13. Oktober 2025

Dynamische Strompreise und Flexibilitätsvermarktung für das schwimmende Wohnprojekt Schoonschip

Die niederländische Energiegemeinschaft »Schoonschip« mit 30 schwimmenden Häusern nördlich von Amsterdam, die durch ein intelligentes Managementsystem des Fraunhofer ITWM in die Energiemärkte integriert wird. © Isabel Nabuurs
Die niederländische Energiegemeinschaft »Schoonschip« mit 30 schwimmenden Häusern nördlich von Amsterdam, die durch ein intelligentes Managementsystem des Fraunhofer ITWM in die Energiemärkte integriert wird. © Isabel Nabuurs

Kaiserslautern (pm) – Neues aus Schoonschip: Die schwimmende Energiegemeinschaft in den Niederlanden ist seit Januar mit 30 Häusern an Energie- und Flexibilitätsmärkte angebunden. Eine innovative Lösung des Fraunhofer-Instituts für Techno- und Wirtschaftsmathematik ITWM ermöglicht präzise Echtzeit-Prognosen für Verbrauch, lokale Erzeugung und Preisoptimierung. So kann die Gemeinschaft Strom zu optimalen Konditionen am Day-Ahead-Markt handeln. Gleichzeitig vermarktet ein Händler die 30 Batteriespeicher am Imbalance-Markt. Das steigert die Flexibilität und senkt die Energiekosten für die Mitglieder.

Die Energiegemeinschaft Schoonschip ist ein Zusammenschluss von 30 schwimmenden Häusern mit Photovoltaikanlagen, Wärmepumpen und Batteriespeichern in einem Seitenarm des IJ-Kanals, nördlich von Amsterdam. Das Besondere sind die innovativen Technologien, die es den Bewohnerinnen und Bewohnern ermöglichen, ihre Energieversorgung gemeinschaftlich zu gestalten. So können sie seit 2018 durch die Integration des am Fraunhofer ITWM entwickelten Energiemanagementsystems Amperix die Nutzung ihrer eigenen Energieerzeugung maximieren und so gemeinschaftlich den noch notwendigen Energiezukauf reduzieren.

Die Häuser sind untereinander in einem Microgrid vernetzt, verfügen aber auch über einen Anschluss an das kommunale Stromnetz – einen für das gesamte Wohnprojekt. Das vom Fraunhofer ITWM entwickelte Energiemanagementsystem reduziert zudem mithilfe der Batteriespeicher Netzbezugsspitzen und reduziert dadurch Netznutzungsentgelte.

Nun haben Forschende des Fraunhofer ITWM die Anbindung der Energiegemeinschaft an verschiedene Märkte ermöglicht. Ziel ist es, die Energiegemeinschaft als flexibles virtuelles Kraftwerk zu positionieren, das in der Lage ist, sowohl Energie zu liefern als auch aufzunehmen.

Dynamische Strompreise am Day-Ahead-Markt

Dank der ITWM-Technologie kann die Schoonschip-Gemeinschaft dynamische Strompreise in Anspruch nehmen. Sie ist an den sogenannten Day-Ahead-Markt angebunden, an dem stündliche Energiepreise einen Tag im Voraus verhandelt werden.
Day-Ahead-Preise sind teils stark volatil. Das heißt, es kann zu Phasen mit günstigen und teuren Preisen kommen. Mit genügend Flexibilitäten und Speichern können die Preisschwankungen für die Energiegemeinschaft genutzt werden. Hierfür ist eine preisoptimierte Steuerung der Batteriespeichersysteme und Wärmepumpen notwendig. Das Fraunhofer ITWM hat eine solche Preisoptimierung für die Energiegemeinschaft entwickelt.

Voraussetzung sind präzise Prognosen der residualen Last bzw. Einspeisung. Dafür wird der aggregierte Netzbezug bzw. -überschuss der Energiegemeinschaft berechnet – unter Berücksichtigung des Hausverbrauchs, der lokalen Erzeugung und des Energiebedarfs der Wärmepumpen. Diese Prognosen bilden die Basis für die rollierende Preisoptimierung der Batteriespeichereinsätze – bis zu 35 Stunden im Voraus. Zusätzlich zum selbstproduzierten Strom durch die Photovoltaik-Anlagen werden die Speicher entsprechend den berechneten Fahrplänen mit möglichst günstig zugekauftem Strom gefüllt und in teuren Zeiten entladen. Anders als in Deutschland ist in den Niederlanden auch der Verkauf von Energie ins Netz erlaubt, sodass die Speicher nicht nur zur Eigenversorgung, sondern auch zur Einspeisung genutzt werden können.

Flexibilitätsvermarktung am Imbalance-Markt

Zusätzlich nimmt die Gemeinschaft mit ihren Batterien am niederländischen Imbalance-Markt teil, dessen Preise viertelstündig variieren. Hierfür entscheidet ein an die Energiegemeinschaft angebundener Händler zu jeder Viertelstunde, ob es – manchmal auch nur für wenige Minuten – eine Vermarktungsmöglichkeit am Imbalance-Markt gibt. Diese Anbindungen ermöglichen es, die Flexibilität und Kapazitäten der Energiegemeinschaft noch besser auszuschöpfen.

Das Energiemanagementsystem muss für beide Aktivitäten immer im Blick haben: die lokalen Netzanschlusslimitierungen der Energiegemeinschaft, die phasenscharf nicht überschritten werden dürfen.

Vision für die Zukunft: Zugang für alle

»Unsere Vision ist es, dass die Technologie nicht nur innerhalb der Schoonschip-Gemeinschaft, sondern auch für Privathaushalte und Unternehmen zugänglich wird. Alle, die über eine Photovoltaik-Anlage, einen Batteriespeicher oder andere Flexibilitäten wie Wärmepumpe und E-Fahrzeug verfügen, sollen in der Lage sein, sich anzuschließen und aktiv an verschiedensten Energie- und Flexibilitätsmärkten teilzunehmen«, so Matthias Klein-Schlößl, Leiter des Teams »Green by IT« am Fraunhofer ITWM.

Mit einem intelligenten Energiemanagementsystem, das verschiedene Energie- und Flexibilitätsmärkte berücksichtigt, könnte man z.B. auch ein E-Auto günstiger laden. Der Fahrer oder die Fahrerin könnten angeben, zu welchem Zeitpunkt und mit welcher Reichweite das Fahrzeug benötigt wird. Das Energiemanagementsystem optimiert den Ladevorgang, indem es das Auto entweder sofort oder zu einem späteren Zeitpunkt auflädt, wenn die Preise niedriger sind. Dies führt nicht nur zu Kosteneinsparungen, sondern fördert auch die Nutzung erneuerbarer Energien und unterstützt die Stabilität des Stromnetzes.

Quelle: Fraunhofer-Institut für Techno- und Wirtschaftsmathematik ITWM