29. März 2024

Kommentare zum Sofortprogramm für Gebäudesektor

ZIA: Die Bundesministerien sind auf dem richtigen Weg, die Ausgestaltung aber ist zentral für den Erfolg

Mit ihren Plänen fürs Sofortprogram Gebäude bedienen Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck und Bundesbauministerin Klara Geywitz nach Einschätzung des ZIA „die richtigen Stellschrauben“, um im Gebäudesektor die Emissionsmengen weiter zu senken. „Die Ministerien haben richtig erkannt, dass der Gebäudesektor nur bei gleichzeitiger Dekarbonisierung des Energiesektors klimaneutral werden kann“, so Maria Hill, die Vorsitzende des Ausschusses für Energie und Gebäudetechnik.  „Das genaue Kombinieren von ordnungsrechtlichen Vorgaben mit begleitender finanzieller Förderung ist aus ZIA-Sicht entscheidend für das Erreichen der Klimaziele“, betont sie.

Die wichtigsten ZIA-Bewertungen im Detail:

  • Gebäudeenergiegesetz (GEG)

Der ZIA begrüßt die kürzlich beschlossene Regelung des Neubaustandards EH55, bei der auf weitere Verschärfungen der Dämm-Vorschriften verzichtet wurde. Die weiter gehende Forderung: Bei der bereits angekündigten künftigen Erhöhung des Neubaustandards auf EH40-Niveau sollte die Bundesregierung den heute eingeschlagenen Weg fortführen und auch dort den zentralen Fokus auf die Einbindung erneuerbarer Energien und auf Anlageneffizienz legen.

Solardachpflicht: Die dezentrale gebäudenahe Energiegewinnung auf diesem Weg wird aus ZIA-Sicht ein wichtiger Baustein der künftigen Energieversorgung von Gebäuden sein. Denn: Bei der Photovoltaik (PV) ist es wichtig, die Situation des konkreten Gebäudes zu betrachten, anstatt einer allgemeinen Verpflichtung. Nicht jedes Gebäude eignet sich gleichermaßen für PV. Der ZIA regt an, das Thema Mieterstrom entschiedener anzugehen. Hier wurden bereits Vorschläge vorgelegt:   https://zia-deutschland.de/project/handlungsempfehlungen-mieterstrommodelle-empfehlungen-zur-praktischen-umsetzung/

  • Bundesförderung für effiziente Gebäude (BEG)

Der ZIA begrüßt die Ausrichtung der BEG auf Treibhausgaseinsparungen pro Fördereuro, das Einbeziehen von grauer Energie sowie der Betrachtung von Lebenszykluskosten der Gebäude – das sind seit langem ZIA Forderungen.

Fest steht: Der Förderbedarf ist angesichts des langen Weges zum klimaneutralen Gebäudebestand sehr hoch. Aus Sicht des ZIA ist eine Mittelausstattung von jährlich mindestens 20 Milliarden Euro bis zum Jahr 2025 notwendig, um der umfassenden Nachfrage und der Bedeutung des Themas Klimaschutz im Gebäudesektor langfristig gerecht zu werden.

Der ZIA hat umfangreiche Vorschläge für die Neuausrichtung der BEG-Fördersystematik erarbeitet: https://zia-deutschland.de/wp-content/uploads/2022/03/2022-02-25_ZIA-Position_BEG-Neue-Foerderkulisse.pdf

  • Aufbauprogramm und Qualifikationsoffensive Wärmepumpe

Der ZIA begrüßt die geplante Wärmepumpen-Qualifizierungsoffensive der Bundesregierung. Dabei sind wichtige,  grundlegende Fragen noch zu klären – wie beispielswiese die Verfügbarkeit von Wärmepumpen, die beschleunigte  Bewilligung von Förderbescheiden das Erteilen von Betriebsgenehmigungen und das Sichern von ausreichend grünem Strom.

