10. Dezember 2024

DAM PREIS 2024: Die besten Bauten in und aus Deutschland

Frankfurt am Main (pm) – Der DAM Preis 2024 geht an Gustav Düsing und Max Hacke für das Studierendenhaus der TU Braunschweig. Besonders beeindruckt war die Jury von dem wundervoll leichten, offenen Studierendenhaus auf dem Campus der Technischen Universität. Die filigrane Struktur des Gebäudes ist zudem äußerst nachhaltig, denn die Stahl-Glas-Konstruktion ist vollständig demontier- und wiederverwendbar. Zur Vorgeschichte gehört ein ungewöhnliches und nachahmenswertes Wettbewerbsverfahren, das an der Architekturfakultät unter den wissenschaftlichen Mitarbeitenden ausgeschrieben und selbst organisiert wurde.

Das Bauwerk auf dem Campus der TU Braunschweig ist einem Wettbewerb zu verdanken, der 2015 unter den wissenschaftlichen Mitarbeitenden der Architektur-Fakultät initiiert wurde, um dringend notwendige Arbeitsplätze für Architekturstudierende zu schaffen. Die Idee dahinter war, innerhalb des geschützten Rahmens des Fachbereichs dem Architekturnachwuchs eine Chance zu bieten, da kaum noch offene Architekturwettbewerbe existieren und sich die jungen Architekten und Architektinnen nicht mehr bewähren können. Etwa 20 Assistentinnen und Assistenten nahmen teil, die Arbeit von Gustav Düsing und Max Hacke wurde von der Jury ausgewählt und mithilfe eines lokalen Ingenieurbüros auch realisiert.

Inzwischen steht das Gebäude allen Studierenden offen. Als Bauplatz wurde ein exponiertes Areal gegenüber dem Audimax auf einer Wiese entlang des Flussufers der Oker bestimmt. Das etwa 1.000 Quadratmeter große zweigeschossige Haus mit Arbeitsplätzen für bis zu 160 Studierende ist ein lichtes, leichtes und filigranes Bauwerk aus weißem Stahlgestänge und Glas. Es überzeugt mit seiner technischen Raffinesse, bei gleichzeitig hoher Abstraktion und visueller Reduktion. Das weit auskragende Dach überspannt die außenliegenden Treppen und im Obergeschoss einen balkonartigen Umlauf, der die Arbeitsplätze in den Außenraum erweitert. Ein außenliegender Sonnenschutz ist überflüssig. Diagonale Kreuze zur Aussteifung sucht man ebenfalls vergebens. Diese Aufgabe übernehmen der massive Kern und die einläufigen Stahltreppen, die nicht einfach angelehnt, sondern kraftschlüssig verbunden sind. Sonnengelbe Vorhänge als Raumteiler sind die einzigen kräftigen Akzente in der ansonsten von Weiß- und Grautönen dominierten Farbpalette.

Die Konstruktion ist mit zehn Zentimeter dünnen Stahlrohren und einem eigens entwickelten Knotenpunkt, ohne zusätzliche Konstruktion für die angeschraubte Fassade und mit integrierter Verkabelung meisterhaft. Darüber hinaus ist das Gebäude eines der seltenen realisierten Beispiele für zirkuläres Bauen, denn keine Verbindung wurde geklebt, sondern ausschließlich revidierbar geschraubt.

Außerdem beantwortet das Stahl-Glas-Haus viele wichtige Fragen an das Bauen von heute: Wie wollen wir arbeiten? Wie sehen die »Dritten Orte« aus, weder allein dem Wohnen noch dem Arbeiten vorbehalten, dafür Orte der Interaktion und des Zusammentreffens? Wer organisiert solch ein Zusammensein, welche Art von Gruppen bilden sich heraus? Das alles lässt sich hervorragend im Studierendenhaus beobachten, das gern und fast immerzu genutzt wird: an sieben Tagen von 8 bis 22 Uhr.

