29. April 2024

Reichel Schlaier Architekten: Wohnen für Studierende in Ludwigsburg- Ein Plädoyer für gemeinschaftliches Wohnen

Stuttgart (pm) – Die klassische Wohngemeinschaft hat ihren Ursprung in der Studenten­bewegung der 1960er­Jahre. Ursprüng­lich verband sich mit der WG die Umsetzung alternativer Lebensformen und der Wunsch nach einer Abkehr von der Kleinfamilie. Mit der Zeit entwickel­te sich die bundesdeutsche WG immer mehr zur pragmatischen Lösung, die mit ökonomischen Vorteilen verbun­den ist. Mit dem Projekt Wohnen für Studierende überführen Reichel Schlaier Architekten die Wohnform der WG in ein modernes Wohnkonzept, das Ver­einzelung verhindert und gleichzeitig Individualität unterstützt. In Ludwigs­burg finden die Bewohnerinnen und Bewohner in den Wohngemeinschaften leichter Anschluss und können Kontakte zu Studierenden aus aller Welt knüpfen.

Fünf Hochschulen und Akademien sowie das Deutsch­-Französische Institut sind in der Barockstadt Ludwigsburg beheimatet. Wie an anderen Hochschul­standorten ist auch hier bezahlbarer Wohnraum knapp. Auf dem Campus Königsallee eröffnete am 8. Mai 2023 das Studierendenwerk Stuttgart die beid­en Gebäude mit gemeinsam 229 neuen Wohneinheiten. Den dazugehörigen Wettbewerb hatte das Stuttgarter Büro Reichel Schlaier Architekten 2018 ge­meinsam mit Koeber Landschaftsarchi­tektur gewonnen. Ihnen gelang es auch, mit ihrem Entwurf ein bestehendes Wohnhochhaus aus den 1960er­Jahren städtebaulich in das Gesamtkonzept zu integrieren.

ZENTRALE BEGRÜNTE MITTE

Das Wohnprojekt besetzt in Ludwigs­burg ein Areal, das unmittelbar an eine historische Kasernenstruktur aus dem 19. Jahrhundert angrenzt. In puncto Kubatur und Materialität korrespon­dieren die beiden neuen Baukörper mit dem Bestand. Dabei schließt der äußere Baukörper das Areal präzise auf der Süd­ und Ostseite zur Friedrichstraße und Königsallee hin. Der zweite Bau­körper ergänzt das Ensemble, schafft eine klare Platzkante zum Innenhof und öffnet den Übergang zum benachbarten Wohnturm sowie den nördlich angren­zenden Hochschulgebäuden. Dabei gruppieren sich die Baukörper um eine begrünte Mitte. Hier schafft der Entwurf Platz zum Treffen und Verweilen. Um das begrünte Zentrum herum sind die ebenerdigen Gemeinschaftsräume ange­legt, die direkten Zugang zum Freibe­reich bieten. Alle Treppenhäuser haben einen direkten Zugang zum Hof. Anders als in den meisten Wohnheimen werden in Ludwigsburg die Wohneinheiten mit klar zugeordneten Eingängen vom Straßenraum erschlossen – Orientierung und Identität werden so betont und unterstützt.

FARBGEBUNG ALS ORIENTIERUNGSHILFE

Straßenseitig wurde das Erdgeschoss um ein halbes Geschoss erhöht, damit sich diese Wohnungen vom Gehweg­niveau abheben. Das Gebäude zur Stra­ße hin beherbergt fünf, das Hofgebäude vier Wohngeschosse. Die Außenhüllen sind konsequent als Ziegelsteinfassaden konzipiert. Dabei sind die Fassaden rhythmisch durch die vorspringenden Erker gegliedert und die an ein Mosaik erinnernden Erdgeschosse optisch ab­gesetzt. Die Farbigkeit der Verfugungen ändert sich mit der Höhe der Geschosse. Ein wichtiger Bestandteil des Entwurfs ist die Betonung eines produktiven Mit­einanders. Daher sind die Wohneinhei­ten als Wohngemeinschaften konzipiert, die über großzügige Gemeinschaftsflä­chen verfügen – gestaffelt von 3er­ bis 8er­WGs. Auch barrierefreies Wohnen ist möglich. Die kräftige Farbgebung der Gemeinschaftsbereiche erleichtert die Orientierung und charakterisiert die Wohnungen. Die Deckenleuchten in Zick­Zack­Form wirken belebend und dynamisch.
Mit dem Ensemble Wohnen für Stu­dierende entstand in Ludwigsburg ein modernes Wohnumfeld für junge Men­schen, das dem Leben in Gemeinschaft einen hohen Stellenwert beimisst und in dem die Balance zwischen Rückzugs­ bereichen und kommunikativen Zonen gewahrt bleibt.

MOBILITÄTSKONZEPT

Ursprünglich wurde vorgegeben, die Wohnanlage mit einer weitläufigen Tiefgarage zu errichten – obwohl die wenigsten Studierenden ein eigenes Auto besitzen. Das Studierendenwerk Stuttgart erarbeitete gemeinsam mit der Stadt Ludwigsburg ein umfassendes Mobilitätskonzept, das die Tiefgaragen­plätze um ein Drittel reduzierte. Zum Konzept gehören 200 Stellplätze im Fahrradkeller und 30 Fahrradstellplätze im Innenhof. Es ist Platz gehalten für 10 E­-Lastenräder, die per App buchbar sind. Auch eine Fahrradwerkstatt wurde eingerichtet. Es gibt drei oberirdische Carsharing­Stellplätze, vier E­Ladestati­onen in der Tiefgarage und letztendlich 31 PKW­Stellplätze.

Quelle: Reichel Schlaier Architekten Gmbh