Berlin (pm) – Homeoffice und Homeschooling, Kinderbetreuung, Freizeitbeschäftigungen und sogar Sport: Die Coronakrise hat vieles, was zuvor an Orten außerhalb stattfand, in die eigenen vier Wände geholt. Eine aktuelle Studie des Bundesinstituts für Bau-, Stadt- und Raumforschung (BBSR) mit dem Titel „Funktionswandel des Wohnens“ hat nun das Wohnverhalten und die Wohnbedürfnisse der Deutschen nach der Pandemie erstmals ausführlich untersucht. Sie liefert neue Erkenntnisse, wie Wohnraum genutzt wird – und welche Anforderungen Menschen an ihr Zuhause stellen.
Bei der Studie handelt es sich um die bislang umfangreichste bundesdeutsche Bevölkerungsumfrage zu Wohnverhalten und Wohnwünschen nach der Corona-Pandemie. Gefragt wurde nach Zimmer- und Platzbedarf, nach Vorstellungen zur Wohnungsaufteilung, nach Zufriedenheit mit der gegenwärtigen Wohnsituation und der Rolle und Nutzung der einzelnen Räume.
Flexible Wohnraumnutzung
Die Ergebnisse zeigen vor allem, dass der vorhandene Wohnraum in den einzelnen Haushalten ganz unterschiedlich genutzt wird: Für ein Drittel stehen dabei nach wie vor grundlegende Tätigkeiten wie Schlafen, Essen, Medienkonsum und Familienleben im Vordergrund. Ein weiteres Drittel integriert allerdings auch Aktivitäten, die nicht zu diesen üblichen Grundfunktionen des Wohnens zählen – dazu gehören unter anderem Berufsarbeit und Sport. Diese flexible und vielseitige Nutzung des eigenen Zuhauses wird insbesondere von jüngeren Menschen in Anspruch genommen. Sie sind es auch, denen entsprechende Mängel besonders ins Auge fallen: etwa Überhitzungsprobleme, zu kleine Zimmer oder ein Mangel an Tageslicht.
Homeoffice als neue Normalität
Das Homeoffice ist der wichtigste Faktor eines solchen multifunktionalen Wohnens. Es wird von 84% der Befragten genutzt, denen die Berufsarbeit zu Hause möglich ist – oft sogar dann, wenn es in der Wohnung kein Arbeitszimmer gibt. Eine Präferenz fürs Homeoffice zeigen besonders Bewohner von Einfamilienhäusern und Haushalten mit höherem Einkommen. Außerdem zeigt sich auch hier ein klarer Alterseffekt. Jüngere Menschen arbeiten deutlich öfter von zu Hause aus als ältere. Darüber hinaus ist das Arbeiten im Home office in Großstädten verbreiteter als in ländlichen Regionen. Trotz der großen Verbreitung hält aber nur die Hälfte der Befragten die eigene Wohnung für das Homeoffice geeignet. Als häufigste Hindernisse werden das Fehlen eines passenden Rückzugsraums und mangelnder Platz für einen Schreibtisch angegeben. Hinzu kommen eine zu laute Umgebung, unzureichende Telefon- und Internetverbindungen und eine zu dunkle Wohnung.
Wünsche fürs künftige Wohnen
Obwohl zu vermuten wäre, dass die Verlagerung zusätzlicher Aktivitäten in die Wohnung, den Wunsch nach mehr Platz hervorruft, ist dies überwiegend nicht der Fall. Nur ein Drittel der Befragten gibt an, hier zusätzlichen Bedarf zu haben. Wichtiger ist den Befragten, dass die Wohnung für die jeweilige Nutzung angemessen ausgestattet und zugeschnitten ist – und es beispielsweise keine Durchgangszimmer gibt. Auffällig ist auch, dass gerade die jungen Altersgruppen sich offen für platzsparende, gemeinschaftliche Lösungen auf Hausebene zeigen: Unter den 25- bis 34-Jährigen äußert zum Beispiel jeder Dritte den Wunsch nach einer Co-Working-Möglichkeit im eigenen Wohnhaus. Mehr als ein Drittel der Befragten spricht sich zudem für gemeinschaftliche Wohnformen aus. Besonders bei Personen, die mehr als 40 Stunden pro Woche arbeiten, erfreuen sich solche Arten des Zusammenlebens großer Beliebtheit. Während fast jeder Zweite der 18- 24jährigen gemeinschaftliche Wohnformen präferiert, kann sich bei den über 74jährigen immerhin noch jeder Vierte vorstellen, gemeinschaftlich zu wohnen.
Anregung für Architekten und Bauplaner
Die in der Studie gewonnenen Erkenntnisse liefern wichtige Impulse für die Stadt- und Wohnungsplanung. „Anstatt nur auf Neubauten zu setzen, sollte der Fokus darauf liegen, bestehende Wohnflächen effizienter zu nutzen“ betont Prof. Bernd Wegener von der Humboldt-Universität, der Leiter der Studie. Wichtig wäre darüber hinaus, innovative Grundrisse und Wohnkonzepte zu fördern, die besser auf die unterschiedlichen Bedürfnisse der Bewohner abgestimmt sind. Eine interessante Lösung könnten beispielsweise Co-Working-Spaces je Hausgemeinschaft sein. Deren wohnungsnahe Nutzung bietet die Vorteile des Homeoffice – vor allem die Vermeidung von Arbeitswegen – und kann nicht zuletzt die häufig vernachlässigten arbeitsschutzrechtlichen Erfordernisse erfüllen.
Das Projekt steht unter der Leitung von Prof. Dr. Bernd Wegener, Humboldt-Universität zu Berlin, in Zusammenarbeit mit Dr. Hans Drexler vom Architekturbüro Drexler Guinand Jaustin Architekten in Frankfurt am Main. Der Abschlussbericht ist als download unter https://www.bbsr.bund.de/BBSR/DE/veroeffentlichungen/bbsr-online/2024/bbsr-online-15-2024.html
frei verfügbar.
Quelle: Survey Research & Evaluation