Es besteht dringender Handlungsbedarf! STRESSTEST, der Deutsche Beitrag zur 19. Internationalen Architekturausstellung – La Biennale di Venezia, kuratiert von Nicola Borgmann, Elisabeth Endres, Gabriele G. Kiefer und Daniele Santucci, zeigt die dramatischen Auswirkungen der Erderwärmung auf das städtische Leben.
Starkregen, Überschwemmungen, Hitzewellen – während sich der Klimawandel weltweit an den steigenden Temperaturen, Extremwetter und dem Anstieg des Meeresspiegels zeigt, sind seine Auswirkungen auf der lokalen Ebene der Stadt unmittelbar spürbar: Urbane Räume leiden unter Hitzestress. Versiegelte Flächen, reflektierende Fassaden sowie eine Mangel an Schatten, Wasser und Grün schaffen Hitzeinseln, die auch nachts nicht mehr abkühlen und regenerieren können. In absehbarer Zeit werden Temperaturen erreicht, die für Menschen, Tiere, Pflanzen und Infrastruktur kaum noch erträglich sind. Dies gefährdet nicht nur das soziale Leben und die Produktivität der Stadt, sondern auch die Gesundheit und das Überleben ihrer Bewohner*innen. Bereits heute ist die Stadtbevölkerung einem erhöhten Risiko für Dehydration und Herz-Kreislauf-Erkrankungen ausgesetzt, die Zahl der Hitzetoten steigt. Eine Situation, die dringend nach einer resilienten Stadtplanung verlangt. Denn ohne effektive Gegenmaßnahmen werden einige Städte, auch in Europa, in wenigen Jahrzehnten unbewohnbar sein.
Ein Stresstest im Deutschen Pavillon
Der Deutsche Beitrag nimmt diese konkrete Bedrohung als Ausgangspunkt: Die Ausstellung STRESSTEST macht die zukünftige Realität des Stadtklimas physisch und psychisch erfahrbar und zeigt eindrücklich, dass Architektur und Landschaftsarchitektur klimagerechte Städte nicht nur schaffen können, sondern müssen.
STRESS und DESTRESS
Die Ausstellung im Deutschen Pavillon ist in zwei Themenbereiche gegliedert: STRESS und DESTRESS. In den STRESS-Räumen erleben die Besucher*innen die Realität extremer städtischer Hitze hautnah und begreifen die komplexen Zusammenhänge und Auswirkungen der Klimaerwärmung auf unmittelbare Weise. Die DESTRESS-Räume bilden einen spürbaren Kontrast: ein Ort der Erholung – und der Lösungen, bei denen Architektur, Landschaftsarchitektur und Stadtplanung nicht länger als rein funktionale oder gestaltende Disziplinen gedacht werden, sondern Teile eines ganzheitlichen, klimaresilienten Systems sind.
Datenbasierte und integrative Stadtentwicklung
Für wirksame Anpassungsmaßnahmen ist eine präzise Erfassung von Hitzestress essenziell. Stadtmorphologie, Materialität und mikroklimatische Wechselwirkungen beeinflussen die Temperaturentwicklung maßgeblich. Mit Hilfe digitaler Abbilder realer Stadtregionen werden Szenarien zur Klimaentwicklung und deren Auswirkungen auf den urbanen Raum visualisiert. Sie müssen die Grundlage für eine neue und zukunftsfähige Stadtplanung werden, in der Politik und Verwaltung, Industrie und Wirtschaft, Planende und Bürger*innen gemeinsam Strategien für hitzegestresste Städte aushandeln und entwickeln.
Natural, Artificial, Collective
Unter dem Titel „Intelligens: Natural, Artificial, Collective“ richtet der diesjährige Biennale-Kurator Carlo Ratti den Blick auf die gebaute Umwelt als die größte Verursacherin globaler CO₂-Emissionen. Er setzt auf das Zusammenwirken verschiedener Disziplinen – allen voran die Architektur – um substanzielle, schnell umsetzbare und wirksame Lösungen zu entwickeln. Dabei sieht er die Kombination aus natürlichem, künstlichem und kollektivem Wissen als Schlüssel. Ganz in diesem Sinne zeigt STRESSTEST, dass grüne Infrastrukturen, innovative Technologien und interdisziplinäre Zusammenarbeit die entscheidenden Hebel sind, um Städte widerstandsfähiger, gesünder und lebenswerter zu machen.
