24. April 2025

Robert Kroth, Geschäftsführer von „Neues Bauen – 80 Sekunden“: Wir bauen Zukunft

Robert Kroth ist der Geschäftsführer von „Neues Bauen – 80 Sekunden“, einem unabhängigen Netzwerk, das innovative Ansätze, neue Strategien und Zukunftslösungen im Bauwesen in den Fokus stellt.  Im Jahr 2022 wurde das Netzwerk von Robert Kroth und Michael Mronz gegründet. Beide bringen Experten aus verschiedenen Bereichen wie Politik, Bauindustrie und Wohnungswirtschaft zusammen, um interdisziplinäre Lösungen für die drängendsten Probleme des Wohnungsbaus zu entwickeln. Durch die Förderung eines offenen Dialogs und die Zusammenarbeit zwischen den Beteiligten strebt „Neues Bauen – 80 Sekunden“ danach, den Bau von Wohnraum schneller, nachhaltiger und kostengünstiger zu gestalten. Robert Kroth und Michael Mronz setzen sich dafür ein, durch innovative Ansätze und gemeinschaftliche Projekte den Wohnungsbau nachhaltig zu verbessern und damit auf die soziale Frage der Wohnraumknappheit zu reagieren.
Das Interview wurde mit Robert Kroth, Geschäftsführer von „Neues Bauen – 80 Sekunden“ geführt.

Robert Kroth © Digitalis365 GmbH
Robert Kroth © Digitalis365 GmbH

Herr Kroth, was hat Sie dazu inspiriert, das Netzwerk „Neues Bauen – 80 Sekunden“ ins Leben zu rufen?

Wohnen ist die große soziale Frage unserer Zeit. Mein Geschäftspartner Michael Mronz und ich, wir leben beide in großen Städten – hier ist es reine Glückssache, eine neue Wohnung zu finden. Wir haben erlebt, dass selbst Menschen mit mittleren Einkommen keinen Wohnraum für sich und ihre Familien bekommen konnten. Das Problem ist vielfach analysiert. Es muss mehr Wohnraum geschaffen werden. Aber: Die traditionellen Planungs-, Genehmigungs- und Bauprozesse reichen nicht, um wirklich einen Turnaround am Wohnungsmarkt zu erzielen. Es gab keine Plattform, auf der im Dialog aller Beteiligten neue Lösungen für mehr, schneller und nachhaltiger Bauen entwickelt und initiiert werden konnten. Im Gegenteil, jeder war nur in seinem Silo unterwegs – auch die Politik erreichten so sehr unterschiedliche Vorschläge von Investoren, Wohnungswirtschaft, Bauindustrie, Herstellern, Startups und letztlich auch den Architekten. Wir fanden, es braucht einen ganzheitlichen Blick und einen Dialog aller, um der Wohnungsknappheit wirksam zu begegnen und echte Innovationen an den Start zu bekommen. Deshalb haben wir 2022 die Initiative gegründet.

Die Resonanz hat uns selbst überrascht. Deshalb ist in nur drei Jahren aus einer Initiative zur Identifikation innovativer Lösungen für den Wohnungsbau ein starkes Netzwerk entstanden, das den Wandel aktiv vorantreibt. Viele der großen Unternehmen sind Teil von „Neues Bauen – 80 Sekunden“ und engagieren sich sehr aktiv auf der Plattform.

Der Name „Neues Bauen – 80 Sekunden“ ist provokant – welche Botschaft steckt dahinter?

Zunächst hießen wir noch „80 Sekunden – Neues Bauen“. Der Name verweist auf das Ziel der letzten Bundesregierung, jährlich 400.000 neue Wohnungen zu schaffen – das hätte bedeutet, dass in Deutschland alle 80 Sekunden eine neue Wohneinheit fertiggestellt werden müsste. Alle wussten, die Realität sieht anders aus. Wir haben provokativ gefragt, was denn getan werden müsste, um diese ja dringend notwendige Zahl zu erreichen.

