2. Mai 2024

#The Laboratory of the Future: Die afrikanische Stadt als Labor der Zukunft – 18. Internationale Architektur Biennale

Venedig (ab) – Bei der 18. Internationalen Architektur Biennale in Venedig steht zum ersten Mal Afrika und seine Diaspora mit dem Titel „The Laboratory of the Future“ im Mittelpunkt. Die Ausstellung umfasst 89 Teilnehmer, von denen mehr als die Hälfte aus Afrika oder der afrikanischen Diaspora stammen. In allen Bereichen des „Labors der Zukunft“ wurden mehr als 70 % der ausgestellten Werke von Studios entworfen, die von einer Einzelperson oder einem sehr kleinen Team geleitet wurden.

Lesley Lokko und Roberto Cicutto

Die 18. Internationale Architektur Biennale wird von Lesley Lokko kuratiert. Lesley Lokko ist eine schottisch-ghanaische Architektin, Professorin für Architektur und Autorin. Lokko studierte Architektur an der Bartlett School of Architecture und promovierte an der Universität London. 2015 gründete sie die Graduate School of Architecture (GSA) an der University of Johannesburg – eine afrikanische Schule, die sich der postgradualen Architekturausbildung widmet.

Roberto Cicutto, Präsident der Biennale in Venedig betont, dass die Architektur sich in den letzten Jahren als die Disziplin etabliert, die mehr als andere Antworten auf die Bedürfnisse der Menschheit geben kann und muss. In der Architektur wird nach Antworten auf dringende Erfordernisse für das Überleben der Erde und der Gattungen, die sie bewohnen, gefragt. Die Architekturbiennale blickt auf die Zukunft und berührt Probleme der Gegenwart.

Präsident Roberto Cicutto und Kuratorin Lesley Lokko (c)Jacopo Salvi

The Laboratory of the Future

„Das Zukunftslabor ist kein Bildungsprojekt. Es will weder Anweisungen geben, noch Lösungen anbieten, noch Lektionen erteilen. Vielmehr wird es als eine Art Bruch verstanden, als Agent des Wandels, in dem der Austausch zwischen Teilnehmer, Ausstellung und Besucher nicht passiv oder vorbestimmt ist. Es ist ein gegenseitiger Austausch, eine Form der glorreichen und unvorhersehbaren Konfrontation, aus der alle hervorgehen, verwandelt und ermutigt, in eine neue Zukunft zu gehen.“, so Lesley Lokko.

(c) ftb

Tosin Oshinowo

Die nigerianische Architektin Tosin Oshinowo beschreibt die Baukultur afrikanischer Städte. Afrika wurde stark von Kolonialausbeutung und von westlichen Denkmustern geprägt, die lokale Kulturen nicht wertschätzten. In den 1950er bis 1970er Jahren entstanden neue Städte und Wirtschaften, oft mit einem modernen Designansatz, der auch „Tropischer Modernismus“ genannt wird. Dieser Ansatz berücksichtigte zwar das Klima, übersah aber oft die lokale Kultur. In Lagos, Nigeria, zum Beispiel, wurden Menschen aus Slums in ein neues Wohngebiet verlegt, das auf modernistischen Prinzipien basierte. Doch dieses Projekt berücksichtigte nicht die verschiedenen Lebensweisen und Kulturen der Menschen und ist heute in schlechtem Zustand. Viele afrikanische Städte konnten das Versprechen von Wohlstand nach der Unabhängigkeit nicht erfüllen. Die Infrastruktur hat mit der zunehmenden Land-Stadt-Migration nicht Schritt gehalten, und Knappheit ist nun eine alltägliche Realität. Trotzdem hat die Knappheit auch zu Innovationen geführt, wie zum Beispiel das Projekt „Shanty Megastructures“ von Olalekan Jeyifous und die Produkte von Nifemi Marcus-Bellos „A Designer’s Utopia“. Diese Herausforderungen bieten auch eine Chance, Architektur und Stadtplanung neu zu denken. Statt von oben aufgezwungenen Lösungen müssen Architekten die Umgebung, Kultur und den Kontext verstehen. Afrika holt nicht auf zum Modernismus – der Modernismus holt auf zu Afrika. Die afrikanische Stadt ist das Labor der Zukunft und bietet viele wertvolle Lektionen für den Umgang mit Klimawandel und Knappheit.

Kéré Architecture (c) Matteo de Mayda

Kéré Architecture

Der burkinisch-deutsche Architekt Diébédo Francis Kéré betont, dass der gesamte afrikanische Kontinent für weniger als 4% der weltweiten Treibhausgasemissionen verantwortlich ist. Diese Tatsache solle Anlass zum Nachdenken sein. Wichtig sei das Verständnis für das was war, was ist und was sein werde. Auf der Architekturbiennale stellt Kéré Architecture das Projekt „Counteract“ als realisierbare und fantastische Vision von Architektur vor. Das traditionelle afrikanische Baumaterial Ton und moderne Bautechnik machen es möglich, dass die Gebäude optimal temperiert und nicht zu eng sind. Das alte und aktuelle Wissen müsse Grundlage für eine neue an den Ort und Kultur sowie an den zeitgenössischen Bedürfnissen angepasste Architektur bilden.

Kéré Architecture (c) Matteo de Mayda

Koffi & Diabaté Architectes

Das Architekturbüro Koffi & Diabaté Architectes aus der Elfenbeinküste hat eine Ausstellung entwickelt, um ihre Herangehensweise an die afrikanische Architektur darzustellen. Die Ausstellung besteht aus drei Teilen: Memoiren, Manifest und Modell. Die Memoiren erzählen die Geschichte des Architekturbüros und des Teams von über 70 Mitarbeitern. Sie beschreiben, wie das Büro im Kontext der Elfenbeinküste mit weniger als 200 registrierten Architekten und keiner international anerkannten Architekturschule gewachsen ist. Das Büro sieht sich als treibende Kraft und möchte ein Ökosystem schaffen, das von der Konzeption bis zur Fertigstellung kontrolliert wird. Skalierbarkeit und sichtbare Auswirkungen sind dabei wichtige Elemente. Im Manifest werden die vielfältigen Ansätze des Architekturbüros zur Bewältigung der Herausforderungen beim Planen, Bauen und Umsetzen von afrikanischen Städten untersucht. Themen wie Regierungsführung, Dienstleistungen, Energie, Ernährungssicherheit, Mobilität, Wohnen und Ökologie stehen im Fokus. Das Büro ist der Überzeugung, dass Lösungen auf lokalen Gegebenheiten basieren sollten. Im Modell wird die Vision des Architekturbüros für die afrikanische Stadt der Zukunft am Beispiel des Dorfes Ebrah konkretisiert. Hier wird gezeigt, wie die Konzepte und Ansätze in der Praxis angewendet werden können.
Insgesamt geht es darum, eine afrikanische Architekturpraxis zu entwickeln, die sich den spezifischen Herausforderungen und Bedürfnissen des Kontinents widmet und gleichzeitig lokale Lösungen bietet.

Koffi & Diabaté Architectes (c) Matteo de Mayda

„Es ist unmöglich, eine bessere Welt aufzubauen, wenn man sie sich nicht zuerst vorstellt.“, so Kuratorin Lesley Lokko. Die Architektur Biennale inspiriert und liefert neue Denkansätze um die Herausforderungen der Zukunft anzugehen.

Venedig (c) ftb