26. April 2024

Kabinett beschließt Ersatzbaustoffverordnung – Kommentare

Das Kabinett hat heute die erste Novelle der Ersatzbaustoffverordnung (EBV) beschlossen. Sie ist Teil der sogenannten Mantelverordnung, die nach 15 Jahren Beratung am 1. August 2023 in Kraft treten wird. Die Bundesregierung setzt damit rechtliche Korrekturen und Klarstellungen für den Vollzug der Verordnung um.

„Es ist kein gutes Zeichen, wenn Verordnungen bereits vor Inkrafttreten novelliert werden müssen. Mehr noch: Mit der Ersatzbaustoffverordnung werden die gesteckten Erwartungen hinsichtlich der Kreislaufwirtschaft insgesamt nicht erfüllt. Vielmehr steuern wir auf einen undurchdringbaren Dschungel an Nachweisen, Rechtsunsicherheiten und unterschiedlichen Auslegungen in allen 16 Bundesländern zu, die komplett an der Baupraxis vorbeigehen. Dadurch werden nicht nur Kosten und Zeitaufwände erhöht. Ich gehe auch stark davon aus, dass künftig sogar mehr Ressourcen auf die Deponien gefahren werden als heute“, kritisiert Tim-Oliver Müller, Hauptgeschäftsführer des Hauptverbandes der Deutschen Bauindustrie.

Verantwortlich dafür ist nicht zuletzt, dass Ersatzbaustoffe bis zum Einbau weiterhin grundsätzlich als Abfall gelten sollen, mit allen abfallbezogenen Rechtspflichten wie etwa einer Anzeigepflicht für Transporte und potenzieller Genehmigungspflicht von Zwischenlagern. Eine von Bundesumweltministerin Steffi Lemke angekündigte Abfall-Ende-Verordnung, die dazu dienen sollte, die Stigmatisierung wichtiger Rohstoffe aufzulösen, liegt trotz Festlegung im Koalitionsvertrag nicht vor. „Gerade diese Stigmatisierung führt dazu, dass öffentliche Auftraggeber Recyclingmaterialien weiterhin explizit von ihren Ausschreibungen ausschließen. So kommt die Kreislaufwirtschaft im Bauwesen aber nicht voran“, so Müller.

Hintergrund:

Die neue Ersatzbaustoffverordnung setzt Änderungen um, die an der Baupraxis vorbeigehen. So sind etwa je nach Entsorgungsweg unterschiedliche und neue Analyseverfahren vorgeschrieben, die zum Teil länger als eine Woche Zeit erfordern. Für über 1700 mobile Aufbereitungsanlagen wird beispielsweise bei jedem Wechsel der Baumaßnahme erneut ein Eignungsnachweis gefordert.

Ursächlich dafür ist, dass die EBV insgesamt zu wenig am Ziel der Kreislaufwirtschaft orientiert ist. Auch weil Grenzwerte sehr niedrig festgelegt sind, werden künftig Abfälle deponiert werden müssen, die bislang noch verwertet werden könnten. Hierdurch werden Entsorgungskosten, insbesondere infolge knapper Deponiekapazitäten, weiter steigen und das Bauen weiter unnötig verteuert.

Pressemitteilung: Hauptverband der Deutschen Bauindustrie e.V.


Baugewerbe zur Ersatzbaustoffverordnung: Der entscheidende Baustein fehlt. „Verordnung zum Abfallende muss sofort kommen!“

Das Bundeskabinett hat in seiner heutigen Sitzung die Novellierung der am 01. August 2023 in Kraft tretenden Ersatzbaustoffverordnung beschlossen. Die vorgesehenen Änderungen beinhalten insbesondere Klarstellungen für den Vollzug und Aktualisierungen der Verweise auf Regelwerke. Es wurden aber auch umfangreiche Anforderungen an Güteüberwachungsgemeinschaften neu aufgenommen.

