24. April 2024

Notre-Dame in Paris – drei Jahre nach dem Großbrand

Kunsthistoriker Stephan Albrecht von der Universität Bamberg begleitet den Wiederaufbau wissenschaftlich. 

Im Jahr 2020 war Notre-Dame von diesem Gerüst umgeben, das mittlerweile durch ein neues ersetzt wurde. Quelle: Stephan Albrecht/Universität Bamberg

Bamberg (pm) – Ein Großbrand am 15. April 2019 zerstörte große Teile der Kathedrale Notre-Dame in Paris. Seitdem arbeiten mehrere hundert Fachkräfte an dem Wiederaufbau, den Forschende wissenschaftlich begleiten, darunter Prof. Dr. Stephan Albrecht. Er hat den Lehrstuhl für Kunstgeschichte, insbesondere für Mittelalterliche Kunstgeschichte, an der Universität Bamberg inne. Als Mitglied dreier wissenschaftlicher Arbeitsgruppen war er seit dem Brand mehrmals in Notre-Dame. Die wissenschaftliche Auswertung ist momentan in vollem Gange. „In den letzten Wochen sind sensationelle Funde bei Grabungen zutage getreten, unter anderem Gräber, die möglicherweise bis in die Antike zurückreichen“, berichtet Stephan Albrecht.

Schon seit 2015 erforscht er die Pariser Kathedrale. Mit seinem Team erstellte er bis 2018 für das Forschungsprojekt „Mittelalterliche Portale als Orte der Transformation“ 3D-Scans des Querhauses. Der digitale Zwilling von Notre-Dame enthält exakte Maße, sodass die Bamberger Forschenden einen wichtigen Beitrag zum originalgetreuen Wiederaufbau leisten. Laut Stephan Albrecht hat der Brand unter anderem das gesamte Dach, den Vierungsturm und die obere Mauerkrone zerstört; Gewölbe im Querhaus sind eingestürzt, zwei Pfeiler des Langhauses beschädigt.

„Inzwischen ist der gesamte Bau innen und außen mit einer zweiten Haut von Gerüsten umgeben, die es erlauben, fast jede Oberfläche der Wände zu erreichen“, schildert Stephan Albrecht. Durch die besondere Zugänglichkeit des Mauerwerks stellte sich etwa heraus, dass der gesamte Bau schon im Mittelalter von sogenannten Metallarmierungen gehalten wurde, die die Mauern verstärken: „Ein Phänomen, das aus anderen Kathedralbauten bekannt ist, in Paris jedoch nicht in diesem Umfang zu erwarten war.“ Bei Grabungen tauchten zuletzt Gräber auf, die möglicherweise aus der Antike stammen, sowie eventuell auch Fundamentreste der ersten antiken Ostanlage der Kathedrale. „Leider muss jeder Tag für wissenschaftliche Dokumentation und Analyse dem straffen Zeitplan der Baustelle abgerungen werden“, bedauert der Bamberger Kunsthistoriker. „Es bleibt nur zu hoffen, dass durch zu große Eile nicht zentrale Befunde für immer verloren gehen.“

Stephan Albrecht selbst beteiligt sich an einem Projekt zur Westfassade, um die historisch einmalige Zugänglichkeit des Baus zu nutzen. Parallel laufen die Vorbereitungen für den Wiederaufbau. Das konstruktive Vorgehen ist bereits entschieden, die Bäume für den Dachstuhl und die Art der Bearbeitung sind bestimmt, die Verträge mit den Baufirmen geschlossen. „Mit dem Baubeginn ist im Sommer zu rechnen“, sagt Stephan Albrecht. „Das ist eine logistisch und konstruktiv einmalige Operation am offenen Herzen der Kathedrale.“

 

Pressemitteilung: Otto-Friedrich-Universität Bamberg