  • Optimierung bestehender Heizungssysteme

Position des ZIA: Es ist richtig, dass der effiziente Betrieb von Heizungssystemen verstärkt in den Fokus rückt, da hier noch große Einsparpotenziale brachliegen. Denn: Die Sicherstellung des effizienten Betriebs von Heizungen ist eine schnell umsetzbare Maßnahme, die zu Brennstoffeinsparungen

Quelle: ZIA

 

BuVEG e.V.: Gebäudehülle fehlt! 

Das heute von der Bundesregierung vorgestellte „Sofortprogramm für den Gebäudesektor“ stößt auf deutliche Kritik beim Bundesverband energieeffiziente Gebäudehülle (BuVEG e.V.).

„Modernisierungen an der Gebäudehülle wie Dämmung, Fenster und Co. finden kaum Berücksichtigung, obwohl sie den Verbrauch eines jeden Gebäudes schlagartig und signifikant senken. Die Gebäudehülle außer Acht zu lassen, ist ein strategischer Fehler in Hinblick auf Verbrauchreduzierung und Klimaschutz“, sagt Jan Peter Hinrichs, Geschäftsführer des BuVEG.

Die Gebäudehülle spielt nicht nur selbst bei der Verbrauchssenkung eine wichtige Rolle, sie ermöglicht auch erst anderen Strategien wie der Wärmepumpe-Offensive ihr Gelingen: Denn ohne eine modernisierte Gebäudehülle können Wärmepumpen erst gar nicht ihre volle Wirkung entfalten. Hinrichs abschließend: „Die Bundesregierung sollte ihr Sofortprogramm dringend nachjustieren, sonst wird der Gebäudesektor weiterhin ein Sorgenkind bleiben.“

Quelle: BuVEG

 

GdW: Aktuelle Mangelsituation wird ausgeblendet – ambitionierte Maßnahmen brauchen Förderung

Die Bundesregierung hat heute ein Sofortprogramm mit Maßnahmen zur Erreichung der Klimaneutralität im Gebäudesektor vorgelegt. Das Programm enthält einige gute Punkte, beispielsweise eine kommunale Fernwärmeplanung, eine Bundesförderung für effiziente Wärmenetze und die Optimierung bestehender Heizungssysteme. Gleiches gilt für das Qualifizierungsprogramm Wärmepumpe und die angedachte Initiative für öffentliche Gebäude.

„Bei den ambitionierten Vorhaben wird jedoch die aktuelle Mangelsituation bei den notwendigen Materialien und Fachkräften für Sanierungen komplett ausgeblendet. Damit ist das Sofortprogramm mit Blick auf die Realität der vorhandenen Kapazitäten ein Vorschlag aus der Retorte. Neben dem Aufbau von Kapazitäten muss vor allem sichergestellt werden, dass die ambitionierten Maßnahmen mit ausreichend Fördermitteln durchfinanziert werden“, sagt Axel Gedaschko, Präsident des Spitzenverbandes der Wohnungswirtschaft GdW.

„Wir brauchen in Deutschland vor allem technologieoffenen, bezahlbaren Klimaschutz. Die jeweils sinnvollsten Maßnahmen sollten mit Blick auf die lokalen Gegebenheiten in den Quartieren vor Ort entschieden und ausgewählt werden können. Insbesondere bei zukunftsweisenden Konzepten wie dem Mieterstrom könnte die Koalition endlich die Handbremse lösen, so dass auch Mieter von denselben Vorteilen dezentral und erneuerbar erzeugten Stroms profitieren können wie Eigenheimbesitzer. Hier sollte die Koalition ihren eigenen Vertrag ernst nehmen und endlich mehr Fortschritt wagen.“

Fraglich ist im Sofortprogramm insbesondere, wie die geplante Wärmepumpenoffensive umgesetzt werden soll, obwohl die notwendigen Planungs- und Produktionskapazitäten derzeit nicht ausreichen. Der massive Einbau von Wärmepumpen ist jedoch die Voraussetzung für die Vorgabe, dass ab 2024 keine neuen Gasheizungen mehr zum Einsatz kommen sollen. „Wenn die Kapazitäten für die Wärmepumpenoffensive nicht ausreichen, dann wird sich das in weiter steigenden Preisen und Bauzeiten auswirken. In einem Strategiepapier inklusive Sofortprogramm lässt sich das leicht als lösbar darstellen, die Realität sieht jedoch anders aus“, sagt Gedaschko.

