
Düsseldorf (pm) – „Zeige mir, wie du baust, und ich sage dir, wer du bist.“ Mit diesem Zitat von Christian Morgenstern begrüßte die Schirmherrin des ARCHITEKTURPREIS NRW 2024, Ministerin Ina Scharrenbach, die Gäste zur Preisverleihung am 05. September 2024 im ausgebuchten Maxhaus in Düsseldorf.
Zum neunten Mal zeichnete der Bund Deutscher Architektinnen und Architekten BDA NRW Architekt:innen, Stadtplaner:innen und ihre Bauherrschaft für vorbildliche Baukultur aus, die in den letzten drei Jahren in Nordrhein-Westfalen entstanden ist. In einem feierlichen Festakt verlieh die Ministerin für Heimat, Kommunales, Bau und Digitalisierung des Landes Nordrhein-Westfalen zusammen mit dem BDA-Landesvorsitzenden Prof. Juan Pablo Molestina und der Juryvorsitzenden Laura Fogarasi-Ludloff den ARCHITEKTURPREIS NRW 2024 an zehn Projekte.
„Baukultur ist kein elitärer Denkraum, sondern betrifft alle. Relevanz und gesellschaftliche Verbindlichkeit müssen immer wieder neu reflektiert werden“, ergänzte Prof. Molestina. Zu welch unterschiedlichen Ergebnissen dieser Verhandlungsprozess führt, zeigen die zehn prämierten Arbeiten aus Aachen, Bottrop, Duisburg, Hamminkeln-Dingden, Köln, Mönchengladbach, Mülheim an der Ruhr, Oberhausen und Wuppertal.
Dann folgte die mit Spannung erwartete Bekanntgabe des ARCHITEKTURPREIS NRW 2024 IN GOLD. Die Überraschung war groß, denn die Mitglieder des BDA NRW hatten in einer dem Juryverfahren nachgeschalteten schriftlichen Wahl mit unerwarteter Stimmengleichheit zwei Projekte mit dem Goldpreis prämiert:
Mülheim an der Ruhr
Ersatzneubau einer Luftschiffhalle WDL
Architekt:in Smyk Fischer Architekten, Mülheim an der Ruhr
Bauherr:in Westdeutsche Luftwerbung Th. Wüllenkemper GmbH & Co. KG (Barbara Majerus, Frank Peylo)

JURYURTEIL
Als beeindruckende Landmarke präsentiert sich der Holzneubau einer in die Jahre gekommenen Stahlbauhalle für Luftschiffe in Mülheim an der Ruhr. Eine elegante, silbern schimmernde Großform scheint auf einem Fensterband zu schweben. Die Halle, die die Dimension eines Fußballfeldes von 90 x 42 Metern hat, wird an einem Ende von monu- mentalen Toren abgeschlossen, die im geöffneten Zustand beinahe sakral wirken.
Die scheinbar einfache Fachwerkkonstruktion besteht aus Zweigelenkbögen mit einer Höhe von 15 Metern und einer Dachschale aus Brettschichtholz. Alle Knotenpunkte sind als Holz-Holz-Verbindungen mit Hartholzdübeln ausgeführt. Die Stehfalzdachverkleidung besteht aus recycelbarem Aluminium, das im wechselnden Licht eine fast immaterielle Erscheinung erzeugt.
Um zirkulär zu bauen, wurde das Fundament des Vorgängerbaus zerkleinert und als Tragschicht für den Boden verwendet. Der sichtbare Boden besteht aus wiederverwendeten Beton-Großformatplatten, die von einer benachbarten Baustelle stammen. Dank des hohen Vorfertigungsgrades konnte die Halle in wenigen Wochen fertiggestellt werden, sodass die empfindlichen Luftschiffe nicht lange der Witterung ausgesetzt waren.
Die Halle bietet Platz für zwei Luftschiffe zur Wartung und Überwinterung und kann auf Wunsch des Bauherrn auch als Veranstaltungsort für bis zu 1500 Personen genutzt werden. Besichtigungen sind möglich, wodurch dieser besondere Ort auch Interessierten zugänglich gemacht wird.
Diese ungewöhnliche Bauaufgabe möchte die Jury sowohl in gestalterischer und konstruktiver Hinsicht als auch beispielhaft in Bezug auf die Nachhaltigkeit des Baumaterials und den zirkulären Ansatz würdigen. Ein Stück Architektur, ein Ingenieurbauwerk, das nicht nur seinen baukulturellen Anspruch erfüllt, sondern dazu beiträgt die regionale Identität zu stärken.
Duisburg
MKM Erweiterung Museum Küppersmühle Architekt:in Herzog & de Meuron, Basel Bauherr:in MKM Stiftung, Fam. Ströher

JURYURTEIL
Die Erweiterung des Museum Küppersmühle darf man wohl als ein Projekt mit internationaler Strahlkraft bezeichnen. Der Weg bis zu seiner Eröffnung 2021 war steinig.
Im ersten Entwurf 2008 sollten die Erweiterungsflächen mit einer waghalsig auf dem Dach der Silos platzierten leuchtenden Ausstellungsbox geschaffen werden. Der Versuch scheiterte bekanntermaßen, begleitet von dem unvermeidlichen medialen Tamtam. Wie viel Glück in Rückschlägen liegen kann, zeigt der realisierte zweite Anlauf mit ganz neuem Konzept.
Bodenständig, im wahrsten Sinne des Wortes, führt der Entwurf den Bestandsbau weiter, nimmt Höhen, Rhythmus, Maßstab und Materialität auf und beweist, zu welcher Virtuosität man es mit dieser Auslese gestalterischer Mittel bringen kann. Lisenen, Fensterschlitze und ein Sheddach als Krone, dazu die fein ausgearbeiteten Texturen der unterschiedlichen Backsteinfassadenflächen, mehr braucht es nicht für diese Erweiterung, die beides ist – spektakulär und unprätentiös.
