25. April 2024

Kleine Veränderungen, große Wirkung – Ein Gastbeitrag über Nachhaltigkeit und Klimaschutz in der Bau- und Immobilienwirtschaft

Ein Gastbeitrag von Torsten Nehls, Geschäftsführer der Belle Époque Gesellschaft für behutsame Stadterneuerung mbH

Berlin (Gastbeitrag) – In der „European Smart + Green Initiative“ (ESGI) schließen sich viele Akteure zusammen, für die Nachhaltigkeit und Klimaschutz in der Bau- und Immobilienwirtschaft oberste Priorität haben. Von Produzenten, Architekten und Firmen aus der Baubranche über Projektentwickler bis hin zu global agierenden Herstellern lautet das gemeinsame Ziel, die Bau- und Immobilienbranche ganzheitlich neu zu denken.

Manchmal braucht es Veränderungen im Detail, um Großes zu bewirken. Wer mehr Klimaschutz im Gebäudebereich erreichen will, muss spätestens bei der Planung und Errichtung anfangen. Schon hier fallen derzeit noch unglaublich viele CO2-Emissionen an, es entstehen mit und durch die verbauten Materialien weltweit – vermeidbare – Milliarden Tonnen CO2.

Am Anfang einer jeden Transformation stehen Fragestellungen und insbesondere das Hinterfragen. Wie kann zum Beispiel insgesamt Betonmasse – und damit Zement – eingespart werden? Ist der Zement mithilfe erneuerbarer Energien hergestellt worden? Aus welchen Regionen und Ländern stammen die Baumaterialien? Wie hoch ist der Recycling-Anteil der Baustoffe? Es sind nur einige der Fragen, die sich jeder stellen sollte.

Und für eine Transformation ist auch die Bereitschaft notwendig, sich dafür einzusetzen. Auf der kürzlich stattgefundenen „BIGG Change“-Konferenz als Messepartner des Berliner „Greentech Festivals“ ist deutlich geworden: Viele Protagonisten – ob Architekten, Planer, Investoren, Projektierer – sind bereits auf dem richtigen Weg, die Baubranche nachhaltig neu zu denken, zu gestalten und den Klimawandel aufzuhalten!

Um das Engagement zu bündeln und Gleichgesinnte stärker in den Austausch zu bringen, wurde die „European Smart + Green Initiative“ (ESGI) gegründet. Diese Community in der Rechtsform einer Europäischen Genossenschaft soll zukünftig den gemeinsamen Gedanken, die Welt vor dem Klimawandel zu retten, vorantreiben. Neben anderen wichtigen Dienstleistungen im Sinne von ESG wird sie zukünftig zum Beispiel auch in einer hierfür vorgesehenen Akademie Informationsveranstaltungen sowie Fortbildungen anbieten.

Hierbei muss das Rad für mehr Nachhaltigkeit meist nicht in Gänze neu erfunden werden, es muss vieles an altem und neuem Wissen nur besser und nachhaltiger angewandt werden. Die in der ESGI zusammengeschlossenen Partner haben hierfür erste Grundprinzipien definiert, die für das gemeinsame Verständnis einer nachhaltigen Bau- und Immobilienwirtschaft unabdingbar sind, bevor über vieles andere wie Materialdatenbank und Rückbaufähigkeit nachgedacht werden sollte.

Prinzip I: Effizientes und nachhaltiges Planen

Allein das Optimieren von Gebäudeplanungen bringt gut fünf bis zehn Prozent mehr Nutzfläche, zum Beispiel unter anderem durch eine optimierte Gebäudegeometrie, das Weglassen oder Optimieren von Schächten und anderen Bauteilen und insbesondere auch durch schlankere und effizientere Wände. Dies alles wiederum spart Materialien ein, wodurch der Bau insgesamt leichter und teils sogar effizienter, nachhaltiger sowie preiswerter wird.

Um ein Beispiel aus der Praxis zu nennen: Idealweise wird in effizienten Wohnprojekten so geplant, dass jeder Wand und jedem Raum eine Rolle zugeteilt und so der vorhandene Raum bestmöglich genutzt wird. Eine 45 Quadratmeter große Zwei-Zimmer-Wohnung mit Diele, großem Bad und Balkon weist bei guter Planung und Ausführung in der Regel eine deutlich höhere Lebensqualität als eine 60-Quadratmeter-Standardwohnung auf. Braucht man einen schmalen, langen und somit funktionslosen Flur, oder hebt ein gutes Raumgefühl einer Diele, eines schönen Badezimmers oder eines geräumigen Balkons die Lebensqualität nicht wesentlich stärker?

