26. April 2024

Wie die Baubranche mit vorhandenen Kapazitäten mehr und günstiger Wohnraum schaffen könnte

Düsseldorf/München (pm) – Kaum eine Branche unterliegt so strengen gesetzlichen Auflagen und Vorschriften wie die deutsche Baubranche. Zudem ist die Anzahl der unterschiedlichen Akteure und Gewerke, die an einem Bauprojekt beteiligt sind, immens hoch und fast jedes Gebäude ist ein individuelles Einzelstück. Aus diesen Gründen ist die Produktivitätsentwicklung im Baugewerbe vergleichsweise niedrig. „Die Steigerung der Produktivität entlang der Wertschöpfungskette des Bauens ist einer der Schlüssel, um mehr Wohnraum in Deutschland zu schaffen und Kosteneinsparpotenziale zu erschließen. Indem wir jedes Gebäude wie bisher von Grund auf neu planen und neu bauen, verschwenden wir vorhandene Ressourcen. Das Bauen der Zukunft muss deutlich digitaler, standardisierter und damit kosteneffizienter werden“, sagt Steffen Mechter, Leiter Geschäftsbereich Bau der BayWa AG und Co-Autor der Studie.

Doch trotz des hohen Veränderungsdrucks, etwa durch Fachkräftemangel und Inflation, liegen erhebliche Leistungspotenziale brach: „Wenn die Baubranche die bestehenden Möglichkeiten der industriellen Vorfertigung von Bauteilen, der digitalen Vernetzung und des seriellen Bauens intensiver nutzt, kann sie mit den bestehenden Ressourcen bis zu 15 Prozent mehr Gebäude errichten und gleichzeitig 10 Prozent der Kosten einsparen,“ sagt Axel Schäfer, Partner der Strategieberatung EY-Parthenon.

Industrielle Vorfertigung – Bauteile aus der Fabrik

Der wirkungsvollste Hebel für eine Produktivitätssteigerung im Hochbau ist laut Studie die industrielle Vorfertigung. Wenn Arbeitsschritte von der Baustelle in eine Fabrikhalle verlagert und dort Bauteile in optimierten und zum Teil automatisierten Prozessen erstellt werden, werden viele Arbeitsschritte verkürzt und vereinfacht – mit klarer Ersparnis von Kosten und Zeit. Dabei kann industrielle Vorfertigung unterschiedliche Formen annehmen: Vom Einsatz vormontierter Baugruppen bis zum Bau von vorab komplett ausgestatteten Raummodulen inklusive technischer Ausstattung. „Beim elementbasierten Bau lassen sich beispielsweise bei einem Mehrfamilienhaus mit etwa 25 Wohneinheiten bis zu 15 Prozent der Kosten einsparen,“ erläutert Björn Reineke, Partner bei EY-Parthenon. Aber elementbasiertes Bauen hat noch weitere Vorteile: Prozesse können unabhängig von Witterungsbedingungen durchlaufen, die hohe Fragmentierung der Arbeitsteilung wird zum Teil aufgehoben. Und ein hoher Grad an Vorfertigung mindert die Fehlerquote, verhindert Verzögerungen und macht den Betrieb auf der Baustelle effizienter und sicherer. Zeitlich kann die Verlagerung eines Teils der Wertschöpfung in die Werkshalle den Bauprozess sogar um bis zu 30 Prozent verkürzen.

In Deutschland erwarten die Autoren der Studie insbesondere bei Mehrfamilienhäusern einen deutlichen Wachstumsschub beim elementbasierten Bauen. Die Zahl der Technologien und Anbieter steigt in diesem Segment.

(c) EY-Parthenon

Digitale Prozessoptimierung – übergreifende Planung spart Zeit und Geld

Die Hochbaubranche ist zwar mittlerweile immer geübter im Einsatz digitaler Hilfsmittel, allerdings passiert auch noch einiges analog. „Gerade die Komplexität und Fragmentierung im Hochbau verlangt nach durchgängiger Struktur und hoher Transparenz,“ betont Volkmar Schott, Partner bei EY-Parthenon: „Die digital gestützte Prozessoptimierung ist darum ein wirksamer Hebel, um die Produktivität im Bau zu steigern.“

Beim optimierten Bauprozess, beispielsweise gestützt durch BIM und nach Lean-Prinzipien, wird ein Teil der Entscheidungen in die Planungsphase vorverlagert. Dadurch nimmt zwar die Planung mehr Zeit in Anspruch, die Bauphase wird aber verkürzt. Bis zu 15 Prozent Zeitersparnis sind möglich, was je nach Bauwerk mehreren Monaten entspricht. Die optimierte Planung vermindert auch nachträgliche Plananpassungen, die häufig einen hohen Abstimmungsbedarf zwischen den Gewerken und somit Verzögerungen nach sich ziehen. Und Plananpassungen kosten nicht nur Zeit, sondern auch Geld: 10 bis 20 Prozent Zusatzkosten müssen bei heutigen Bauprozessen zu den ursprünglich kalkulierten Kosten angenommen werden. Beim Bau eines Mehrfamilienhauses mit ca. 20 bis 30 Einheiten können, diese Zusatzkosten durch den optimierten Bauprozess um bis zu 50 Prozent reduziert werden, im Verhältnis zu den Gesamtkosten also um bis zu 10 Prozent.

(c) EY-Parthenon

Serielles Bauen: Einmal geplant – vielfach gebaut

Der dritte wichtige Produktivitäts-Hebel, den die Spezialisten von EY-Parthenon und BayWa Bau für die Hochbaubranche sehen, ist die serielle Herstellung, wie sie beispielsweise von der Automobilindustrie bekannt ist. Dieses Prinzip kann auch auf das Baugewerbe übertragen werden. Allerdings nur in bestimmten städtebaulichen Situationen und in begrenztem Rahmen. Voraussetzung ist, dass größere Flächen verfügbar sind, die durch einen Investor entwickelt und bebaut werden. Hier wird eine einmalige Planung von Gebäuden vorgenommen, die dann mehrfach gebaut werden. Individuelle Abweichungen sind möglich, aber nur in begrenztem Umfang. Vor allem für Siedlungen mit Ein- oder Mehrfamilienhäusern ist serielles Bauen anwendbar und bereits erprobt, sowohl im ländlichen Raum als auch in Städten. Der dabei entstehende Wohnraum muss dabei keineswegs monoton oder langweilig sein. „Neben dem deutlich geringeren Aufwand für die Planung lassen sich beim seriellen Bauen auch Skaleneffekte über den Einkauf großer Materialmengen erzielen,“ erläutert Strategieberater Reineke. Die parallele Umsetzung des Bauprojekts ermöglicht zudem eine Prozessoptimierung, weil bei Verzögerungen Ausweichmöglichkeiten bestehen und Lerneffekte sofort übertragen werden können. Insgesamt können nach Berechnungen von EY-Parthenon und BayWa Bau dabei bis zu 10 Prozent der Kosten gegenüber individueller Bebauung eingespart werden.

(c) EY-Parthenon

Die Studie „Ausbaufähig – Wie die Baubranche ihre Potenziale entfalten kann“ steht kostenlos zur Verfügung: www.baywa.com/baustudie

Pressemitteilung: BayWa AG

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