3. Mai 2024

Wege zur Klimaneutralität im Gebäudebereich

Berlin (ab) – Wie kann es gelingen, den CO2 Ausstoß im Gebäudebereich weiter zu vermindern und bis 2045 Klimaneutralität zu erreichen?  Im Auftrag des ZIA haben die Universitäts-Professoren Prof. Dr.-Ing. Kunibert Lennerts (KIT) und Prof. Dr.-Ing. M. Norbert Fisch (siz energieplus) untersucht, welche Maßnahmen besonders effektiv sind, um den Pfad zu einem klimaneutralen Gebäudebestand erfolgreich zu beschreiten. Sie stellten die Studie „Verantwortung übernehmen – Der Gebäudebereich auf dem Weg zur Klimaneutralität“ am Freitag, den 10. Dezember 2021 vor.

Mit der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes vom April 2021 und dem neuen Klimaschutzgesetzt werden dem Gebäudesektor Einsparziele gesetzt. Bis 2045 soll Klimaneutralität erreicht werden und bis 2030 müssen rund 53 Mio. Tonnen Treibhausgasemissionen reduziert werden. Dieser Betrachtungsweise liegen jahresbezogene Zielwerte zugrunde und werden nach dem Quellprinzip formuliert, d.h. berücksichtigt werden nur die Emissionen, die unmittelbar vor Ort entweichen.

Studienautor Prof. Lennerts hält eine andere Bewertungsgrundlage für sinnvoller. Vielmehr müsse das absolute Emissionsbudget nach dem Verursacherprinzip als Bewertungsgrundlage herangezogen werden, das nicht überschritten werden darf. Zu dieser Bewertungsgrundlage habe sich auch die Immobilienwirtschaft verpflichtet. Das Verursacherprinzip bilanziert dort alle Treibhausgasemissionen, wo sie entstehen. Alle gebäuderelevanten Treibhausgasemissionen werden dem Gebäude und nicht anderen Sektoren zugeordnet. „Nach dem Quellprinzip entfallen rund 16 Prozent der gesamten Treibhausgasemissionen auf den Gebäudesektor. Nach dem Verursacherprinzip sei der Gebäudebereich mit 40 Prozent am CO2 Ausstoß beteiligt.“, verdeutlichte Prof. Lennarts die Unterschiede in der Bewertungsgrundlage. Das Verursacherprinzip bildet die Basis der Überlegungen dieser Studie.

Prof. Lennerts führte aus, dass der Weltklimarat ein verbleibendes Treibhausgasemissionsbudget errechnet hätte, um das Pariser Klimaziel von 1,5 Grad zu erreichen. Für Deutschland stehe laut SRU, dem Sachverständigenrat für Umweltfragen, ein Emissionsbudget von 4,2 Mrd. Tonnen CO2 zur Verfügung. Das Emissionsbudget für den Gebäudesektor liege bei 1,7 Mrd. Tonnen.

„Nach dem Verursacherprinzip haben wir im Jahr 2020 etwa 296 Tonnen CO2 verursacht.“, so Prof. Lennerts. Unter Berücksichtigung des Emissionsbudgets und der Betrachtungsweise des Verursacherprinzips “müssten wir bereits 2032 klimaneutral sein, um das 1,5 Grad Ziel zu erreichen“, so Prof. Lennerts, der dies anhand eines Graphen mit einer linearen Funktion verdeutlicht.[1] “Allein durch jahresbezogene Zielwerte für die Jahre 2030 und 2045 ist das Temperaturziel nicht zu erreichen. Es müsse in den nächsten zehn Jahren etwa eine Halbierung der Emissionen erzielt werden. „Was wir machen können, ist jetzt schnell wirksame Maßnahmen durchführen.“, so Prof. Lennerts.

Dies sei eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe, betonte Prof. Fisch. „Jeder Bürger muss hier mitgenommen werden“, sonst sei diese Herkulesaufgabe nicht zu lösen.

Eine Maßnahme wäre der schnelle Ausbau der erneuerbaren Energien. Gebäudebezogen hieße dies ein Ausbau der Photovoltaik auf den Dächern, nicht nur auf Neubauten, sondern auch auf Bestandsbauten und Freiflächen am Rande von Städten und Dörfern in Abwägung zur Landwirtschaft. „Wir können das schaffen“, so Prof. Fisch.