Prinzip II: Regionalitätsprinzip

Weiterhin ist das Regionalitätsprinzip eine der wichtigen Säulen des ESGI-Ansatzes: Nahezu alle Materialien, welche für den effizienten und nachhaltigen Bau benötigt werden, müssen nicht von weit hergeholt werden, es gibt sie zumeist direkt vor der eigenen Haustür. In unserem Fall mit einem Umkreis von 200 Kilometern um die jeweilige Metropolregion Berlin. Das Regionalitätsprinzip spart nicht nur Energie, Zeit und Geld, sondern ermöglicht insbesondere auch dem Lkw-Fahrer einen gemeinsamen Spätnachmittag im Kreise der Familie. Auch unsere Vorfahren haben bereits vor Jahrtausenden nach diesem Prinzip gebaut, und dies aus heutiger Sicht gar nicht mal so schlecht.

Prinzip III: Weniger ist mehr – ressourcenschonender Umgang

Bereits heute steht eine große Bandbreite an gleich- oder höherwertigen Materialien, die entweder mit weniger oder grüner Energie hergestellt werden, zur Verfügung. Deren Einsatz sowie die Verwendung von nachhaltigeren und effizienteren Baustoffen, die die Verringerung von Materialmengen ermöglichen und dabei mittels regenerativer Energie hergestellt wurde und keine Bestandteile von Petrochemie-Produkten beinhalten, sind ein weiteres wichtiges Prinzip der ESGI. Hierbei geht es darum, Materialien sparsam und mit Bedacht zu verwenden und deren Einsatz durch verbesserte Rezepturen und Materialeigenschaften, insbesondere in Qualität und Menge, zu optimieren.

Prinzip IV: Lowtech statt Hightech

Zudem gilt für die „European Smart + Green Initiative“: Lowtech ist fast immer nachhaltiger als Hightech – gerade in Bezug auf das Raumklima, die Gesundheit sowie auf den CO2-Fußabdruck des Gebäudes. Wartungsarme, diffusionsoffene Bauten ohne übertriebene Haustechnik, welche regelmäßig aufwendig und teuer gewartet und ohnehin in regelmäßigen Abständen repariert oder gar ausgetauscht werden muss, sind nachhaltiger und besser, als Ideenlosigkeit in Planung und Bau mit Technologie überkompensieren zu wollen.

Gebäude werden weder ausschließlich für das Hier und Jetzt noch ausschließlich für uns gebaut. Sprich: Gute, nachhaltige Wohn- und Geschäftshäuser werden die heutige Nutzung und die heute lebenden Generationen überdauern. Deshalb sollte von Anfang an auf die sogenannte Drittverwendungsfähigkeit von Gebäuden geachtet werden. Niemand weiß, ob ein Mehrfamilienhaus in einhundert Jahren alternativ als ein Pflegeheim oder künftig als Arbeitsstätte fungieren muss. Oder ob aus einem ehemaligen Bürogebäude eine hybride Sozialimmobilie geschaffen werden soll. Es braucht nachhaltige universelle Gebäudestrukturen, welche sich in die eine oder andere Richtung um- beziehungsweise weiterentwickeln lassen können.

Es ist fünf nach zwölf! Der Handlungsdruck die Bau- und Immobilienwirtschaft neu zu deuten und in größten Bereichen zu verändern ist unendlich groß, darüber sollte man sich keine Illusionen mehr machen. Auch für den großen bedeutenden Altbestand auf diesem Planeten gibt es Lösungen, ihn mit vertretbaren Investitionen behutsam zu energetisch nachhaltigen Niedrigenergie- oder gar Passivenergiehäusern umzuwandeln. Der Anteil öffentlicher und privater Gebäude in Deutschland am Endenergieverbrauch beträgt rund 35 Prozent, dies betrifft Heizung, Warmwasser, Beleuchtung und andere Elektrizität. Bestandsgebäude sind für fast 30 Prozent des gesamten deutschen CO2-Ausstoßes verantwortlich.

Und das dicke Ende beim Klimaschutz kommt erst noch – vor allem für den Gebäudebereich. Denn im Unterschied zu anderen Sektoren, die berechenbarer in den kommenden Jahren CO2 einsparen werden, laufen wir – wenn wir nicht endlich handeln, statt nur zu reden oder zu glauben, dass sich der Andere schon kümmere – im Gebäudesektor sehenden Auges in eine Situation, in der sich klimaschädliche Emissionen quasi unkontrolliert vervielfältigen werden.

