Berlin (pm) – Auf dem ehemaligen Reichsparteitagsgelände in Nürnberg befindet sich die für die Parteitage der NSDAP geplante Kongresshalle. Mit den Bauarbeiten für den 118.000 Quadratmeter großen Rundbau wurde 1935 begonnen, sie gerieten jedoch aufgrund des Krieges ins Stocken und wurden 1943 eingestellt, sodass der an das Kolosseum in Rom erinnernde Bau heute als Torso dasteht. Nun soll das monumentale Relikt, das bisher größtenteils ohne langfristige Nutzung blieb, für künstlerische und kulturelle Zwecke ertüchtigt werden. Mit der Planung des Innenausbaus wurden die Architekten von Gerkan, Marg und Partner (gmp) beauftragt.
Ideen für eine dauerhafte Nutzung des Gebäudes gab es in der Vergangenheit einige. Sie reichten von dem Entwurf für ein Fußballstadion in den 1950er-Jahren bis zu einem Einkaufszentrum in den 1980ern. Nach intensiver öffentlicher Diskussion über eine angemessene Erinnerungskultur plant die Stadt Nürnberg nun, den heute unter Denkmalschutz stehenden Torso kulturell zu nutzen. In sechs der insgesamt 16 Sektoren des Gebäudes werden Foyers, Garderoben und Gastronomie sowie Funktionsräume wie Werkstätten, Umkleiden und Proberäume des Staatstheaters Nürnberg untergebracht, die für den Spielbetrieb des zukünftig im Innenhof zu errichtenden Theaterbaus notwendig werden.
Darüber hinaus entstehen in vier Sektoren der Kongresshalle sogenannte Ermöglichungsräume mit einer Nutzfläche von mehr als 7.000 Quadratmetern: Räume, in denen Künstler:innen und Kreative arbeiten und produzieren, präsentieren und ausstellen können. Insgesamt sind Atelierräume, Werkstätten, ein Tonstudio, Bandproberäume, ein großer Tanzproberaum und zahlreiche Begegnungsflächen geplant. Der Ort wird dabei in seiner ursprünglichen Form als Rohbau belassen, die Spuren seiner Vergangenheit bleiben somit sichtbar. Ziel des Umbaukonzepts von gmp ist es, die sich wiederholenden Raumkonfigurationen des Bestandsbaus mit seinen Treppenaufgängen, Wandelhallen und Funktionsräumen mit minimalinvasiven Eingriffen in einfache und flexible Raumstrukturen zu transformieren, die für zukünftige Nutzungsszenarien offen sind.
Der Gedanke an eine kulturelle Umnutzung des denkmalgeschützten Baus entstand bereits im Rahmen der Bewerbung der Stadt Nürnberg um den Titel der Kulturhauptstadt Europas 2025. Dass diese Idee nun umgesetzt wird, steht auch im Zusammenhang mit der notwendigen umfassenden Sanierung und Erweiterung des Nürnberger Opernhauses. Denn während der auf etwa zehn Jahre veranschlagten Bauarbeiten am Stammsitz des Staatstheaters wird eine Spielstätte mit angemessenen Spielbedingungen für die Sparten Oper, Musiktheater, Tanz und Konzert benötigt. Im Dezember 2021 stimmte der Nürnberger Stadtrat für die Kongresshalle als Standort. Doch weil die Flächen für den eigentlichen Spielbetrieb – vor allem Bühne, Orchestergraben, Zuschauerraum und Orchesterprobensaal – nicht im Bestand untergebracht werden können, ist ein Ergänzungsbau erforderlich. Um den Standort dafür zu ermitteln, wurde gmp als eines von acht Büros mit einer Machbarkeitsstudie beauftragt. Auf der Grundlage dieses Gutachterverfahrens entschied sich die Stadt im Sommer 2022 für die Nordwestseite des Innenhofs. Für den dort vorgesehenen Neubau läuft derzeit die Ausschreibung für ein Totalübernehmerverfahren.
Die gemeinsame kulturelle Nutzung der Kongresshalle ermöglicht Synergien zwischen dem im nördlichen Kopfbau befindlichen Dokumentationszentrum Reichsparteitagsgelände, den Nürnberger Symphonikern, die im südlichen Kopfbau beheimatet sind, den Ermöglichungsräumen sowie dem Staatstheater Nürnberg.
Pressemitteilung: gmp · Architekten von Gerkan, Marg und Partner
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