Detmorld (pm) – Der Nachwuchswettbewerb „Raum für Trauer – Ideen für den Friedhof der Zukunft“ ist entschieden. Die Jury vergab zwei erste Plätze an Samuel Schubert (Bauhaus Universität Weimar) sowie an Ricarda Leandra Bock und Emily Kern (HafenCity Universität Hamburg). Ein dritter Preis ging an Anna Kopácsi (Bauhaus Universität Weimar). Insgesamt waren 45 Arbeiten eingereicht worden.
Thema des Wettbewerbs war die zeitgemäße Weiterentwicklung von Friedhöfen. Aktuelle gesellschaftliche Entwicklungen im Umgang mit Sterben, Tod und Trauer verändern auch die Anforderungen an Begräbnisorte. Deshalb fragten die Auslober der Technischen Hochschule Ostwestfalen-Lippe (TH OWL) nach dem Friedhof der Zukunft.
„Wie könnte ein Friedhof aussehen, der den Bedürfnissen von Trauernden besser gerecht wird und die psychologischen Funktionen eines Beisetzungsortes berücksichtigt? Was könnte ein solcher Friedhof leisten – nicht als Ort der Toten, sondern als Raum für die Lebenden? Und welche Gestaltung könnte dazu beitragen, der Trauer einen aktiven Ort in der Gesellschaft zu geben und Tod und Trauer zu enttabuisieren?“, fasst Prof. Kathrin Volk vom auslobenden Lehrgebiet Landschaftsarchitektur und Entwerfen am Fachbereich Detmolder Schule für Architektur und Innenarchitektur (TH OWL) die dem Wettbewerb zugrundeliegenden Fragen zusammen.
Ziel war die Gestaltung von geeigneten Orten auch als räumliche Situationen auf dem Friedhof Hamburg-Ohlsdorf, die individuelle oder gemeinschaftliche Rituale und Handlungen des Abschiednehmens ermöglichen. In diesem Sinne suchte der Wettbewerb nach innovativen, experimentellen oder gewagten Konzepten. Die Teilnehmer und Teilnehmerinnen sollten Situationen innerhalb einer übergeordneten Struktur entwerfen, die verschiedenartig gestaltet, wahrgenommen und gehandhabt werden können. Diese Orte, bzw. räumliche Situationen sollten Trauerhandlungen unterschiedlicher gesellschaftlicher Gruppen ermöglichen. Die sozialräumliche Struktur sollte sich aus privaten, gemeinschaftlichen und öffentlichen Bereichen zusammensetzen. Ein Aufenthalt am Beisetzungsort sollte für die Menschen eine heilsame und positive Wirkung haben. Von den Teilnehmern und Teilnehmerinnen des Wettbewerbs wurden Beiträge erwartet, die folgende Ebenen fokussiert oder integrativ behandeln:
- den Beisetzungsort als Raum für individuelle Trauer und persönliche Trauerhandlungen,
- die räumliche Struktur des Friedhofs inklusive der Öffentlichkeitsgrade seiner Teilräume,
- eine zeitgemäße Programmatik,
- eine zeitgenössische Ästhetik und ansprechende Atmosphären,
- Möglichkeiten einer künftigen Governance von Friedhöfen und/ oder von gemeinschaftlichen Teilräumen auf Friedhöfen.
Dies sei in besonderem Maße den drei Preisträgerarbeiten gelungen, so die Jury.
Zu den einzelnen ausgezeichneten Entwürfen gab das Preisgericht folgende Begründungen ab:
- Preis / 717 / Samuel Schubert / Bauhaus Universität Weimar

„Eine andere Art der Grabesgestaltung zeigt dieses parallel zum Bestand entwickelte Konzept auf. Ein übergeordnetes Raster mit 717 Eichen ermöglicht dem Nutzer, an jedem Rasterpunkt tätig zu werden und seine Trauer individuell auszuleben. Der hohe partizipative und kollektive Charakter bietet einen geregelten Rahmen für jegliche Art von Individualinterventionen und führt über die Jahre zu einer sukzessiven Verwandlung des Friedhofs. Eine detailliertere, entwurfliche Ausarbeitung wäre wünschenswert, trotzdem ist das Konzept zukunftsweisend und umsetzbar.“
- Platz / Weg für die Lebenden / Ricarda Leandra Bock und Emily Kern / HafenCity Universität Hamburg

„Ein hölzerner Hochweg entlang der Perlenteiche des Bramfelder Sees bietet neun partizipative Trauerräume für individuelle und gemeinschaftliche Rituale. Interaktive, offene Angebote fordern die Trauernden dazu heraus, den Raum individuell und persönlich zu gestalten, ohne einen bestimmten Trauerprozess vorzugeben. Der Pfad ist eine geometrische Besonderheit in dem sonst organischen Raum und zieht sich wie eine rote Linie durch den Friedhof. Er symbolisiert den Weg der Trauer, welcher den Freiraum zur eigenen Reflektion bietet. Allerdings gestaltet sich der Hochweg besonders für ältere Menschen oder Menschen mit Höhenangst schwierig. In der Realität ist das Konzept leicht und flexibel umsetzbar.“
- Platz / Ritueller Weg der Trauer / Anna Kopácsi / Bauhaus Universität Weimar

„Acht begehbare Pavillons zur Trauerbewältigung werden entlang der linearen Achse des historischen Linne-Teils wie monolithische Skulpturen in der Landschaft verteilt. Durch das Aushöhlen des massiven Volumens werden individuelle und gemeinschaftliche Angebote für neue Rituale geschaffen. Die Arbeit setzt sich landschaftlich mit dem gesamten Friedhof auseinander, und ist ein ikonographisch gut umgesetztes Trauer-konzept. Positiv sind die unterschiedlichen architektonischen Atmosphären der jeweiligen Kuben, welche sich durch unterschiedliche Proportionen, inszenierte Ausblicke und Materialität definieren. Allerdings gibt die vorgegeben Nutzung der Kuben wenig Spiel-raum für Trauer. Auch mögliche Schwellenängste der Nutzer erschweren die gewollte Anwendung der Räume: Der Besucher ist zum Eintreten gezwungen, um sich verändern zu lassen.“
Preisgeld: 1. Platz jeweils 2500 Euro, 3. Platz 1000 Euro
Auslober: Technische Hochschule Ostwestfalen-Lippe (TH OWL) mit Unterstützung von Kunstgießerei Strassacker, Museum für Sepulkralkultur, Hochschule Geisenheim University
Die Jurysitzung fand digital statt. Preisrichter/innen:
Dr. Marie-Luise Birkholz
Bart Brands
Günter Czasny
Willy Hafner
Marc Templin
Prof. Dr. Constanze Petrow
Matthäus Vogel
Prof. Dr. rer. Nat. Tanja C. Vollmer
Dr. Dirk Pörschmann
Gisela Zimmermann
Pressemitteilung: Technische Hochschule Ostwestfalen-Lippe