19. April 2024

CBRE: Wohnimmobilieninvestmentmarkt Deutschland 2022

Frankfurt am Main (pm) – 2022 belief sich der deutsche Wohnimmobilieninvestmentmarkt (ab 50 Einheiten) auf ein Transaktionsvolumen von 13,5 Milliarden Euro. Damit bewegte sich der Markt 73 Prozent unter dem Niveau von 2021. Diese Differenz in Höhe von 35,5 Milliarden Euro ist einerseits auf die 2021 getätigte Ausnahmetransaktion, die Übernahme der Deutsche Wohnen SE durch die Vonovia SE mit einem Transaktionsvolumen von allein 22 Milliarden Euro zurückzuführen. Andererseits setzt sich die Preisfindung am Markt immer noch fort, die durch das neue Zinsumfeld notwendig wurde und ebenfalls zum Rückgang des Investitionsvolumens beiträgt – wenngleich das Re-Pricing bei Wohnimmobilien im Vergleich zu Büro- oder Logistikimmobilien in den zurückliegenden Monaten moderater ausfiel. Auch die Zahl der gehandelten Wohneinheiten ging 2022 deutlich zurück – um 76 Prozent auf 68.400. Gleichzeitig stiegen jedoch die durchschnittlichen Kaufpreise pro Wohneinheit und pro Quadratmeter (plus 26 Prozent auf 178.800 Euro pro Wohneinheit und plus 30 Prozent auf 2.914 Euro pro Quadratmeter). Das Teilsegment Mikroapartments und Studentisches Wohnen befand sich mit einem Transaktionsvolumen von 1,2 Milliarden Euro nur leicht unter den 1,3 Milliarden Euro von 2021 und entsprach dem Fünfjahresdurchschnitt. Das sind Ergebnisse einer aktuellen Analyse des globalen Immobiliendienstleisters CBRE.

„Die gestiegenen Finanzierungskonditionen sorgten vor allem im zweiten Halbjahr bei neu geplanten Projektentwicklungen und Forward-Deals, die von Banken besonders stark geprüft werden, für eine geringere Transaktionsdynamik. Diese Lücke konnten eigenkapitalstarke Akteure nur bedingt schließen. Die Folge wird auch ein rückläufiger Neubau sein, was für das bereits angespannte Wohnraumangebot in Deutschland zukünftig nichts Gutes verheißen lässt“, warnt Konstantin Lüttger, Head of Residential Investment bei CBRE in Deutschland. „Dennoch stehen Neubauten weit oben auf der Agenda von Investoren, auch weil ESG das beherrschende Thema ist – insbesondere die Projektentwicklungstöchter der großen börsennotierten Wohnungsunternehmen bauen weiter. Damit hat sich die Strategie dieser Unternehmen, Projektentwickler zu erwerben, ausgezahlt“, sagt Lüttger. Michael Schlatterer, Senior Director Residential Valuation bei CBRE in Deutschland, ergänzt: „Der Wohnbau in Deutschland muss weiter angekurbelt werden. Das bedeutet beispielsweise schnellere Genehmigungsverfahren, die Förderung seriellen Bauens, bessere steuerliche Abschreibungsmöglichkeiten sowie Förderzuschüsse und -darlehen – insbesondere für den energetischen Umbau im Bestand.“

Spitzenrendite teilweise geringer als zehnjährige Bundesanleihe

Die Finanzierungszinsen sind, gemessen an der fünfjährigen Swaprate, im Jahresverlauf 2022 um rund drei Prozentpunkte gestiegen, während zugleich die als Benchmarkrendite geltende zehnjährige Bundesanleihe um knapp 2,7 Prozentpunkte zum Jahreswechsel auf 2,61 Prozent gestiegen ist. Auch die Spitzenrendite ist im Schlussquartal 2022 auf 2,58 Prozent im Schnitt der Top-7-Städte geklettert. Langfristig wird es wieder einen deutlichen positiven Spread zwischen der zehnjährigen Bundesanleihe und der Spitzenrendite für Wohnimmobilien geben müssen. Deswegen dürfte die Spitzenrendite im Laufe des Jahres weiter ansteigen und die mittelfristige Auskalibrierung der Preise noch eine Weile andauern. „Preisstabilisierend wirkt aber auch, dass eine Investition in Wohnimmobilien nicht mehr nur als Fixed-Income-Substitut gesehen wird, sondern vor allem als langfristig werthaltiges und wenig volatiles Investment mit einem zumindest anteiligen Inflationsschutz“, erläutert Schlatterer. Zugleich zeichnet sich ab, dass insbesondere energieeffiziente Neubauten in den Kernstädten und in den Stadt-Umland-Regionen einem hohen Nachfragedruck unterliegen und das weiter sinkende Angebot in diesem Segment die Preise positiv beeinflussen wird. „Viele institutionelle Anleger investieren nur noch ausschließlich in ESG-konforme Wohnimmobilien. Und nur für diese werden noch Premiumpreise gezahlt werden können. Insbesondere, da das Angebot hier eher sinkt als steigt“, ergänzt Lüttger. Dieser Fokus auf ESG ging mit einer Konzentration auf Core- und Value-Add-Investments einher, wobei erstere bereits höheren Anforderungen an Nachhaltigkeitskriterien entsprechen und letztere ein entsprechendes Potenzial im Hinblick auf „Manage-to-ESG“ bieten. Opportunistische Objekte standen 2022 hingegen nicht im Fokus der Investoren, da einige potenzielle Käufer in diesem Segment mit weiter sinkenden Preisen rechnen.