Das serielle Sanieren ist eine wichtige und richtige Maßnahme im Sofortprogramm, denn mit ihr lassen sich klimaschonende Sanierungen schneller und effizienter umsetzen. Die Technologie steckt allerdings noch in den Kinderschuhen. In den kommenden drei bis vier Jahren wird sich ihr Beitrag zum notwendigen Sanierungsgeschehen zunächst nur langsam von Null auf ein höheres Niveau steigern lassen.

„Wie die Bezahlbarkeit der Maßnahmen und des Wohnens für die vielen finanziell bereits stark belasteten Haushalte angesichts der ambitionierten Pläne sichergestellt werden kann, steht derzeit noch in den Sternen. Deshalb muss jetzt schnell eine verlässliche, planungssichere und auskömmliche Förderpolitik geschaffen werden. Denn eines steht fest: Wenn das Wohnen angesichts der riesigen Herausforderungen für die Mitte der Gesellschaft bezahlbar bleiben soll, dann muss gefördert werden, was gefordert wird.“

Quelle: GdW Bundesverband deutscher Wohnungs- und Immobilienunternehmen

 

Baugewerbe: Gebäudehülle und Heizungsanlagen gemeinsam in den Fokus nehmen. Verlässliche und vor allem auskömmliche Förderung notwendig.

Um die verfehlten Klimaziele bei Gebäuden und im Verkehr zu erreichen, haben heute Bundesbauministerin Klara Geywitz sowie der Staatssekrerär im Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz, Patrick Graichen, ein Sofortprogramm „Gebäudesektor“ vorgestellt. Felix Pakleppa, Hauptgeschäftsführer Zentralverband Deutsches Baugewerbe, erklärt dazu:

„Leider ist das heute vorgestellte Sofortprogramm im Vagen geblieben, mit Ausnahme der Tatsache, dass ab 1. Januar 2024 keine Gasheizungen mehr eingebaut werden dürfen. Das ist zu kurz gesprungen; die Umstellung von Heizungssystemen auf erneuerbare Energien muss Hand in Hand mit der energetischen Optimierung der Gebäudehülle gehen. Denn die Energieleistung von rein regenerativen Energien ist für ungedämmte Gebäude zu niedrig. Daher muss die weitere Ausgestaltung des Sofortprogramms auch die Gebäudehülle mit einbeziehen.

Neben den rund 20 Mio. Wohngebäuden gibt es aber auch noch einen Bestand von rund 21 Mio. Nicht-Wohngebäuden. Auch diese verbrauchen Energie für Heizung bzw. Klimatisierung. Daher sollte die Dämmung von Industrieanlagen, wie schlecht gedämmte Rohrleitungen, Armaturen und dergleichen mit in den Fokus genommen werden. Bis zu 10 % der Bauteile in Industrieanlagen sind häufig ungedämmt oder beschädigt. Hier schlummert ein riesiges ungenutztes Einsparpotential, was dem jährlichen Energieverbrauch von ca. 3,5 Millionen Haushalten entspricht. Um das zu nutzen, sind gezielte finanzielle Anreize notwendig.

Auch serielle Sanierungen werden zu keinem durchschlagenden Erfolg bei der Minimierung der Treibhausgasemissionen führen, denn die 16 Mio. Einfamilienhäuser in Deutschland lassen sich generell nicht seriell, sondern nur individuell sanieren.