Denn 400.000 neue Wohnungen im Jahr sind erreichbar: Im Durchschnitt der Nachkriegsjahre wurden in Westdeutschland sogar 405.000 Wohnungen gebaut. Nur eben in den letzten Jahren deutlich weniger. Das sorgt dafür, dass mittlerweile rund 550.000 Wohnungen zusätzlich fehlen.

Welches Konzept verfolgt das Netzwerk „Neues Bauen – 80 Sekunden“?

Wir verfolgen ein gemeinsames Ziel: Mehr und schneller nachhaltige und trotzdem bezahlbare Wohnungen schaffen. Das geht nur, wenn sich die Branche ein Stück weit neu erfindet, sich auf neue Ideen einlässt, wie zum Beispiel die serielle Vorfertigung oder die Skalierung von Gebäudetypen. Dafür braucht es eine interdisziplinäre Vernetzung. Aus unserer Community entstehen Netzwerke von Machern, die neue Projekte anstoßen und gemeinsam Lösungen in die Praxis bringen. Und es braucht eine breite Öffentlichkeit für die gemeinsamen Lösungen der Bau- und Wohnungswirtschaft. Dabei geht es übrigens nicht um Einzelinteressen, sondern um eine Initiative für echte Veränderung. Bei uns sind parallel auch Mitbewerber engagiert. Alle wollen den Wandel aktiv mitgestalten. Unser Netzwerk bringt Akteure aus Politik, Bau- und Wohnungswirtschaft zusammen. Gemeinsam arbeiten wir im Schulterschluss und mit einer 360-Grad-Perspektive an ganzheitlichen Lösungsansätzen.

Welches Ziel möchten Sie erreichen?

Uns geht es zunächst natürlich darum, die aktuelle Wohnungskrise abmildern zu können, mehr Wohnraum im Neubau und Bestand zu schaffen. Dauerhaft möchten wir aber die generellen Rahmenbedingungen für den Wohnungsbau auch in der Zukunft verbessern: Wir müssen die enorme Regulatorik abbauen, die Bauen und Sanieren heute teuer und langsam macht. Wir brauchen Digitalisierung in allen Prozessschritten. Wir brauchen Lösungen, um dem Fachkräftemangel besonders im Handwerk zu begegnen. Es braucht insgesamt mehr Mut. Bei „Neues Bauen – 80 Sekunden“ wollen wir dafür werben, aus dem Vollkasko-Bauen wegzukommen. Alles nur mit tausendfacher Absicherung. Wenn immer so gebaut worden wäre, hätte es vermutlich nie ein Bauhaus gegeben. Die Branche hat viele Ideen – wir wollen helfen, sie zutage zu fördern und kollaborativ im Netzwerk umzusetzen.

Der Wohnungsbau steht vor großen Herausforderungen. Welche sehen Sie und die Mitglieder Ihres Netzwerks als die drängendsten an?

Als zentrale Punkte sehen wir die hohen Baukosten, die überbordende Regulatorik, lange Genehmigungsprozesse und den Fachkräftemangel. Das belastet die Branche nachhaltig und beginnt neben der sozialen und politischen Dimension nun auch eine wirtschaftliche Sprengkraft zu entwickeln. Schließlich ist die Bau- und Immobilienbranche mit der wichtigste Wirtschaftsbereich in Deutschland: Sie trägt 19 Prozent zur Bruttowertschöpfung bei, beschäftigt 3,5 Millionen Menschen und umfasst 811.000 Unternehmen. Geht es der Branche schlecht, belastet das die ganze Volkswirtschaft. Kann sie sich entwickeln, leistet die einen relevanten Beitrag zum dringend benötigten Wachstum. Eine Sachverständigen-Taskforce von „Neues Bauen – 80 Sekunden“ unter Leitung von Prof. Dr. Bert Rürup, weiteren Ökonomen, Kommunen, Vertretern der Wirtschaft, Gewerkschaften und Arbeitgeber hat berechnet, dass allein der Bau von zusätzlichen 50.000 Wohneinheiten einen Wachstumsimpuls von 0,5 Prozent zur gesamtwirtschaftlichen Entwicklung Deutschlands beitragen kann. Der Wohnungsbau hat das Potential als binnenwirtschaftlicher Wachstumsmotor für die Gesamtwirtschaft zu dienen. Das sollte auch die neue Bundesregierung im Blick haben, wenn es jetzt um die weitere Ausrichtung der Wohnungsbaupolitik geht.

