Berlin (pm) – Die rechtlichen Rahmenbedingungen für Genossenschaften sollen verbessert werden. Das Bundeskabinett hat heute den vom Bundesministerium der Justiz vorgelegten Gesetzentwurf zur Stärkung der genossenschaftlichen Rechtsform beschlossen. Die neuen Regelungen sehen insbesondere vor, die Digitalisierung bei Genossenschaften zu fördern, die genossenschaftliche Rechtsform attraktiver zu gestalten und zugleich ihre missbräuchliche Verwendung zu verhindern.
Bundesminister der Justiz Dr. Marco Buschmann erklärt hierzu:
„Ob im Wohnungsbau, bei der Energieversorgung oder sogar im Profifußball: Die Genossenschaft als Rechtsform erfreut sich großer Beliebtheit. Wir machen sie jetzt noch attraktiver. Bereits mit dem Bürokratieentlastungsgesetz IV haben wir viele Schriftformerfordernisse im Genossenschaftsgesetz abgeschafft. Jetzt gehen wir die nächsten Schritte und öffnen das Genossenschaftsrecht weiter für digitale Lösungen. Außerdem beschleunigen wir den Prozess der Gründung von Genossenschaften. Weniger Bürokratie, mehr Offenheit für digitale Lösungen: Das ist auch im Genossenschaftsrecht die richtige Devise.“
Die deutschen Genossenschaften leisten mit ihren insgesamt 23,5 Millionen Mitgliedern einen wesentlichen Beitrag für das Gemeinwohl: Zum Beispiel sorgen Wohnungsgenossenschaften für vergleichsweise günstigen Wohnraum, Kreditgenossenschaften versorgen auch ländliche Regionen mit Bankdienstleistungen vor Ort, Energiegenossenschaften leisten einen wesentlichen Beitrag zur Energiewende; einzelne Genossenschaften übernehmen Verantwortung, beispielsweise wo der Staat sich aus finanziellen Gründen zurückzieht, und betreiben ehemals kommunale Einrichtungen wie ein Schwimmbad oder eine Stadthalle.
Daher sieht der Koalitionsvertrag vor, dass die rechtlichen Rahmenbedingungen für gemeinwohlorientiertes Wirtschaften verbessert werden. Diese getroffene Vereinbarung setzt der Gesetzesentwurf mit Blick auf Genossenschaften um.
Im Einzelnen sieht der Gesetzesentwurf folgende Maßnahmen vor:
- Förderung der Digitalisierung bei Genossenschaften: Zur Förderung der Digitalisierung soll die Textform anstelle der Schriftform verankert werden. Weitere Regelungen bzw. Klarstellungen betreffen digitale Sitzungen und Beschlussfassungen sowie die digitale Informationsversorgung der Genossenschaftsmitglieder.
- Steigerung der Attraktivität der genossenschaftlichen Rechtsform: Zur weiteren Steigerung der Attraktivität der genossenschaftlichen Rechtsform soll insbesondere die Gründung einer Genossenschaft beschleunigt werden. Dies soll durch ein erweitertes Register über genossenschaftliche Prüfungsverbände zur Erhöhung der Transparenz, eine Verordnungsermächtigung zur Standardisierung der Gründungsgutachten, die Beschleunigung der Förderungszweckprüfung durch das Registergericht sowie durch eine Frist für Eintragungen im Genossenschaftsrecht erreicht werden.
- Maßnahmen gegen unseriöse Genossenschaften: Zudem sind weitere Maßnahmen geplant, um eine missbräuchliche Verwendung der Rechtsform zu verhindern. Gesetzesänderungen in den Jahren 2017 und 2020 haben bereits Wirkung gezeigt. Sie sollen nun durch weitere punktuelle Regelungen ergänzt werden, wobei auch Vorschläge des Bundesrates berücksichtigt werden. Vorgesehen ist insbesondere eine Ausweitung der Rechte und Pflichten der genossenschaftlichen Prüfungsverbände sowie die Stärkung der Staatsaufsicht über die genossenschaftlichen Prüfungsverbände.
Den Gesetzentwurf finden Sie hier.
Quelle: Bundesministerium der Justiz
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Genossenschaften: Gesetzentwurf zur Stärkung der Rechtsform muss im parlamentarischen Verfahren dringend nachgebessert werden
Das Bundeskabinett hat heute den Entwurf eines Gesetzes zur Stärkung der genossenschaftlichen Rechtsform beschlossen. Der Entwurf greift im Verhältnis zum Referentenentwurf viele Vorschläge und Anregungen des GdW auf und ist grundsätzlich zu begrüßen. Allerdings werden die grundlegenden Ziele des Entwurfs weiterhin durch zwei Vorschläge konterkariert.
Dazu Axel Gedaschko, Präsident des Spitzenverbandes der Wohnungswirtschaft GdW:
„Wir begrüßen es sehr, dass der Entwurf verschiedene Maßnahmen zum Schutz der Rechtsform gegen unseriöse Genossenschaften enthält. Insoweit wurden viele und teils seit Jahren vorgebrachte Vorschläge des GdW und seiner regionalen Prüfungsverbände berücksichtigt. Auch die Vorschläge zur Steigerung der Attraktivität der Rechtsform gehen in die richtige Richtung.
Ein Vorschlag aus dem Entwurf würde jedoch einen massiven und nicht erklärbaren Eingriff in die Struktur der genossenschaftlichen Rechtsform bedeuten: Danach soll die Satzung bei Genossenschaften mit nicht mehr als 1.500 Mitgliedern künftig regeln können, dass der Vorstand an Weisungen der Generalversammlung oder eines aus der Mitte der Generalversammlung gebildeten Entscheidungsgremiums gebunden ist. Fakt ist: Das Genossenschaftsgesetz enthält seit langem sehr ausgewogene Regelungen zum Schutz der Rechte der Mitglieder. Das ist auch gut so und macht die allseits bekannte Stabilität und Attraktivität der Rechtsform aus. Wenn es aber um die Leitung des operativen Geschäfts geht, dann ist dies die zentrale Aufgabe des Vorstandes. Die klar strukturierte und ausgewogene Kompetenzverteilung zwischen den einzelnen Organen ist ein Erfolgsfaktor für das Modell Genossenschaft. Dieses sehr erfolgreiche und ausgewogene System sollte als Stärke gesehen und darf nicht aufs Spiel gesetzt werden. Alle berechtigten und begrüßenswerten Bemühungen, die Rechtsform attraktiver zu machen, würden so konterkariert und gefährdet. Deshalb darf dieser Vorschlag im weiteren parlamentarischen Verfahren keinesfalls weiter verfolgt werden.
Sehr kritisch sind ferner die im Entwurf enthaltenen Vorschläge zur Anhebung der Schwellenwerte in Bezug auf die Jahresabschlussprüfung zu bewerten. Eine damit verbundene weitere Aufweichung des genossenschaftlichen Prüfungssystems würde die wichtigen und richtigen Bestrebungen zum Schutz der Rechtsform konterkarieren. Dies könnte zu einem erheblichen Reputationsschaden für die Rechtsform der Genossenschaft führen. Aus diesem Grund sind diese Vorschläge strikt abzulehnen.“
Quelle: GdW Bundesverband deutscher Wohnungs- und Immobilienunternehmen