Die Silos wurden als Gelenk zwischen Neu und Alt erhalten, sechs innere Röhren entnommen, sodass ein 45 Meter hoher Stahlschacht entstand. Zwei Brücken queren diesen atemberaubenden Raum. Sie verbinden die Ausstellungsflächen der oberen Ge- schosse und machen die Bausubstanz der ehemaligen Mühle erlebbar.
Die Erweiterung setzt sich aus drei Volumen zusammen: zwei Quadern mit den Ausstellungsräumen nach dem White Cube Prinzip und einem keilförmigen Endstück, das sich aus der Anbauverbotszone der naheliegenden A 59 ergibt. Der scharfkantige Zwickel beherbergt neben weiteren dienenden Funktionen eine skulpturale rote Betontreppe, die ihr Gegenstück aus dem Bestandsumbau von 1997 zitiert.
Die Definition von Angemessenheit als Qualitätsmerkmal von Architektur hat sich im Zuge der Nachhaltigkeitsdebatte in den letzten Jahren deutlich verschoben. Die Erweiterung der Küppersmühle und ihre Entstehungsgeschichte mag unter den prominenten Kulturbauten ein gutes Beispiel dafür sein, wie viel Spektakel wir uns künftig leisten wollen. An der Qualität des Projekts von Herzog & de Meuron besteht kein Zweifel und auch nicht an der zeitgemäßen Mustergültigkeit seiner Konzeption: Ein Gewinn für Duisburg und die Region!
ARCHITEKTURPREIS NRW 2024
DAS VERFAHREN
Insgesamt hatten sich 43 Arbeiten aus über 300 Einreichungen in den Preisverfahren der regionalen BDA-Gruppen in NRW zur Teilnahme qualifiziert. Die Jurysitzung fand am 24. Mai 2024 in Düsseldorf statt. Neben den zwei Projekten, die zusätzlich den ARCHITEKTURPREIS NRW 2024 IN GOLD erhielten, wurden weitere acht Arbeiten mit dem ARCHITEKTURPREIS NRW 2024 ausgezeichnet.
Zukunftsweisend verhandeln sie die Bedeutung von Architektur, die Verantwortung der Bauherrschaft und die Rolle der Planenden. Aus infrastrukturellen Aufgabestellungen ent- stehen atmosphärische Räume, aus Plattenbaucharme wird Wohnen im Loft. Architektin- nen und Architekten entwickeln weiter, was andere Autoren geschaffen haben und ver- wirklichen soziale Mehrwerte gemeinsam mit ihren Auftraggeber:innen.
Die zehn Preisträger:innen des Architekturpreises NRW werden vom BDA Landesverband NRW zur Teilnahme am Architekturpreis NIKE des BDA Bundesverbandes nominiert.
WEITERE AUSZEICHNUNGEN
Aachen
Miteinander im Wiesental
Neubau eines Mehrfamilienhauses mit 16 Wohneinheiten Architekt:in office03 // Waldmann und Jungblut Architekten, Köln Bauherr:in Ko-Operativ eG NRW
Bottrop
«Josef-Albers-Galerie»
Erweiterung Josef Albers Museum Quadrat Bottrop Architekt:in ARGE Josef Albers Museum Quadrat,
Annette Gigon / Mike Guyer Architekten, Zürich
und pbr Planungsbüro Rohling, Osnabrück
Bauherr:in Stadt Bottrop, Fachbereich Immobilienwirtschaft
Hamminkeln-Dingden
bauKULTURstelle
Architekt:in raumwerk.architekten, Hübert und Klußmann, Köln Bauherr:in Verein zur Förderung der Dorfentwicklung Dingden e.V. Agnes Küpper
Köln
IDK
Umbau einer Wohnung in einer Großstruktur der 70er-Jahre Architekt:in Demo Working Group, Köln
Bauherrin Nancy Pofahl
Köln
Historisches Archiv der Stadt Köln und Rheinisches Bildarchiv Architekt:in Waechter + Waechter Architekten BDA, Darmstadt, Prof. Felix Waechter und Sibylle Waechter
Bauherr:in Gebäudewirtschaft der Stadt Köln
Mönchengladbach
Zentralbibliothek Mönchengladbach
Architekt:in Schrammel Architektur Stadtplanung, Augsburg Landschaftsarchitekt Aalto, Augsburg (Freianlagen)
Bauherr:in Stadt Mönchengladbach, Projektleiter Holger Janke
Oberhausen
Pumpwerk Oberhausen
Architekt:in Atelier Fritschi + Stahl – Architektur und Stadtraum, Düsseldorf Bauherr:in Emschergenossenschaft
Wuppertal
BOB CAMPUS
Architekt:in raumwerk.architekten, Hübert und Klußmann, Köln
Bauherr:in Urbane Nachbarschaft BOB gGmbH / Ein Projekt der Montag Stiftung Urbane Räume gAG, Johanna Debik
JURY DES ARCHITEKTURPREIS NRW 2024
Vorsitzende: Laura Fogarasi-Ludloff (Ludloff Ludloff Architekten, Berlin) Felix Hoepner (MHKBG, Referat Experimenteller Wohnungsbau)
Prof. Axel Humpert (FHNW und BHSF Architekten, Zürich/München) Therese Mausbach (Redaktion Bauwelt, Berlin)
Prof. Andrea Zanderigo (PBSA Düsseldorf und Baukuh, Mailand)
Quelle: B D A Nordrhein-Westfalen