Möglichkeiten zu prüfen, wie europäische Unternehmen – insbesondere in strategischen Sektoren – bevorzugt werden können, um die Nachfrage nach in Europa hergestellten Produkten und Technologien zu stärken und industrielle Kapazitäten innerhalb der EU zu sichern. Dies solle jedoch ohne protektionistische Maßnahmen geschehen.
KMU-Beteiligung, Vereinfachung und Schwellenwerte
Die Abgeordneten fordern die Kommission auf, die Beteiligung kleiner Unternehmen an Ausschreibungsverfahren zu fördern und sowohl die derzeit 907 Seiten umfassenden Vorschriften als auch die Verfahren selbst zu vereinfachen. KMU hätten aufgrund begrenzter Ressourcen kaum Chancen, sich an großen Ausschreibungen zu beteiligen – etwa durch die Aufteilung in kleinere Lose könnte hier Abhilfe geschaffen werden. Mehr Flexibilität, Wahlfreiheit und Eigenverantwortung der ausschreibenden Stellen würden zudem zu einem verantwortungsvollen Umgang mit Steuergeldern beitragen.
Das Parlament fordert die Kommission außerdem auf, die Schwellenwerte zu überprüfen, ab denen bestimmte Vergabeverfahren gelten. Angesichts der durch Inflation stark gestiegenen Baukosten solle geprüft werden, ob eine Anhebung dieser Schwellenwerte erforderlich ist.
Der Berichterstatter des Parlaments, Piotr Müller (EKR, PL), sagte nach der Abstimmung:
„Das öffentliche Beschaffungswesen macht fast ein Fünftel des EU-Bruttoinlandsprodukts aus – da muss es um den besten Gegenwert für das Geld gehen, nicht um politische Experimente. Unser Bericht setzt auf Transparenz, Wettbewerb und Flexibilität statt auf Bürokratie und Zentralismus. Wir wollen Regeln, die für KMU, lokale Behörden und Steuerzahler gleichermaßen sinnvoll sind. Europas Wettbewerbsfähigkeit hängt davon ab, wie verantwortungsvoll wir öffentliche Mittel einsetzen.“
Quelle: Europäisches Parlamant · KI-gestützte Textaufbereitung · Redaktion: Architekturblatt, PM: https://www.europarl.europa.eu/news/en/press-room/20250905IPR30175/move-away-from-focus-on-lowest-price-in-public-procurement-meps-say
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EU-Vergaberecht endlich reformieren – Qualität vor Preis
Das Europäische Parlament hat sich mit dem Initiativbericht zu Vergabeverfahren in den Prozess zur überfälligen Reform des EU-Vergaberechts eingeschaltet. Die Bundesarchitektenkammer (BAK) begrüßt die klare Abkehr vom Zuschlag rein nach dem niedrigsten Preis. Stattdessen muss die Europäische Kommission Qualität und mittelstandsfreundliche Verfahren ins Zentrum stellen.
„Es reicht nicht, Probleme nur zu benennen. Die Kommission muss jetzt handeln: Qualität vor Preis, realistische Zugänge auch für kleine und sehr kleine Büros“, erklärt BAK-Präsidentin Andrea Gebhard.
Der Bericht setzt wichtige Impulse: sektorspezifische Regeln für geistige Dienstleistungen, bessere Schulungen von Vergabestellen, Abbau von Bürokratie, Förderung der losweisen Vergabe und eine Diskussion darüber, in welchen Fällen eine Einbeziehung in das EU-Vergaberecht noch sinnvoll und verhältnismäßig ist.
Doch entscheidend bleibt die Vereinfachung der Verfahren – sonst bleiben kleine Büros ausgeschlossen.
Die BAK fordert:
- Klare Vereinfachung der Eignungs- und Nachweispflichten
- Verbindliche losweise Vergabe zur Stärkung kleiner Büros
- Qualitäts- und Leistungswettbewerb statt Billigstbieterprinzip
- Konsequente Anwendung von Verhältnismäßigkeit und Angemessenheit
„Architektur ist kein Massenprodukt. Vergaben müssen Planungsqualität und gesellschaftlichen Mehrwert sichern – nicht die billigste Lösung“, so Gebhard.
Die BAK wird den Gesetzgebungsprozess eng begleiten und wird sich für einen ambitionierten Kommissionsentwurf 2026 einsetzen.
Quelle: Bundesarchitektenkammer