Immobilienaktiengesellschaften traten 2022 vor allem als Verkäufer auf

Stärkste Nettoinvestoren waren 2022 offene Immobilienfonds und Spezialfonds, die insgesamt ihre Portfolios um 2,8 Milliarden ausgebaut haben. Auf Platz zwei lagen Asset- und Fondsmanager, vor allem internationale Investoren mit einem Value-Add-Ansatz, die 2,3 Milliarden mehr investierten, als sie veräußerten. Immobiliengesellschaften befanden sich mit 1,3 Milliarden Euro auf Platz drei – hauptsächlich geht dies auf die S-Immo-Übernahme durch den tschechischen Investor CPI zurück. Öffentliche Wohnungsgesellschaften hatten lediglich einen Investitionsüberschuss von 538 Millionen Euro – 2021 waren es noch 3,7 Milliarden Euro. Nachdem Immobilienaktiengesellschaften 2021 noch 3,9 Milliarden Euro mehr investierten als veräußerten, verzeichneten sie 2022 einen signifikanten Portfolioabbau von 2,2 Milliarden Euro.

Die größte Transaktion von 2022 war die Veräußerung der in Deutschland, Österreich und den südosteuropäischen Staaten investierten S-Immo an die tschechische CPI-Gruppe mit einem erheblichen Wohnanteil in Deutschland. Die Verkäufe verschiedener Teilbestände der Adler Real Estate an diverse eigenkapitalstarke Investoren summierten sich zudem auf 1,5 Milliarden Euro. CBRE war 2022 an fünf der zehn größten Deals des Jahres 2022 beteiligt. Insgesamt ging aber das Transaktionsvolumen von Abschlüssen mit mehr als 100 Millionen Euro spürbar zurück. Die 6,8 Milliarden Euro, die 2022 auf diese Transaktionen entfielen, lagen nicht nur deutlich unter den 39,7 Milliarden Euro von 2021, sondern auch unter dem Fünfjahresdurchschnitt von 16,2 Milliarden Euro.

Inflation, Mietbelastung und CO2-Preis

Eine entscheidende Belastung für viele Mieter stellen aktuell ungedeckelte Indexmietverträge dar, die in jüngerer Zeit immer öfter abgeschlossen wurden. „Perspektivisch wird die Inflation zwar wieder sinken und damit auch zu einer Stabilisierung der Mietnebenkosten beitragen. Da aber viele Abrechnungen erst Mitte bis Ende 2023 vorgelegt werden, bleibt die Wohnkostenbelastung aus Miete und Mietnebenkosten weiterhin hoch“, erklärt Jirka Stachen, Team Leader Research bei CBRE. Darüber hinaus wird die energetische Qualität von Wohnungen preisbestimmend – auch wenn der erhobene CO2-Preis ab Januar 2023 zwischen Mieter und Vermieter aufgeteilt wird, erhöhen sich die Wohnkosten damit weiter. „Für Mieter und Vermieter wird sich bei älteren und weniger klimafreundlichen Gebäuden der Preis des Wohnens erheblich erhöhen“, so Stachen weiter. Die Gesamtkostenbelastung bestimmt damit letztendlich auch die Attraktivität des Objekts für Investoren.

Ausblick auf 2023

„Einige börsennotierte Bestandshalter konnten sich Ende 2022 unproblematisch refinanzieren, wenn auch zu höheren Kosten. Da die Bestandsportfolios jedoch an die neun Rahmenbedingungen im Hinblick auf höhere Finanzierungskosten und Nachhaltigkeitsaspekten angepasst werden müssen, erwarten wir, dass 2023 nicht in die Gesamtstrategien passende Teilportfolios zum Verkauf angeboten werden dürften“, sagt Lüttger. „Für das Gesamtjahr 2023 ist ein Transaktionsvolumen von bis zu 15 Milliarden Euro durchaus erreichbar, auch weil sich noch einige größere Portfolios in der Pipeline befinden. Dabei werden einige Transaktionen mit Signalwirkung im ersten Halbjahr die Richtung des Transaktionsmarkts für das gesamte Jahr bestimmen.“

„Angesichts des neuen Zinsumfelds erwarten wir eine weitere Ausweitung der Renditen auch bei Wohnimmobilien, die sich bis in den Sommer 2023 hinziehen könnte“, erwartet Schlatterer. „Die Segmentdifferenzierung von Lage und Qualität wird sich in der Renditeentwicklung verstärkt widerspiegeln.“

„Für 2023 und 2024 ist ein Basisszenario mit einer wieder steigenden regulären Zuwanderung von benötigten Arbeitskräften, Familiennachzug und Studenten von über 350.000 Personen pro Jahr realistisch“, prognostiziert Schlatterer. Hinsichtlich der Flüchtlingszahlen aus der Ukraine sei zudem eine ähnliche Entwicklung wie nach den Jugoslawienkriegen in der 1990er Jahren zu erwarten, als aufgrund der erheblichen Schäden an Infrastruktur, Wohngebäuden und Wirtschaft viele Menschen dauerhaft in Deutschland Fuß fassten. Aktuell befinden sich von den circa 7.5 Millionen Geflüchteten aus der Ukraine rund eine Million in Deutschland. Im Vergleich dazu wird innerhalb der Immobilienwirtschaft ein Rückgang der Fertigstellungszahlen für 2023 auf rund 250.000 Wohneinheiten 2023 und für 2024 auf circa 200.000 Wohneinheiten 2024 geschätzt. „Beim Vergleich der Zahlen wird deutlich, dass sich allein durch den Mehrbedarf des schon jetzt begrenzt verfügbaren Wohnraums weiter reduzieren wird – vor allem in wirtschaftlich attraktiven Städten“, warnt Schlatterer.

 

Pressemitteilung: CBRE