Gastbeitrag – Gesetze, Programme, technische Normen – wer heute sanieren will, steht vor einer kaum durchschaubaren Menge an Vorschriften. Der regulatorische Rahmen reicht von dem Gebäudeenergiegesetz (GEG) über die Bundesförderung für effiziente Gebäude (BEG) bis hin zu europäischen Richtlinien wie der Energy Performance of Buildings Directive (EPBD). Parallel dazu ändern sich Förderbedingungen und technische Anforderungen in kurzen Abständen – ein Umstand, der nicht nur private Eigentümer, sondern auch Planer, Architekten und kommunale Verwaltungen vor erhebliche Herausforderungen stellt.
Ein individueller Sanierungsfahrplan (iSFP) bringt Struktur in dieses komplexe Geflecht. Er basiert auf den anerkannten Regeln der Technik und berücksichtigt die DIN V 18599, die für die energetische Bilanzierung von Wohn- und Nichtwohngebäuden maßgeblich ist. Damit dient der iSFP nicht nur als Fördervoraussetzung, sondern als planerisches Werkzeug, das energetische, wirtschaftliche und förderrechtliche Aspekte in einem konsistenten Konzept zusammenführt.
Vom Sanierungsfahrplan zur Klimarisikobewertung
Der iSFP kann über seine klassische Funktion hinaus auch die Datengrundlage für strategische Nachhaltigkeitsbewertungen bilden. Ein zunehmend relevantes Instrument ist hierbei der Carbon Risk Real Estate Monitor (CRREM) – ein auf EU-Ebene entwickeltes Modell zur Bewertung von CO₂-Risiken und sogenannten „stranded assets“ im Immobilienbestand.
Da der iSFP bereits alle wesentlichen energetischen Kennwerte eines Gebäudes enthält – etwa End- und Primärenergiebedarfe, CO₂-Emissionen, Anlagentechnik, Sanierungsvarianten und Zeithorizonte – lässt er sich hervorragend als Input für CRREM-Berechnungen nutzen. So kann auf Basis der iSFP-Daten überprüft werden, ob ein Gebäude auf dem Dekarbonisierungspfad gemäß EU-Klimazielen liegt oder ob ein Anpassungsbedarf besteht.
Diese Verbindung aus technischer Planung (iSFP) und klimawirtschaftlicher Bewertung (CRREM) eröffnet neue Perspektiven: Sie ermöglicht es, nicht nur förderrechtlich konform zu sanieren, sondern auch die Klimarisiken eines Objekts frühzeitig zu erkennen und strategisch zu steuern.
Strategische Planung statt Förder-Zufall
Der Sanierungsfahrplan zeigt auf, welche Maßnahmen in welcher Reihenfolge sinnvoll, realistisch und technisch kompatibel sind – von der Gebäudehülle über Anlagentechnik bis hin zur Integration erneuerbarer Energien. So lassen sich Sanierungsschritte phasenweise und investitionssicher umsetzen.
Durch die Verbindung mit CRREM-Pfadanalyse entsteht zusätzlich eine Klimarisikoperspektive: Gebäude, die heute noch technisch und förderrechtlich „in Ordnung“ erscheinen, könnten in zehn Jahren regulatorisch oder marktseitig nicht mehr konform sein. Wer diese Risiken frühzeitig quantifiziert, kann Fehlentscheidungen vermeiden und Investitionen langfristig absichern.
Sanierungsmanagement als verbindendes Element
Ein entscheidender Erfolgsfaktor liegt in der koordinierten Umsetzung: Ein Sanierungsfahrplan und eine CRREM-Analyse entfalten ihren vollen Nutzen erst dann, wenn daraus ein ganzheitliches Sanierungsmanagement entsteht. Dieses umfasst die ingenieurtechnische Bewertung des Gebäudes, die Begleitung der Förderantragstellung, die Koordination der beteiligten Architekten, Fachplaner und Handwerksfirmen sowie die terminliche und technische Nachverfolgung während der Umsetzung.
