9. Mai 2024

Manuel Prass: Punktwolken im Alltagstest

Manuel Prass, geschäftsführender Gesellschafter von LIST Ingenieure © LIST Gruppe

Gastbeitrag – Digitale Anwendungen finden immer mehr Eingang in den Alltag von Projektentwicklern und Baufirmen. Ein Beispiel dafür sind digitale Punktwolken, mit denen sich präzise Modelle von Bestandsgebäuden erstellen lassen. Der Vorteil liegt auf der Hand: Bestände können schnell und schlank erfasst werden und so dazu beitragen, den Bauprozess weitgehend zu optimieren. Ein Schulterblick.
Digitale Anwendungen in den Alltag integrieren? Daraus einen Mehrwert für Unternehmen und Mitarbeiter:innen machen? Leichter gesagt als getan. Wer es in der Welt der Ingenieur:innen und Planer:innen trotzdem wagt, landet schnell bei den sogenannten Punktwolken, denn sie haben großes Potenzial: Sie sind in der Lage, scheinbar chaotische Daten in detaillierte 3-D-Modelle zu verwandeln – eine sehr große Erleichterung für die beteiligten Spezialist:innen.

Wie funktioniert die Technik? Es braucht einen Laserscanner, eine Drohne und ein Tachymeter. Diese Instrumente brauchen Vermesser:innen, um ein gesamtes Gebäude genauestens zu erfassen – sowohl für innen als auch für außen entsteht auf diese Weise ein präzises Bild. Der Laserscanner ist in der Lage, das Gebäude in allen drei Dimensionen zu erfassen. Dafür werden unzählige Laserstrahlen ausgesendet und die Zeit berechnet, die benötigt wird, um von den bestrahlten Objekten zurückzukehren. Jeder Punkt, der erfasst wurde, bildet ein Mini-Element für eine große räumliche Darstellung des Objekts. Alle Punkte zusammengenommen ergeben dann eine Punktwolke.

Kenner:innen wissen: Ein ähnlich präzises Bild ergibt auch der Einsatz der Fotogrammetrie-Technik. Unter Fotogrammetrie versteht man das Messen mit Bildern. Dabei werden zahlreiche Bilder mit einer Vielzahl von Geräten aufgenommen – also beispielsweise Drohnen, Flugzeuge und Handkameras. Diese Bilder ergeben präzise Modelle – auch in 3-D. Am Ende ergibt sich – entweder mit der einen oder der anderen Technologie oder einer Kombination aus beiden – eine Gesamtwolke: das präzise digitale Abbild des Gebäudes. Was früher durchaus ein Problem war, ist übrigens heutzutage kaum noch eines. Denn die Punktwolken bestehen aus riesigen Datenmengen von teils mehr als 100 Gigabyte, die in früheren Zeiten von keinem Datenträger gespeichert werden konnten.

Planer:innen können die Punktwolken dafür einsetzen, um Bestandsgebäude präzise nachzumodellieren. Der Vorteil: Durch das Abgreifen der Punkte entstehen verformungsgerechte Bestandsmodelle. Die Nachmodellierung auf Basis ungenauer Bestandspläne gehört damit der Vergangenheit an. Punktwolken können zudem alle bestehenden Gegebenheiten in nur einem Modell darstellen. Ein weiterer Vorteil lautet Zeitlosigkeit, denn das Modell kann im Laufe der Jahre immer wieder aktualisiert und ergänzt werden. Durch das Erfassen von Abweichungen liefert es eine genaue Grundlage für zukünftige Umbauten und Sanierungen, und das über Jahre und Generationen hinweg.

© LIST Gruppe

Wichtig ist: Das Punktwolken-Modell ist kein Luftschloss, es ist bereits weit über die bloße Idee hinausgewachsen. Wir wissen, dass es in der Praxis funktioniert, denn es hat den Praxishärtetest durchlaufen. Im Fall unseres Projekts wurde ein Neubaumodell an das Bestandsgebäude angeschlossen und sämtliche Umbaumaßnahmen wurden in einem Modell dargestellt. Durch die präzise Vermessung und Darstellung durch die Punktwolke war es am Ende wesentlich leichter, den Neubau an das Bestandsmodell anzuschließen.

Die Alltagsfähigkeit der Punktwolken zeigen auch, dass wir in der Projektentwicklungs- und Baubranche einen großen Vorteil gegenüber anderen Branchen haben: Viele mögliche Anwendungsfelder für Software-Lösungen liegen bereits relativ alltags- und anwendertauglich auf dem Tisch. Und damit ist bereits heute eine der wichtigsten Voraussetzungen dafür erfüllt, dass digitale Anwendungen erfolgreich sind. Denn im Endeffekt ist Digitalisierung kein Selbstzweck, sondern ein (Hilfs-)Instrument, um Abläufe schneller und effizienter zu machen, die Ergebnisse zu verbessern und die einzelnen Mitarbeiter:innen zu entlasten. Dies gilt im Übrigen auch für die KI-Anwendungen, die in den kommenden Jahren immer mehr in unseren Arbeitsalltag Einzug halten werden.

Wir sind froh, als Ingenieur:innen der LIST Gruppe den Veränderungsschritt gewagt zu haben. Seit Anfang vergangenen Jahres realisieren und verarbeiten wir nun auch inhouse Punktwolken: Das Ergebnis sind nicht nur die präzisesten Modelle, mit denen wir jemals gearbeitet haben. Sondern auch, dass der Fokus auf die Bauherr:innen und ihren individuellen Wünschen und Bedürfnissen gerichtet werden kann. Das Feedback bislang: durchweg positiv.

Gastbeitrag von Manuel Prass, geschäftsführender Gesellschafter von LIST Ingenieure