Der einfache Grund: eine drastische unaufhaltbare Ausweitung der Bautätigkeit. Allein hierzulande sollen pro Jahr 400.000 neue Wohnungen entstehen, andere Gebäudetypen oder andere Länder mit vielfach höherem Bedarf plus stetiger Bevölkerungswachstum auf unseren Planeten erst gar nicht berücksichtigt. Prognosen zufolge wird sich bis 2050 der Gebäudebestand mindestens verdoppeln. Schon jetzt entsteht jedes Jahr mehr als die Gebäudefläche New Yorks – Tendenz stark steigend.

Es ist mehr als Zeit für große Veränderungen, wie auf der diesjährigen „BIGG Change Conference“* erneut aufgezeigt wurde. Es wurden längst genügend Ideen, Konzepte sowie klimaschonende Technologien entwickelt. Diese müssen endlich in die Umsetzung gebracht werden.
Um möglichst viele Beteiligte und Akteure des nachhaltigen Bauens auf unserem Weg mitzunehmen, wird die ESGI eine Informations- und Weiterbildungsakademie mit dem Schwerpunkt „ESG in der Bau- und Immobilienwirtschaft“ gründen. Hintergrund der Gründung ist, dass unsere Initiative kein exklusiver Kreis wird, sondern auch alle Interessierten, bis hin zu Vorarbeitern und Bauleitern, informieren, aus-, fort- und weiterbilden wird. Alle in der Bau- und Immobilienwirtschaft, inklusive Nutzer, Kunden etc., müssen an Bord geholt werden. Angesprochen werden sollen insbesondere auch Studenten aus den relevanten Bereichen Architektur, Planung, Bauingenieurwesen und Facility-Management, um die Ansätze der „European Smart + Green Initiative“ effektiv und mit der gebührenden Geschwindigkeit in die Realität umzusetzen.

Fakt ist: Die Zahl der Gleichgesinnten wächst von Tag zu Tag. Die Transformation hat bereits begonnen. Die „BIGG Change“-Bewegung nimmt Fahrt auf.

*“Building Industry Goes Green Conference“

 

Ein Gastbeitrag von Torsten Nehls, Geschäftsführer der BE Group (Belle Époque Gesellschaft für behutsame Stadterneuerung mbH)

Torsten Nehls (c) Belle Époque

Torsten Nehls

Torsten Nehls wurde 1972 als Sohn einer Kaufmannsfamilie in Fulda geboren. Bereits seine Eltern waren über Jahrzehnte selbständig in der Immobilienbranche tätig. Das familiäre Unternehmen arbeitete dabei an der Projektentwicklung von Immobilien, wirkte als Bauträger, war Inhaber einer Verwaltungsgesellschaft und übernahm z.T. auch Maklertätigkeiten.

Bereits mit 17 Jahren stieg Torsten Nehls in das Familienunternehmen mit ein. Er spezialisierte sich zum Ausbilder für die Bereiche Architektur, Bautechnik und Bauphysik und schloss anschließend sein Studium der Immobilienwirtschaft ab. Torsten Nehls verfügt aufgrund seiner langjährigen beruflichen Erfahrungen über fundierte Kenntnisse in sämtlichen Bereichen der Projektentwicklung und des Projektmanagements. Besonderes Geschick sowie Weitblick entwickelt er bei der Beurteilung von Wertsteigerungspotentialen von Grundstücken und Gebäuden.

Vor 25 Jahren gründete Torsten Nehls die Belle Époque Gruppe und steht dieser seither als geschäftsführender Gesellschafter vor. Das Leistungsspektrum der Belle Époque umfasst die Gesamtpalette aller Entwicklungsphasen vom Grundstücksankauf bis zur schlüsselfertigen Herstellung der Immobilien. Umfangreiche Erfahrungen erwarb das Unternehmen beim Umbau von Gewerbe- und Spezialimmobilien zu Wohnimmobilien, dem Neubau von Wohnhäusern mit optimierten und bedarfsgerechten Grundrissen sowie einer modernen, ansprechenden Architektur. Die Belle Époque bestückt mit den entwickelten Immobilien größtenteils das eigene Portfolio. Teilweise werden die entwickelten Projekte an Kapitalanleger bzw. auch Eigenutzter veräußert.

Torsten Nehls entwickelt mit der Belle Époque verkaufsfähige und nachgefragte Immobilienprodukte in einem durch nationale und internationale Konkurrenz geprägten Immobilienmarkt.
Derzeit arbeitet die Belle Époque mit dem eigenen Team an der Entwicklung von quatiersbildenden Wohn- und Gewerbeprojekten. Wiederkehrende Planungsprozesse, neue Erkenntnisse, Vorfertigungen bzw. modulare Bauweisen sowie moderne, ökologische Baumaterialien fließen in diese Projekte mit ein. Devise: Präzision, Qualität und Beständigkeit.