1. Oktober 2025

KI ist die größte Gefahr für Immobilienkäufer

© Jan Moritz Becker

Gastbeitrag – Künstliche Intelligenz revolutioniert den Immobilienmarkt. Sie analysiert riesige Datenmengen, erkennt Muster und schafft in Sekunden eine Transparenz, die früher kaum denkbar war. Noch nie war es so einfach, Preise zu vergleichen, Sanierungen zu kalkulieren oder Wertentwicklungen zu prognostizieren. Doch genau darin liegt die Gefahr: Diese Präzision kann trügerisch sein. Architektur, Bauqualität und Nachbarschaften sind zu komplex, um sie allein Algorithmen zu überlassen. Wer KI klug einsetzt, gewinnt ein starkes Werkzeug. Wer ihr blind vertraut, riskiert Fehlentscheidungen mit weitreichenden Folgen.

Die Verlockung scheinbarer Präzision

Die Anziehungskraft der neuen Technologien liegt in ihrer Schnelligkeit. Während früher Gutachten, Marktanalysen und Kostenschätzungen Tage oder Wochen dauerten, liefern KI-Tools Ergebnisse im Minutentakt. Käufer und Investoren erhalten Tabellen mit Preisprognosen, Sanierungskosten und Renditeerwartungen – objektiv, scheinbar neutral, in professioneller Aufmachung. Doch genau hier beginnt das Problem. Zahlen, die von Maschinen erzeugt werden, wirken belastbar, selbst wenn sie auf unvollständigen oder falschen Annahmen beruhen. Das ist die eigentliche Gefahr: Nicht die Fehler der KI, sondern das Vertrauen, das Menschen ihnen schenken.

Wenn Kontext und Details fehlen

Wer ein Haus erwerben will, verlässt sich schnell auf die kalkulierten Durchschnittswerte. Ein Dach soll laut KI 150 Euro pro Quadratmeter kosten, die Wärmepumpe 25.000 Euro, der Neuanstrich 12 Euro pro Quadratmeter Wandfläche. Auf dem Papier sieht das seriös aus. In der Realität entscheidet jedoch der Kontext: Steht das Haus unter Denkmalschutz, können Auflagen Kosten verdoppeln. Handelt es sich um eine Konstruktion mit Altlasten, können Rückbau und Entsorgung immense Summen verschlingen. Befindet sich das Gebäude in einem Gebiet mit strengen energetischen Vorgaben, steigen die Anforderungen an Dämmung, Heizung und Technik deutlich. All das wird von keiner Standardberechnung erfasst – und genau hier lauern die teuersten Überraschungen.

Auch die Qualität der Daten ist ein entscheidender Faktor. KI-Systeme arbeiten mit dem, was ihnen zur Verfügung steht. Fehlen Detailinformationen zur Bausubstanz, den verwendeten Materialien oder den Besonderheiten der Lage, entstehen Ergebnisse, die mehr Schein als Sein sind. Ein Algorithmus kennt vielleicht die Bodenrichtwerte eines Quartiers, doch er weiß nicht, dass die angrenzende Wiese längst für Gewerbebauten ausgewiesen ist. Er kalkuliert Durchschnittswerte für Fenster, ohne zu erkennen, dass im konkreten Objekt historische Holzrahmen nach Denkmalschutzvorgaben erneuert werden müssen. Er berechnet Sanierungskosten, ohne zu berücksichtigen, dass Deckenhöhen von vier Metern im Altbau ein Gerüst im Innenraum erforderlich machen. Für die Maschine bleibt das unsichtbar, für den Käufer wird es schnell ruinös.

Rechtliche Verantwortung bleibt beim Menschen

Besonders heikel ist die rechtliche Dimension. Denn selbst wenn die Zahlen falsch sind, haften die Anbieter der Tools in der Regel nicht. Mit ausführlichen Disclaimern grenzen sie jede Verantwortung aus. Rechtlich betrachtet sind ihre Ergebnisse unverbindlich – die Verantwortung liegt vollständig beim Nutzer. Das bedeutet: Wer sich auf eine fehlerhafte Kalkulation verlässt, steht am Ende allein da. Die Präzision der Algorithmen verführt dazu, Verantwortung abzugeben, doch juristisch bleibt sie beim Käufer. Genau diese Lücke macht KI nicht nur zu einer Hilfe, sondern zu einem Risiko.

Werkzeug, nicht Entscheidungsträger

Und doch wäre es zu kurz gegriffen, KI pauschal als Bedrohung zu verdammen. Richtig eingesetzt, kann sie ein mächtiges Werkzeug sein. Mit einer soliden Datenbasis lassen sich Marktpreise vergleichen, Angebote strukturieren und Informationen beschleunigt verarbeiten. Sie kann Transparenz in einem Markt schaffen, der von Intransparenz lebt. Aber sie ist ein Werkzeug – nicht mehr. Erst in Kombination mit Erfahrung, Fachwissen und kritischer Analyse entfaltet sie ihren Nutzen. Wer glaubt, mit einem Klick die komplexeste Investition seines Lebens absichern zu können, irrt. Wer aber versteht, dass KI nur so gut ist wie die Fragen, die man ihr stellt, und die Daten, die man ihr gibt, kann sie gewinnbringend einsetzen.

Fazit: Revolution mit Risiko

Künstliche Intelligenz ist ein Quantensprung für den Immobilienmarkt. Sie hebt Transparenz und Geschwindigkeit auf ein neues Niveau, macht Daten nutzbar, die bisher verborgen waren, und eröffnet Chancen, die vor wenigen Jahren undenkbar schienen. Sie ist eine echte Revolution – aber keine, die ohne Risiken auskommt.

Die größte Gefahr liegt nicht in der Technik selbst, sondern im menschlichen Umgang mit ihr. Wer KI als unfehlbaren Ersatz für Expertise betrachtet, riskiert teure Fehlentscheidungen. Wer sie jedoch als Ergänzung versteht, als Werkzeug im Zusammenspiel mit Erfahrung und Sachverstand, gewinnt einen Verbündeten, der Kaufentscheidungen sicherer, schneller und fundierter machen kann. Die Revolution ist real – aber sie gelingt nur, wenn Menschen Verantwortung und Technologie gemeinsam tragen.

Gastbeitrag von Jan Moritz Becker

Jan Moritz Becker ist Immobilieninvestor, Gutachter und Geschäftsführer der Cashflow Quartier – Real Estate GmbH. Er verhilft Unternehmern sowie Privatpersonen dazu, Immobilien ohne Eigenkapital zu kaufen und finanzielle Freiheit zu erlangen.