Gerade angesichts der Folgen von Inflation und Energiekrise sowie steigenden Zinsen und Preisen brauchen Bauherren und Hauseigentümer jetzt Vertrauen. Ohne Planungssicherheit und verlässliche Förderungsbedingungen werden die heute vorgestellten Maßnahmen im Bereich Neubau und Sanierung nicht ausreichen, um genug Dynamik in die Sanierungswelle zu bringen und so die Treibhausgasemissionen dauerhaft zu senken. Hier braucht es angesichts der gestiegenen Baukosten eine auskömmliche und verlässliche Förderung. Leider macht das Sofortprogramm hierzu (noch) keine Aussagen.

Zudem ist mehr Initiative auf Seiten der öffentlichen Hand und vor allem der Kommunen bei der energetischen Sanierung ihrer eigenen Gebäude notwendig. Denn egal ob Schulgebäude, Turnhallen, Verwaltungsgebäude etc., der Sanierungsstau der öffentlichen Hand ist bekanntermaßen groß. Daher fordern wir, auch hier schnellstmöglich mit energetischen Sanierungen zu beginnen.

Eine alternative und zugleich für Gebäudeeigentümer bezahlbare Lösung stellen die Quartierslösungen dar, die aus Sicht des Baugewerbes mehr in den Fokus gerückt werden sollten. Entsprechende Initiativen müssten dazu in die Kommunen getragen sowie entsprechend fachlich und finanziell unterstützt werden.

Darüber hinaus könnten wir uns für private Sanierungsmaßnahmen einen reduzierten Mehrwertsteuersatz vorstellen.“

Quelle: Zentralverband Deutsches Baugewerbe (ZDB)

 

Bauindustrie: Mehr Klimaschutz durch ganzheitliche Sanierungen

Tim-Oliver Müller, Hauptgeschäftsführer der BAUINDUSTRIE, zum heute beschlossenen Sofortprogramm für den Gebäudesektor: „Die Reduzierung von CO2-Emissionen im Gebäudesektor ist die Königsdisziplin am Bau, da bewohnte und gewerbliche genutzte Gebäude in kürzester Zeit saniert werden müssen. An diesem Punkt setzen die neuen Maßnahmen des Sofortprogramms von Bauministerin Klara Geywitz und Wirtschaftsminister Robert Habeck an.  Das ist richtig. Ein wesentlicher Hebel wird die angekündigte Initiative für öffentliche Gebäude sein, damit der Staat als einer der größten Bestandshalter von Gebäuden seinen Eigenbeitrag leisten kann. Die Finanzierung, gerade auf kommunaler Ebene, kann dabei allerdings zum Nadelöhr werden.

Der erforderliche Sanierungsschub wird dann leistbar, wenn wir das Bauen konsequent transformieren. Hier setzt das Sofortprogramm auf die Potenziale der Zukunftsbranche Bau. Das bedeutet: Industrielle Produktionsmethoden durch Digitalisierung und serielles Sanieren. Gleichzeitig müssen wir weitere Treiber in den Blick nehmen, um mehr Innovation zu ermöglichen. Dies gelingt durch eine Flexibilisierung des öffentlichen Vergaberechts, eine Zusammenführung von Planung und Bau sowie die Optimierung des Zulassungswesen, um etwa neue und recycelte Baumaterialien schnell auf der Baustelle einsetzen zu können.

Klimaschutz ist eine Gemeinschaftsaufgabe, die im Gebäudebereich nur im Gleichschritt von Politik, Eigentümern, Investoren, Mietern und der Bauindustrie gelingen kann. Zur Ganzheitlichkeit gehört es, Gebäude lebenszyklusumfassend im System zu sehen. Nur echte Technologieoffenheit kann ganzheitliche Lösungen vorantreiben. Einzellösungen wie zum Beispiel Wärmepumpen in nicht ausreichend wärmegedämmten Gebäuden können sonst leicht zu teuren Energiefressern werden. Flankiert werden sollte der Ansatz zur Technologieoffenheit durch die angekündigte BEG-Förderkulisse, die Anreize zur Reduzierung von CO2 setzt und Planungssicherheit für Investoren geben muss.“

Quelle: Hauptverband der Deutschen Bauindustrie e.V.