
Zürich (pm) – Solares Bauen – das Solararchitektur und Holzbau sind ein erfolgreiches Doppel zeigt sich Jahr für Jahr bei der Verleihung der Schweizer Solarpreise. Warum das so ist, erklärt einer der Pioniere des Bauens mit Holz und Solartechnik in der Schweiz.
Die Schweiz will bis 2050 klimaneutral sein. Wenn man sich vor Augen führt, dass Bauten bei uns noch immer für knapp einen Viertel der CO2-Emissionen verantwortlich sind, bleibt der Gebäudebereich weiterhin gefordert, seinen Treibhausgas-Ausstoss zu reduzieren. Holz hat dabei einen Heimvorteil: Denn jeder Kubikmeter Holz bindet ungefähr eine Tonne atmosphärisches CO2. Verbautes Holz wirkt also als CO2-Senke. Der Einsatz von Holz anstelle anderer Baustoffe vermeidet gleichzeitig deren CO2-Emissionen; das entlastet das Klima gleich noch einmal. Zudem steckt in Holz im Vergleich zu anderen Materialien sehr wenig graue Energie: Die ‹Herstellung› von Holz übernimmt der Wald als ‹Solarfabrik›, und Ernte und Verarbeitung erfolgen ausgesprochen energiearm. Die graue Energie reduziert sich aufgrund kurzer Transportwege noch mehr, wenn das verbaute Holz aus lokaler Produktion stammt. Mit Blick auf das Ziel der Dekarbonisierung steht die Nutzung erneuerbarer Energien im Vordergrund – vor allem der Sonnenenergie. Ein Quadratmeter Erde empfängt in der Schweiz jedes Jahr etwa 1000 Kilowattstunden Sonnenenergie – das entspricht etwa 100 Litern Öl. Geeignete Schweizer Hausfassaden könnten schätzungsweise rund 17 Terawattstunden Solarstrom pro Jahr erzeugen. Zusammen mit den Dächern beträgt das ausschöpfbare Solarstrompotential der Schweizer Gebäude rund 67 Terawattstunden pro Jahr. Die gebaute Realität hinkt dem gewaltig hinterher: 2019 waren Solarpanels mit einer Leistung von etwa 2,5 Gigawatt installiert, die knapp 4% des Strombedarfs der Schweiz abdeckten. Das solare Bauen hat also in der Schweiz noch sehr viel Luft nach oben.
Notorische Spitzenkombi: Sonne und Holz
Um das zu ändern, braucht es mehr Wissen über gebäudeintegrierte Solartechnik bei Eigentümern und Planern. Und vor allem gute Beispiele. Dass Solarenergie am Bau zu Spitzenleistungen fähig ist, zeigt Jahr für Jahr der Schweizer Solarpreis. Bereits zum elften Mal wurden diesen Herbst dabei auch der Plusenergiebauten-Solarpreis und der Norman Foster Solar Award für besonders gelungene Plusenergiebauten vergeben – Gebäude also, die mehr Energie erzeugen, als sie selber verbrauchen.
Beim Norman Foster Solar Award sind es 2020 gleich zwei Holzbauten, die einen Preis davontragen. Das Plusenergie-Einfamilienhaus Brunner-Bapst in Waltensburg kommt auf eine Eigenenergieversorgung von sage und schreibe 817% – das ist ein neuer Rekord unter den Schweizer Solarpreisen und den Plusenergie-Awards. Das perfekt dachintegrierte Fotovoltaiksystem mit 48 kW Leistung produziert 40200 kWh Strom pro Jahr. Dank guter Dämmung, effizienten Haushaltsgeräten und LED-Beleuchtung beträgt der Gesamtenergieverbrauch des Hauses dagegen nur 4900 kWh/a.
Der Plusenergie-Holzbau Moosweg in Riehen – ebenfalls ein Einfamilienhaus – zeigt das funktionierende Zusammenspiel von Architektur und Nachhaltigkeit. Eine vollflächig dachintegrierte, 20,8 kW starke Fotovoltaikanlage erzeugt jährlich 21500 kWh Strom. Der Strombedarf des Einfamilienhauses liegt bei 6500 kWh pro Jahr. Daraus resultiert ein jährlicher Solarstromüberschuss von 15000 kWh oder ein 329%-Plusenergiehaus. Im Gegensatz zu vielen Bauten, bei denen sich die Fotovoltaikelemente hinter Kaschierungen aller Art verbergen, werden hier ihre Vorzüge als architektonische Komponente klar artikuliert.