Kunstinstallation
Die für den Deutschen Pavillon entwickelte Arbeit des Künstlers Christoph Brech setzt sich auf poetische Weise mit dem komplexen Zusammenspiel atmosphärischer Phänomene auseinander. Seine filigrane, bewegliche Installation verweist auf die Unsicherheiten und Dynamiken eines sich verändernden Klimas und macht ihre Botschaft weithin sichtbar.
Nachhaltigkeit
Der Pavillon wird mit Solarenergie betrieben. Alle in der Ausstellung verwendeten Materialien gehen in eine definierte Nachnutzung.
19. Internationalen Architekturausstellung – La Biennale di Venezia
10. Mai – 23. November 2025
Biografien der Kurator*innen
Nicola Borgmann ist als Kuratorin, Architektin und Kunsthistorikerin international tätig. Als Direktorin der Architekturgalerie München kuratiert und gestaltet sie seit 1992 Ausstellungen, Installationen und Fachveranstaltungen zu aktuellen Themen aus Architektur, Landschaftsarchitektur, Stadt, Design und Kunst. Dafür wurde ihr 2011 der Bayerische Architekturpreis verliehen, im Jahr 2018 der Architekturpreis der Stadt München. Ihre praktische Tätigkeit ergänzt Nicola Borgmann mit Lehre, Forschung und Publikationen. Sie lehrte u.a. an der Technischen Universität München, der Akademie der Bildenden Künste München, der Technischen Hochschule Nürnberg, der EIABC in Addis Ababa, und der Technischen Universität Graz und seit 2019 an der Universität Zürich.
Elisabeth Endres steht in Forschung, Lehre und Praxis für integrale Konzepte im Spannungsfeld passiver, bauphysikalischer und aktiver, haus- und energietechnischer Parameter in der Gebäude- und Stadtplanung. Seit 2018 ist sie in der Geschäftsleitung des Ingenieurbüros Hausladen, seit 2019 Professorin für Gebäudetechnologie an der TU Braunschweig, verbunden mit der Leitung des Institutes für Bauklimatik und Energie der Architektur und des Zentrums der Innovationsgesellschaft der TU Braunschweig. Endres ist Mitglied im BDA und der DASL sowie Beiratsmitglied im Landesdenkmalrat Berlin, der HafenCity Hamburg, des Kuratoriums der IBA’27 Stuttgart, des Stipendiatenausschusses der DBU und der Bundesstiftung Bauakademie.
Gabriele G. Kiefer ist Landschaftsarchitektin und Professorin an der TU Braunschweig. 1989 gründete sie das BÜRO KIEFER in Berlin, dessen Projekte in Art, Charakter und Größe ein breites Spektrum abdecken. Neben Konzepten für Konversionsflächen stehen vor allem Stadtparks im Mittelpunkt ihres Schaffens. Kiefer lehrte an verschiedenen Hochschulen, darunter Versailles, Neapel und Valdivia. Sie war 2015 Gastprofessorin an der UDP in Santiago de Chile. 2020 publizierte sie zusammen mit Anika Neubauer die ersten fünf Bände der zehnbändigen Lehrbuchreihe „Landscape for Architects/Landschaft für Architekten/Paisaje para arquitectos“.
Daniele Santucci ist Architekt, Wissenschaftler und Unternehmer, der an der Schnittstelle zwischen Daten, Klima, gebauter Umwelt und deren Auswirkungen auf die Menschen arbeitet. 2017 und 2018 war Santucci Gastforscher am Senseable City Lab am Massachusetts Institute of Technology. Seit April 2022 leitet er den Lehrstuhl für Gebäudetechnologie an der RWTH Aachen. Er ist Mitbegründer und Geschäftsführer der Climateflux GmbH, die Planungsbüros, öffentliche Einrichtungen und private Unternehmen zu Strategien und Planungsansätzen für die Klimaanpassung und den Komfort im öffentlichen Stadtraum berät.
Quelle: Der Deutsche Beitrag auf der 19. Internationalen Architekturausstellung – La Biennale
di Venezia wird getragen von der Architekturgalerie München e.V. im Auftrag des
Bundesministeriums für Wohnen, Stadtentwicklung und Bauwesen.