19. April 2024

Masterarbeit: Muss nachhaltiges Bauen teuer sein?

Muss nachhaltiges Bauen teuer sein? Dieser Frage sind Claudia Taumberger und Lukas Müller in ihrer Masterarbeit nachgegangen. Die Absolventin und der Absolvent des MAS in Real Estate Management der OST – Ostschweizer Fachhochschule kommen zum Schluss, dass sich anfängliche Mehrinvestitionen in spezifische Fassadentypen und Heizsysteme auf längere Sicht bezahlt machen. In der Branche liegt der Fokus aber oft zu sehr auf den Erstellungskosten.

Rund ein Viertel des CO2-Verbrauchs in der Schweiz geht auf Immobilien zurück. Nachhaltigkeit ist deshalb auch in der Baubranche ein allgegenwärtiges Schlagwort. Bauherrschaft, Generalunternehmungen sowie Hauseigentümerinnen und Hauseigentümer setzen sich vermehrt mit dem Thema auseinander. Dennoch schrecken viele vor vermeintlichen Mehrkosten zurück. Aber ist ein nachhaltiges Gebäude im Vergleich zu einem Bau, der lediglich die minimalen gesetzlichen Anforderungen erfüllt, wirklich teurer? Oder können gewisse Elemente wie beispielsweise spezifische Fassadentypen oder Heizsysteme finanziell sogar Vorteile bringen, selbst wenn diese einen höheren Preis haben?

Vier Szenarien berechnet

Mit ihrer Masterarbeit zeigen Claudia Taumberger und Lukas Müller auf, welche Investitionen sich auf längere Frist lohnen. «Viele wollen heute nachhaltig bauen, wissen aber nicht, mit welcher Methode und welchem Mitteleinsatz sie das beste Kosten-Nutzen-Verhältnis erreichen können», so die Absolventin und der Absolvent des MAS in Real Estate Management.

Am Beispiel eines Doppeleinfamilienhauses im Kanton Thurgau haben die beiden vier mögliche Szenarien berechnet. In diesen variieren Heizsysteme und Fassadentypen. Jedes Szenario unterzogen Claudia Taumberger und Lukas Müller einer Vollkostenbetrachtung. Diese umfasst nicht nur die Erstellungskosten, sondern auch die jährlichen Energiekosten und die Lebensdauer der einzelnen Bauteile. Dabei stellten sie unter anderem fest, dass es sich langfristig auszahlt, in eine kostenintensivere Fassade mit längerer Lebensdauer und stärkerer Dämmung zu investieren. Dasselbe gilt für eine Erdsonden-Wärmepumpe. Diese punktet ebenfalls mit ihrer Langlebigkeit und verursacht zudem deutlich geringere jährliche Energiekosten als beispielsweise eine Gasheizung.

Günstig bauen kann im Nachhinein mehr kosten

Die Hypothese der Masterarbeit lautete, dass sich Bauherren bei den Überlegungen für nachhaltige Investitionen bei einem Neubau zu stark auf die Erstellungskosten konzentrieren und dabei die zukünftigen Nutzungskosten und die Lebensdauer nicht beachten. Die Berechnungen bestätigten dies. Denn es kristallisierte sich heraus, dass ein möglichst günstig gebautes Haus im Nachhinein mehr Kosten nach sich ziehen kann – sei es durch den höheren Energieverbrauch oder einzelne Bauteile, die schneller ausgewechselt werden müssen. Dies ist bei einer nachhaltigen Bauweise weniger der Fall. Das Szenario «Nachhaltiger Energieträger» mit der Erdsonden-Wärmepumpe und dem Fassadentyp «Zweischalenmauerwerk» schnitt bei der Analyse denn auch am besten ab. Zwar betragen die Kosten anfangs rund 40’000 Franken mehr als beim Szenario «Basic», das dem gesetzlichen Minimum entspricht. Doch dafür sind die finanziellen Aufwände beim nachhaltigen Bauen im Nachhinein geringer.

Expertise weitergeben

«Die vertiefte Auseinandersetzung mit dieser Materie hat uns geholfen, das Thema Nachhaltigkeit differenzierter einschätzen zu können», erklären Claudia Taumberger und Lukas Müller. Die beiden setzen sich in ihrem Berufsalltag regelmässig mit entsprechenden Fragen auseinander, obwohl sie unterschiedlichen Tätigkeiten nachgehen. Claudia Taumberger arbeitet als Kundenberaterin Bau & Immobilien bei einer Bank. «In der Finanzbranche möchten wir unseren Beitrag zu den Energieziele des Bundes leisten und unterstützen Bauherren deshalb mit finanziellen Anreizen für nachhaltige Bauprojekte», sagt sie. Lukas Müller ist Projektleiter Hochbau. «In der Baubranche wird das Thema Nachhaltigkeit durch die derzeitige Verknappung von Rohstoffen immer dringlicher», sagt er. Der Wunsch nach unabhängiger Energieversorgung sei spürbar, was sich auch in Zukunft nicht ändern werde.

Die Erkenntnisse aus der Masterarbeit können beide in ihrem jeweiligen Berufsumfeld gut einsetzen. Ihr Ziel ist es auch, ihre Expertise an private Bauherrinnen und -herren weiterzugeben.