Welche Lösungsansätze werden diskutiert?

Ein entscheidender Ansatz ist der verstärkte Einsatz von Digitalisierung und KI. Mit modernsten Technologien verkürzen wir die Bauzeiten, senken die Kosten und steigern die Nachhaltigkeit der Bauprojekte. Die Modernisierung von Bestandsgebäuden und eine effizientere Nutzung vorhandener Flächen ist ein Schlüssel zu nachhaltiger Stadtentwicklung. Die ganzheitliche Dekarbonisierung vom Bau- bis hin zum Betriebsprozess ist ein Muss. Dazu braucht es den Einsatz von innovativen Materialien, zum Beispiel klimapositivem Beton, neue energieeffizienter Versorgungsprozesse und vor allem auch die Qualifizierung aller im Prozess.

Wir sehen einen großen Mehrwert in einem standardisierten Gebäudetyp E. Durch eine effektive, modulare Bauweise und flexible Nutzungskonzepte können diese Gebäude optimal an wechselnde Bedürfnisse angepasst werden. Wir meinen mit „E“ übrigens nicht „einfach“, sondern „effizient“. Deutlich höhere Kosteneffekte als durch das Weglassen der einen oder anderen Steckdose erreichen wir durch die Skalierbarkeit von definierten Gebäudetypen, ohne Qualität zu opfern. Auch im seriellen, schnellen und günstigem Dachausbau, Aufstockung und Nachverdichtung sehen wir großes Potential.

Ihr Netzwerk fördert innovative Bautechnologien und nachhaltige Baukonzepte. Welche Beispiele haben sich bereits als besonders zukunftsweisend erwiesen?

„Neues Bauen – 80 Sekunden“ wird zunehmend auch zur Plattform für Startups der Branche – egal ob Proptech, Contech oder Craftech. Sie pitchen ihre Geschäftsmodelle bei uns vor den Spitzen der Bau- und Wohnungswirtschaft. Zudem wenden sich immer mehr Unternehmen mit innovativen neuen Technologien an uns. Zu Material-Innovationen haben wir sogar ein eigenständiges Fach-Forum durchgeführt. Es geht um klimapositiven Beton und Baustahl, um Energiegewinnung aus Abwasser, um serielle Vorfertigung, neue Lösungen für das nachhaltige Trinkwassermanagement, die ganzheitliche Dekarbonisierung des Gebäudes, KI-Lösungen zur Automatisierung des hydraulischen Abgleichs oder automatisierten Erstellung von EPDs, Handelsplattformen für die Zweitnutzung von Baumaterialien, KI in der Bauvorprüfung, smartes Ressourcenmanagement, intelligente Technik für altersgerechtes Bauen, Robotik auf der Baustelle und generell eine ganze Reihe von Tools zur Digitalisierung im Handwerk, aber auch zur Absicherung des Handwerks in Gewährleistungsfragen.

Besonderen Raum nehmen Lösungen für die Digitalisierung des Gebäudebestandes ein – auch dazu hatten wir ein eigenes Fach-Forum. Arbeitsgruppen entwickeln im Rahmen dieser Foren dann konkrete Schritte, wie die jeweiligen Innovationen in die Branche übernommen werden können. Unternehmen wie Syte und Leaftech haben sich bereits sehr früh bei uns präsentiert und haben sich über uns auch mit der Branche und der Politik vernetzen können.

Welche politischen Veränderungen wären aus Ihrer Sicht notwendig, um schneller, effizienter und nachhaltiger zu bauen?

Aus unserer Sicht ist es wichtig, auch hier zu einem neuen Miteinander zu kommen: In Sachen Wohnungsnot ist weder die Politik der Buhmann, noch die Wirtschaft – es geht um gemeinsame Lösungen, nicht um gegenseitige Schuldzuweisungen. Dazu wird bei uns intensiv gesprochen. Die Gespräche kreisen immer wieder um vereinfachte und schnellere Genehmigungsverfahren, weniger Bürokratie, eine Angleichung der Regelungsvielfalt in den Bundesländern, mehr Digitalisierung, bessere Investitionsbedingungen wie steuerliche Anreize und vereinfachte Abschreibungen sowie übersichtlichere und harmonisierte Förderangebote. Eine stärkere Koordination zwischen Bund, Ländern und Kommunen ist für schnellere Bauvorhaben ebenfalls von Vorteil.