„Was aber nach wie vor fehlt, das sind klare und praktikable Kriterien zum Abfallende“, kommentierte der Hauptgeschäftsführer des Zentralverbands Deutsches Baugewerbe Felix Pakleppa die heutige Verabschiedung der ersten Novelle zur Ersatzbaustoffverordnung. „Bundesweit zu regeln, dass gütegesicherte Ersatzbaustoffe kein Abfall mehr sind, sondern hochwertige Bauprodukte – das wäre der entscheidende Baustein für eine funktionierende Kreislaufwirtschaft und die Förderung des Einsatzes von Recyclingbaustoffen in der Bauwirtschaft gewesen. Auch der Versuch, die Ersatzbaustoffverordnung durch Klarstellungen praxistauglicher für die Anwender und den behördlichen Vollzug zu gestalten, ist nicht wirklich gelungen.“

Der ursprüngliche Regierungsentwurf der Ersatzbaustoffverordnung vom Mai 2017 sah noch einige Kriterien zum Abfallende vor, die jedoch vom Bundesumweltministerium zurückgenommen wurden. Ohne eine Regelung zum sogenannten Abfallende verbleiben Ersatzbaustoffe bis zum Einbau im Abfallrecht und werden sich als gleichwertige Bauprodukte am Markt nicht durchsetzen. „Welcher Bauherr wird in seinem Bauvorhaben Recyclingmaterial verwenden, wenn er damit rechtlich gesehen Abfall verbaut? Die Akzeptanz dieser Materialien steht und fällt mit der Gütesicherung für Ersatzbaustoffe und dem daran gekoppelten Ende der Abfalleigenschaft. Das schont Ressourcen und stärkt eine nachhaltige Kreislaufwirtschaft! Dafür fordern wir so schnell wie möglich die Vorlage einer Verordnung zum Abfallende“, so Pakleppa abschließend.

Pressemitteilung: Zentralverband Deutsches Baugewerbe


„Ohne die Einstufung von Recycling-Material als gleichwertiges Bauprodukt, kommt die Kreislaufwirtschaft nicht voran“

„So kommen wir nicht weiter. Die Politik möchte zwar eine nachhaltigere Kreislaufwirtschaft im Baubereich. Mit der heute beschlossenen ersten Novelle der Ersatzbaustoffverordnung zielt sie aber am eigentlichen Problem vorbei“, ärgert sich Thomas Möller, Hauptgeschäftsführer der Bauwirtschaft Baden-Württemberg. Das Problem: Einerseits will man, dass mehr Recyclingmaterial auf dem Bau verwertet wird. Anderseits gilt dieses RC-Material auch laut neuer Ersatzbauverordnung (EBV) bis zum Einbau weiterhin rein rechtlich als Abfall und kommt deshalb kaum zum Einsatz.

Dabei erfüllt recyceltes Baumaterial, das entsprechend aufbereitet, zertifiziert und in Güteklassen eingeteilt wird, sämtliche Kriterien von natürlichen Baustoffen. Auf diese Weise könnten die Ressourcen geschont und eine nachhaltige Kreislaufwirtschaft vorangebracht werden. Die Bauwirtschaft fordert daher seit Langem, RC-Material als gleichwertiges Bauprodukt zu deklarieren und so eine höhere Akzeptanz bei privaten und öffentlichen Auftragsgebern zu erreichen.

Der ursprüngliche Entwurf der EBV sah dies auch vor, wurde jedoch vom Bundesumweltministerium zurückgenommen. Ohne eine solche Regelung zum sogenannten Abfallende gilt RC-Material aber nicht als reguläres Bauprodukt. „Welcher Bauherr ist unter diesen Voraussetzungen schon bereit, recyceltes Baumaterial in sein Gebäude einzubauen, wenn es praktisch als Abfall gilt? Die öffentliche Hand geht hier seit Jahren leider mit schlechtem Beispiel voran und schließt in ihren Ausschreibungen oft sogar von Vornherein den Einsatz von RC-Material aus“, kritisiert Möller.

Ein weiteres Problem: Da die neuen Grenzwerte für recycelte Baustoffe äußerst niedrig festgelegt sind, wird künftig noch mehr Bauschutt – der bisher verwertet werden konnte – als zusätzlicher Abfall auf der Deponie landen. Dabei reichen die Deponiekapazitäten in Baden-Württemberg schon jetzt nicht aus. Folglich werden die Transportwege immer länger, die Entsorgung immer teurer und damit auch das Bauen. Thomas Möller fordert deshalb erneut eine Überarbeitung der jetzigen Verordnung bevor sie als Teil in die sogenannte Mantelverordnung einfließt, die zum 1. August 2023 nach 15 Jahren Beratung in Kraft tritt.

Pressemitteilung: Bauwirtschaft Baden-Württemberg