Und schließlich ist das Studierendenhaus von einer modernen, funktionalistischen Schönheit aus selbstverständlichen Details, aus einer reduzierten Materialität und einer intuitiven Lowtech-Haustechnik, wie etwa der mechanischen Durchlüftung, dem zentralen Dachoberlicht und den Klappflügeln in der Glasfassade. Ein Haus, das nebenbei alle zeitgenössischen Probleme von Energieeinsparung, Sonneneinstrahlung bis hin zur Reversibilität und Wiederverwendbarkeit löst.

Die Finalisten

FLORIAN NAGLER ARCHITEKTEN
Dante II, München

Die Überbauung des Parkplatzes am Reinmarplatz – Dante II – ist das Nachfolgeprojekt der Parkplatzüberbauung am Dantebad von 2016. Mit dem Projekt sollte zügig weiterer Wohnraum zur Verfügung gestellt werden.

Um so viele der vorhandenen Parkplätze wie möglich erhalten zu können, wurde zunächst eine Konstruktion aus Stahlbetonstützen und Unterzügen errichtet, worauf dann die eigentliche Wohnbebauung als Holzkonstruktion ruht. Das Haus berührt nur mit vier Treppenhäusern und den daran angelagerten Technik- und Abstellräumen den Grund. Geparkt wird sowohl im Hof als auch unter dem Haus. Die 144 Wohnungen werden von den Treppenhäusern über Laubengänge erschlossen. Vor jeweils drei Wohnungen ist der Laubengang zu einem kleinen Erker ausgeweitet, der als Treffpunkt und Freibereich für die Bewohner dient.

Außerdem gibt es eine großzügige Dachterrasse mit Spielflächen und Liegedecks. Die Stahlbetonkonstruktion wurde in einer Kombination aus Fertigteilen und Ortbeton hergestellt. Der Holzbau wurde mit hohem Vorfertigungsgrad errichtet, wobei Wand-, Decken- und Fassadenelemente bereits mit weitestgehend fertigen Oberflächen montiert wurden. Auch die vollständig installierten Bäder reduzierten die für die Montage des gesamten Gebäudes benötigte Zeit auf ein knappes Jahr. Die farbige Fassade ist so gegliedert, dass die Konstruktion und der Montageprozess noch ablesbar sind. Das Haus fügt sich so ganz selbstverständlich in die Umgebung mit ihren überwiegend farbigen Putzbauten.

INNAUER-MATT ARCHITEKTEN
Kunstraum Kassel

Die neue Ausstellungshalle wurde in den Innenhof der denkmalgeschützten Kunsthochschule, ein Bau von Paul Friedrich Posenenske, gesetzt und greift damit auf einen Standort zurück, der bereits 1962 für eine mögliche Erweiterung vorgesehen war.

Die Halle mit rund 450 Quadratmetern Ausstellungsfläche soll als studentisches »Ausstellungslabor« ebenso dienen wie zur Herstellung von großformatigen Kunstwerken. Sie kann zu allen Seiten gleichermaßen geöffnet werden, hat keine Rückseite und respektiert dadurch den Bestandsbau. Die dunkel gehaltene Fassadengestaltung setzt sich deutlich in Material und Farbe vom Gebäudebestand ab.

Die überall sichtbare, vom Tragwerk klar gegliederte Gebäudestruktur ist hingegen ein deutlicher Bezug zum denkmalgeschützten Bestand. Der klare, stützenfreie Innenraum macht die gewünschten Nutzungsvarianten – von der ungeteilten Halle bis zum in zahlreiche einzelne Räume geteilten Arbeits-oder Ausstellungsbereich – möglich. Eine Besonderheit sind die im oberen Wandbereich angeordneten Lichtlinsen. Diese 864 eigens für das Projekt entwickelten gewölbten Glaselemente bringen umlaufend gleichmäßig diffuses Licht in den Innenraum.

Das Gebäude wurde als reiner Holzbau erstellt, der die heutigen energetischen und ökologischen Anforderungen insbesondere bezüglich Nachhaltigkeit erfüllt. Für die Stützen, Balken und Riegel kam Brettschichtholz zum Einsatz.