So wird aus der theoretischen Planung eine konkrete Realisierungsstrategie, die alle Akteure verbindet und technische Qualität, Wirtschaftlichkeit und Förderkonformität gleichermaßen sicherstellt.
Lokale Zusatzförderung nutzen
Ein wichtiges Element in diesem Zusammenhang bildet die Zusatzförderung auf kommunaler Ebene. So etwa das Förderprogramm Klimaneutrale Gebäude (FKG) der Landeshauptstadt München: Es bietet zusätzliche Zuschüsse, wenn Maßnahmen mit der Bundesförderung BEG-EM oder BEG-WG kombiniert werden. Zum Beispiel: Für Einzelmaßnahmen an Gebäudehülle und Anlagentechnik beträgt der Fördersatz aktuell 10 % der förderfähigen Kosten gemäß BEG, wenn der Antrag ab dem 2. September 2024 gestellt wurde. Die Voraussetzung: Ein iSFP beziehungsweise eine energetische Sanierungsberatung muss vorhanden sein.
Für Planende und Eigentümer ergibt sich daraus ein klares Signal: Der Sanierungsfahrplan ist nicht nur ein Instrument für die Bundesförderung, sondern kann auch den Hebel zu lokalen Förderquoten heben. Wer frühzeitig die komplette Förderstrategie integriert – bundesweit und kommunal – verschafft sich entscheidende Wettbewerbsvorteile.
Transparenz schafft Investitionssicherheit
In einem Umfeld, das von Unsicherheit geprägt ist – sei es durch volatile Energiepreise oder häufige Änderungen der Förderlandschaft – schafft der iSFP eine nachvollziehbare Entscheidungsgrundlage. Gerade bei größeren Objekten, etwa Wohnanlagen, Verwaltungsgebäuden oder Produktionsstätten, kann dieser strukturierte Ansatz den Unterschied zwischen teuren Fehlentscheidungen und einer nachhaltigen, langfristig tragfähigen Investition bedeuten.
Die zusätzliche Auswertung nach dem CRREM-Modell erweitert diese Perspektive um eine Klimarisikobewertung, die nicht nur Investoren, sondern auch kommunale Entscheidungsträger zunehmend nachfragen. Ein durchdachtes Sanierungsmanagement sorgt schließlich dafür, dass die identifizierten Maßnahmen effizient, förderkonform und im vorgesehenen Zeitrahmen umgesetzt werden.
Fazit
Der individuelle Sanierungsfahrplan ist weit mehr als ein Förderinstrument – er ist ein strategisches Planungswerkzeug, das technische Effizienz, wirtschaftliche Tragfähigkeit und Klimarisiken miteinander verbindet. In Kombination mit dem Carbon Risk Real Estate Monitor und einem strukturierten Sanierungsmanagement entsteht ein praxisnaher Ansatz, der Planung, Förderung und Umsetzung konsequent zusammenführt.
Damit wird der Weg von der Analyse bis zur realisierten Maßnahme nachvollziehbar, transparent und zukunftsfähig – ein Ansatz, der insbesondere im professionellen Planungsumfeld neue Standards setzt.
Autor: Dmitri Berdnikow
Dmitri Berdnikow ist seit fast drei Jahrzehnten im Bauwesen tätig und verfügt über umfassende Erfahrung in der Planung und Realisierung von Großprojekten im In- und Ausland. Nach Stationen bei der TU München und der STRABAG in Wien, wo er als Schnittstelle zwischen internationalen Projektpartnern und Behörden agierte, machte er sich 2017 selbstständig und übernahm Verantwortung in komplexen Schulbauprojekten. Heute ist er als Energieeffizienzexperte und Gebäudeenergieberater tätig und verbindet technisches Know-how mit einem ganzheitlichen Blick auf nachhaltiges Bauen. Dabei legt er besonderen Wert auf zukunftsorientierte Lösungen, die Wirtschaftlichkeit, Funktionalität und ökologische Verantwortung vereinen. Kontakt: https://energiekonzeptplus.de