Nachhaltigkeitsbewusstsein gibt den Ausschlag
Warum sind es immer wieder Holzbauten, die auf dem Solarpreis-Podest stehen? Der Zürcher Architekt Beat Kämpfen ist einer der Pioniere des nachhaltigen Bauens in der Schweiz: Seit zwanzig Jahren kombiniert er Solartechnik und Holzbau in konsequenter Weise. Er verweist auf die zentrale Rolle der Bauherrschaft. ‹Es ist eine Frage der Mentalität›, sagt Kämpfen. ‹Wer solar baut, bezieht seine Motivation aus einem ausgeprägten Umweltbewusstsein. Eine Bauherrschaft, die so tickt, weiss auch, dass die Grauenergiebilanz beim Holzbau hervorragend ist. Es sind aber auch Leute, die das gute Wohnklima im Holzbau zu schätzen wissen.› Die Nutzung der Sonnenenergie setzt allerdings den konsequenten Einsatz von Technik voraus. Diese muss sich im Erscheinungsbild eines Hauses zeigen. Fördert das nicht Bauten, die Funktion über Ästhetik stellen? Kämpfen winkt ab. Er hält nichts von der in Architekturkreisen oft erhobenen Klage, Solartechnik schränke die Gestaltungsfreiheit übermässig ein. ‹Man muss die verwendete Technik in einem frühen Stadium in die Gestaltung einbeziehen, das ist richtig›, sagt der Architekt. ‹Aber ihre Betrachtung als reiner Störfaktor greift zu kurz. Wie kann ich neue technische Materialien für eine spannende Gestaltung einsetzen? Das ist die eigentliche Frage.› So hat Kämpfen zum Beispiel bei seinem ersten Nullenergie-Mehrfamilienhaus ‹Sunny Woods›, das 2001 in Zürich-Höngg als viergeschossiger Holzbau entstand, die Röhren der Vakuumkollektoren kurzerhand zum Balkongeländer gemacht. Gestalterisch, so Kämpfen, verfügten die Architektinnen und Architekten heute besonders bei der fassadenintegrierten Fotovoltaik über eine enorme Vielfalt an Möglichkeiten. Bei den Solarelementen sei mittlerweile eine fast beliebige Farbgebung möglich.
Von Kopf bis Fuss auf Sonne eingestellt
Was das wert ist, zeigt Beat Kämpfens neustes Mehrfamilienhaus an der Segantinistrasse in Zürich-Höngg: Fotovoltaikzellen auf dem Dach und rings ums Haus machen den Minergie-PHolzbau, der übrigens zu den Solarpreisgewinnern 2019 gehört, zu einem 126%-Plusenergiehaus. Es ist als Eigenverbrauchsgemeinschaft organisiert. So kann der selbstproduzierte Strom direkt an die Bewohner geliefert werden. Die Holzbauweise minimierte die graue Energie ebenso wie die Bauzeit. Die ausgezeichnete Dämmung hält die Wärme winters im Haus; die grossen Fenster helfen mit, die Sonne passiv zu nutzen. Der Steinboden im Wohn- und Essbereich speichert diesen Energieeintrag. Erdsonden und Wärmetauscher holen zusätzlich auch Wärme aus dem Erdreich. Die Fassade des gesamten Gebäudes – auch die Balkonschicht, die zugleich als konstruktiver Sonnenschutz dient – ist mit vier Typen von Fotovoltaikmodulen eingekleidet, die in der Summe eine Leistung von 67 kWp erzielen. Vertikal sind die Module versetzt angeordnet. Im Balkongeländer sind sie um 90 Grad gedreht. Aus einiger Distanz betrachtet, erscheint die solaraktive Fassade in einer einheitlichen Farbe, die sich je nach Einfallswinkel des Lichts verändert. In Tat und Wahrheit jedoch handelt es sich um ein aufgedrucktes Karomuster, bei dem nur jedes zweite Quadrat zugunsten einer optimalen Energieausbeute ganz schwarz ist. Insgesamt sinkt durch diesen gestalterischen Kniff der Effizienzgrad der Module um etwa 18% – doch das Gesamtkonzept ist tragfähig genug, um den aus gestalterischen Gründen bewusst in Kauf genommenen Verlust aufzufangen. Dieses Mehrfamilienhaus ist buchstäblich von Kopf bis Fuss auf Sonne eingestellt – ohne in einen technoiden Gestus zu verfallen. Es kann damit ebenso Vorbildwirkung entfalten wie die beiden mit grosser Sorgfalt und Klarheit gestalteten Preisträger 2020 des Norman Foster Solar
Award.
Pressemitteilung: Lignum Holzwirtschaft Schweiz