JUNE14 MEYER-GROHBRÜGGE & CHERMAYEFF
Baugruppe Kurfürstenstraße, Berlin

Die Struktur des Baugruppenhauses besteht aus sechs Türmen, die sich vertikal und horizontal überschneiden. Sie folgen jeweils versetzt den beiden nicht orthogonalen Straßenverläufen und verzahnen sich durch die entstehenden Vor- und Rücksprünge mit dem Stadtraum und dessen Akteuren.

Jede Wohnung hat einen sehr hohen Raum und optional mehrere niedrigere Räume, die auch zwischen den Wohnungen gemeinsam genutzt werden können. Dieses einfache Prinzip ermöglicht unendlich viele Kombinationsmöglichkeiten in Bezug auf Größe und räumliche Konfiguration.

Das Haus möchte neue Alternativen für unser Zusammenleben bieten und flexibel auf individuelle Bedürfnisse und Absprachen reagieren können, wobei die Architektur das Teilen nicht vorschreibt, sondern nur ermöglicht. Auch in den Wohnungen selbst sind die Bewohner herausgefordert, ihren Lebensstil selbst zu gestalten, da die Räume keine Nutzungen vorgeben und Privatheit auf differenzierte Weise angeboten wird. Das Haus verbindet sich nicht nur im Erdgeschoss mit der Stadt, die räumliche Verschränkung und Transparenz führen zu einer Auflösung und Verschmelzung von öffentlich und privat, von innen und außen, von Mitbewohner und Nachbar.

Die gemeinschaftlichen Gartenflächen im Hof und auf dem Dach wurden frei von den üblichen Infrastrukturen gehalten, um besonders qualitätsvolle Räume zu schaffen. Das Haus ist aus wenigen robusten Elementen gebaut, wobei besonders auf einen sparsamen Materialeinsatz und eine simple Konstruktion geachtet wurde.

NALBACH + NALBACH
Kantgaragenpalast, Berlin

Die Kantgarage gilt als Deutschlands bedeutendste Großgarage der Zwischenkriegsmoderne und als die älteste mit Doppelhelix in Europa. Das Treppenhaus im französischen Schloss Chambord war das Vorbild für die Doppelhelix-Betonwendelrampe, bei der sich der Gegenverkehr niemals begegnen konnte. Die Stellplatz-Boxen hatten abschließbare Falt-Drehtore der Firma Heinrichs.

Im Jahr 2013 drohte der Abriss der Hochgarage. Das denkmalpflegerische Grundkonzept für die Sanierung beruht auf dem möglichst umfangreichen Erhalt der Originalsubstanz. Auf den Rampen können heute als »Art Walk« wechselnde Ausstellungen präsentiert werden. Der Stahlbetonskelettbau mit einer Deckenstärke von nur elf Zentimetern ist mit Mauerwerk ausgefacht und im historischen Sinne konstruktiv ablesbar. Sämtliche tragende Elemente wurden mit zwei Zentimeter starkem Betonputz versehen. Die historische Befahrbarkeit aller Geschosse ist optisch durch die Glastürelemente am Ende der Rampen erlebbar.

Das sanierte Gebäude ist von dem Gedanken durchwoben, die alten Funktionen ablesbar zu erhalten und dennoch neues Leben in einer neuen Funktion zu ermöglichen. Der alte Boden erinnert an die alte Fahrbahn, die gesamte Farbgebung innen und außen wurde gemäß dem Farbbefund wiederhergestellt.

Die Originalfassade an der Kantstraße wurde komplett ausgebaut, werkseitig restauriert und mit transluzentem historischen Drahtglas versehen. Das Filigrane der Profile der Einfachverglasung wurde vollkommen erhalten. Eine zweite gläserne Fassade im Inneren übernimmt dagegen die technischen Anforderungen aus der neuen Nutzung.

Quelle: Deutsches Architekturmuseum