Wie ist die Resonanz aus der Politik auf Ihre Initiative?

Wir führen bereits einen intensiven Dialog mit der Politik und sind dankbar dafür, dass unsere Lösungen auf Bundes-, Landes- und kommunaler Ebene sehr gut aufgenommen werden. Generell freuen wir uns natürlich, dass die Spitzenpolitik schon vom ersten Jahr an bei unserem Summit und den verschiedenen Fach-Foren dabei ist. Vielfach nicht nur, um ein Grußwort zu halten, sondern um aktiv in den Dialog zu gehen. Dafür nehmen sich selbst die Ministerinnen und Minister, aber auch die baupolitischen Sprecher aller demokratischen Fraktionen aus dem Bundestag wirklich Zeit. Sie besuchen Initiativen und Partner von „Neues Bauen – 80 Sekunden“ z.T. auch direkt vor Ort im Betrieb. Auch zu unserer nächsten Baustellenbesprechung am 24./25.Juni erwarten wir wieder Spitzenvertreter aus Politik und Verwaltung, besonders natürlich aus der dann neu gestarteten Bundesregierung und dem Bundestag.

Was hat Sie persönlich am meisten überrascht oder beeindruckt, seit Sie diese Initiative gestartet haben?

Nicht überrascht, aber die Bereitschaft zur interdisziplinären Zusammenarbeit über Branchengrenzen hinweg beeindruckt uns schon sehr. Viele unserer Netzwerk-Partner berichten von einer besonderen Atmosphäre des Austausches bei unseren Veranstaltungen – fast familiär. Und trotzdem auf der höchsten Ebene. Kein Vorstand, der nicht mit dem Handwerker spricht. Kein Top-Architekt, der nicht mit den Startups spricht. Das hilft natürlich, die Vielzahl innovativer Ideen, die im Netzwerk entstehen, zu entdecken und auch direkt in konkrete Projekte zu überführen. Wir sind sehr dankbar, dass wir mit unserer Plattform in so kurzer Zeit eine so hohe Akzeptanz erreichen konnten.

Gibt es ein Projekt oder eine Innovation, die Sie besonders begeistert?

In diesem Jahr sind unsere Taskforces gestartet, die aus dem Netzwerk von „Neues Bauen – 80 Sekunden“ konkret Projekte angehen. Auf Initiative von Goldbeck, BUWOG, Vonovia, Westenergie und Schüco soll jetzt mit einer Reihe weiterer Partner aus dem Netzwerk der erste skalierbare Gebäudetyp E, wie effizient, in Bochum gebaut werden. Parallel ist eine Taskforce gestartet, die Modelle für die serielle Aufstockung von Dächern und den modularen Ausbau entwickeln soll. Hier haben Velux und Schlüter-Systems die Federführung übernommen. Eine dritte Taskforce zur seriellen Sanierung von Plattenbauten ist in Vorbereitung. Hier kommen die Umsetzungskraft und der Mut der Unternehmen aus unserem Netzwerk zusammen, auch etwas Neues zu erproben, gemeinsam zu lernen und vor allem danach in Serie zu gehen. Das ist einzigartig bei „Neues Bauen – 80 Sekunden“, weil es nicht nur um den Austausch, sondern ums wirkliche Machen geht.

Was ist ihr Wahlspruch?

„Wir bauen Zukunft “, das ist auch das Motto unseres diesjährigen Summits am 24. und 25.Juni in Berlin, zu dem wir Ihre Leser sehr gern einladen. Denn für ein holistisches Verständnis von Gebäude und Prozessen ist der Architekt schon immer der Treiber gewesen. Wir brauchen diese Perspektive mehr denn je bei der Wende im Wohnungsbau.

Vielen Dank für das Gespräch.