Stuttgart (pm) – Die klassische Wohngemeinschaft hat ihren Ursprung in der Studentenbewegung der 1960erJahre. Ursprünglich verband sich mit der WG die Umsetzung alternativer Lebensformen und der Wunsch nach einer Abkehr von der Kleinfamilie. Mit der Zeit entwickelte sich die bundesdeutsche WG immer mehr zur pragmatischen Lösung, die mit ökonomischen Vorteilen verbunden ist. Mit dem Projekt Wohnen für Studierende überführen Reichel Schlaier Architekten die Wohnform der WG in ein modernes Wohnkonzept, das Vereinzelung verhindert und gleichzeitig Individualität unterstützt. In Ludwigsburg finden die Bewohnerinnen und Bewohner in den Wohngemeinschaften leichter Anschluss und können Kontakte zu Studierenden aus aller Welt knüpfen.
Fünf Hochschulen und Akademien sowie das Deutsch-Französische Institut sind in der Barockstadt Ludwigsburg beheimatet. Wie an anderen Hochschulstandorten ist auch hier bezahlbarer Wohnraum knapp. Auf dem Campus Königsallee eröffnete am 8. Mai 2023 das Studierendenwerk Stuttgart die beiden Gebäude mit gemeinsam 229 neuen Wohneinheiten. Den dazugehörigen Wettbewerb hatte das Stuttgarter Büro Reichel Schlaier Architekten 2018 gemeinsam mit Koeber Landschaftsarchitektur gewonnen. Ihnen gelang es auch, mit ihrem Entwurf ein bestehendes Wohnhochhaus aus den 1960erJahren städtebaulich in das Gesamtkonzept zu integrieren.
ZENTRALE BEGRÜNTE MITTE
Das Wohnprojekt besetzt in Ludwigsburg ein Areal, das unmittelbar an eine historische Kasernenstruktur aus dem 19. Jahrhundert angrenzt. In puncto Kubatur und Materialität korrespondieren die beiden neuen Baukörper mit dem Bestand. Dabei schließt der äußere Baukörper das Areal präzise auf der Süd und Ostseite zur Friedrichstraße und Königsallee hin. Der zweite Baukörper ergänzt das Ensemble, schafft eine klare Platzkante zum Innenhof und öffnet den Übergang zum benachbarten Wohnturm sowie den nördlich angrenzenden Hochschulgebäuden. Dabei gruppieren sich die Baukörper um eine begrünte Mitte. Hier schafft der Entwurf Platz zum Treffen und Verweilen. Um das begrünte Zentrum herum sind die ebenerdigen Gemeinschaftsräume angelegt, die direkten Zugang zum Freibereich bieten. Alle Treppenhäuser haben einen direkten Zugang zum Hof. Anders als in den meisten Wohnheimen werden in Ludwigsburg die Wohneinheiten mit klar zugeordneten Eingängen vom Straßenraum erschlossen – Orientierung und Identität werden so betont und unterstützt.
FARBGEBUNG ALS ORIENTIERUNGSHILFE
Straßenseitig wurde das Erdgeschoss um ein halbes Geschoss erhöht, damit sich diese Wohnungen vom Gehwegniveau abheben. Das Gebäude zur Straße hin beherbergt fünf, das Hofgebäude vier Wohngeschosse. Die Außenhüllen sind konsequent als Ziegelsteinfassaden konzipiert. Dabei sind die Fassaden rhythmisch durch die vorspringenden Erker gegliedert und die an ein Mosaik erinnernden Erdgeschosse optisch abgesetzt. Die Farbigkeit der Verfugungen ändert sich mit der Höhe der Geschosse. Ein wichtiger Bestandteil des Entwurfs ist die Betonung eines produktiven Miteinanders. Daher sind die Wohneinheiten als Wohngemeinschaften konzipiert, die über großzügige Gemeinschaftsflächen verfügen – gestaffelt von 3er bis 8erWGs. Auch barrierefreies Wohnen ist möglich. Die kräftige Farbgebung der Gemeinschaftsbereiche erleichtert die Orientierung und charakterisiert die Wohnungen. Die Deckenleuchten in ZickZackForm wirken belebend und dynamisch.
Mit dem Ensemble Wohnen für Studierende entstand in Ludwigsburg ein modernes Wohnumfeld für junge Menschen, das dem Leben in Gemeinschaft einen hohen Stellenwert beimisst und in dem die Balance zwischen Rückzugs bereichen und kommunikativen Zonen gewahrt bleibt.
MOBILITÄTSKONZEPT
Ursprünglich wurde vorgegeben, die Wohnanlage mit einer weitläufigen Tiefgarage zu errichten – obwohl die wenigsten Studierenden ein eigenes Auto besitzen. Das Studierendenwerk Stuttgart erarbeitete gemeinsam mit der Stadt Ludwigsburg ein umfassendes Mobilitätskonzept, das die Tiefgaragenplätze um ein Drittel reduzierte. Zum Konzept gehören 200 Stellplätze im Fahrradkeller und 30 Fahrradstellplätze im Innenhof. Es ist Platz gehalten für 10 E-Lastenräder, die per App buchbar sind. Auch eine Fahrradwerkstatt wurde eingerichtet. Es gibt drei oberirdische CarsharingStellplätze, vier ELadestationen in der Tiefgarage und letztendlich 31 PKWStellplätze.
Quelle: Reichel Schlaier Architekten Gmbh