Eine zweite große Maßnahme sei die Optimierung des Gebäudebetriebes, insbesondere für den Nicht-Wohnungsbau. Maria Hill, ZIA-Ausschussvorsitzende Energie und Gebäudetechnik, betonte, dass als schnelle Maßnahme die Ölheizungen durch Fernwärme, Photovoltaik, Wärmepumpe oder Biogase ersetzt werden müssen. Mit der Optimierung des Gebäudebetriebes könne man schnell 10 Mio. Tonnen CO2 einsparen.

Dem Ziel der Klimaneutralität stehe auch das bürokratische Regelwerk entgegen. „Wir müssen hier stark vereinfachen, damit wir schnell vorankommen“, so Maria Hill.

Es müsse eine Verdopplung der energetischen Sanierungsrate von 1 auf 2 Prozent geben. Dafür würden allerdings weitere 350.000 Beschäftigte im Baubereich und 62 Mrd. € weiteres Bauvolumen benötigt werden, so Prof. Lennerts. „Einige Studien sagen sogar, dass es eine 4-prozentige Sanierungsrate geben müssen. Dies ist gigantisch“, so Prof. Lennerts. Damit eine Erhöhung der energetischen Sanierungsrate realistisch bliebe, müsse es sofort eine Offensive für Fachkräfte und Ausbildung geben, ebenso müssen Innovationen für eine schnelle Sanierung gefördert werden.

Wie sinnvoll ist es, den Energiestandard für den Neubau zu verschärfen? „Es macht keinen Sinn“, so Prof. Fisch. Die neue Bundesregierung hat vor, bis 2040 den Effizienzhaus 40 – Standard für alle Neubauten einzuführen. „Der heutige Energiestandard ist ein Niedrig-Energiestandard“. Berechnungen zufolge würden nur 1,5 Mio. Tonnen eingespart werden, was im Verhältnis eine kleine Ersparnis sei. „Es ist nicht die Gebäudehülle, die wir verschärfen müssen“.

„Die Wärmepumpe ist das Heizgerät der Zukunft.“, so Prof. Fisch. Seine Empfehlung sei, dass für den Neubau keine Kamine mehr gebaut werden sollen, d.h. kein Gas mehr verbrannt werden solle. Der Neubau müsse mit Energie über Wärmepumpe oder Fernwärme versorgt werden. Mit der Sanierung der Gebäudehülle allein sei die Klimaneutralität nicht zu erreichen, sondern entscheidend sei die beschleunigte Dekarbonisierung der Strom- und Wärmenetze.

Dr. Mattner, der Präsident des ZIA, betonte nochmals, dass bei der Erhöhung der Effizienzklasse die Baukosten sich erhöhen und eine verschwindend geringe Einsparung erreicht werde. Bei mehr Dämmung müsse mehr gekühlt werden, besonders bei großen Gewerbeimmobilien, dadurch käme sogar ein negativer Klimaeintrag zustande. Sogar die Bauministerkonferenz habe sich für die einseitige Ausrichtung an der Gebäudedämmung ausgesprochen. Zum Glück habe die neue Bundesregierung im Koalitionsvertrag eine Innovationsklausel eingeführt, die Möglichkeiten erlauben, es anders zu machen. Der ZIA sei glücklicherweise Innovationspartner der neuen Regierung.

 

Die Studie stellt 12 Thesen auf, die eine Empfehlung für die Umsetzung von möglichen Maßnahmen darstellen:

 

  1. Förderung schnell wirkender Maßnahmen
  2. Vereinfachung und Umstellung der Regularien
  3. Sanierung im Fokus
  4. Fahrpläne für die Sanierung
  5. Die Anforderung an die Gebäudehülle nicht weiter verschärfen
  6. Dekarbonisierung der Wärmeversorgung
  7. Transparenz durch Digitalisierung der Betriebsdaten – Smart Readiness Indicator /SRI
  8. Festlegung der CO2-Bespeisung bis 2045
  9. Einführung von Treibhausgasemissionsbudget
  10. Förderbonus für tatsächlich erreichte Emissionsminderung
  11. Berücksichtigung von Fachkräftemangel und Ressourcenknappheit
  12. Nationale Gebäudedatenbank

 

Die Gesamtstudie finden Sie unter diesem LINK.

 

[1] „Verantwortung übernehmen. Der Gebäudebereich auf dem Weg zur Klimaneutralität“, Abb.1.18, S.42.