Düsseldorf (pm) – Wie inszeniert man Erinnerungsarchitektur? Wie wohnt man in den Bäumen? Kann die massive Waschbetonästhetik eines Verwaltungsbaus aus den 75er Jahren eine Alternative zum Traum vom Eigenheim im Grünen sein? Wie sieht ein zeitgemäßes Vereinsheim eines Schützenvereins aus und wie wird Teilhabe von Anwohnern an der Stadtentwicklung initiiert?
Ende November 2025 verlieh der Bund Deutscher Architektinnen und Architekten BDA NRW den BDA Masters 2025 an der Hochschule Bochum. Die fünf ausgezeichneten Arbeiten zeigen überzeugende Lösungen für all diese Fragen. Den Studierenden gelang dabei nicht nur die ernsthafte Auseinandersetzung mit der gesellschaftlichen oder ökologischen Bedeutung von Architektur. Sie nutzten auch die Bandbreite architektonischer Mittel und fanden einen spannungsreichen Umgang mit Verantwortung, Experiment und Freude am Entwurf.
13 Hochschulen in NRW hatten insgesamt 30 Arbeiten für den Preis nominiert. Teilnahmeberechtigt waren Bachelor-Absolventinnen und Absolventen in den Fachbereichen Architektur und Städtebau. Die fünf Gewinner:innen erhalten je ein Stipendium von 2.000€ sobald sie ihr Masterstudium beginnen. Der mit 1.000€ dotierte „Preis der Nominierten zum BDA Masters“, den die Teilnehmer:innen aus ihren eigenen Reihen küren, ging mit Stimmengleichheit erstmalig an zwei Projekte.
JURY
Prof. Karin Damrau (Hochschule RheinMain, Wiesbaden)
Martin Halfmann (Halfmann Architekten, Köln), Juryvorsitz
Maike Holling (MS PLUS ARCHITEKTEN BDA, Münster)
Tim Scheuer (smaa.studio architekten BDA, Aachen)
Iris Willems Bender (willems.bender architektin bda, Trier)
Preisträger
TRANSFORMATION EINES ZEITTYPISCHEN VERWALTUNGSGEBÄUDES DER 1975 JAHRE
Lennart Girkes
FH Dortmund
Prof. Christine Remensperger




Lennart Girkes entwickelt in seiner Bachelorarbeit einen überzeugenden Transformationsansatz für ein charakteristisches Verwaltungsgebäude der 1975er Jahre. Anstelle des geplanten Abrisses schlägt er eine Umnutzung zu einem gemischt genutzten Wohn- und Arbeitsgebäude vor, ergänzt durch Erholungs- und Sportangebote. In einer konsequenten Weiterführung dieses Gedankens plädiert er für den Verzicht auf die vorgesehene Neubausiedlung mit Doppelhäusern zugunsten einer Aufforstung. Die Arbeit leistet damit einen substanziellen Beitrag zur Bauwende, durch Erhalt und Weiterentwicklung bestehender Bausubstanz.
Die konzeptionelle Stärke zeigt sich in der differenzierten Bearbeitung der Grundrisstypologie: Eingeschnittene Atrien bringen Licht in die tiefen Baukörper und schaffen eine großzügige Erschließungsstruktur. Gezielt ausgebildete Aussparungen stellen Außenbezüge her und generieren Räume für gemeinschaftliche Begegnung. Die prägende Tragstruktur des Bestands wird intelligent genutzt, um verschiedene Wohnungstypologien zu integrieren und private Freiräume sowie Zugangssituationen nuanciert auszuformulieren.
Die Jury würdigt insbesondere den sensiblen Umgang mit dem Bestand bis ins konstruktive Detail. Die energetische Ertüchtigung wird überzeugend gelöst: Durch das Einrücken der neuen Fassadenebene entstehen großzügige Loggien für alle Wohnungen, während die charakteristischen Brüstungselemente der Bestandsfassade erhalten bleiben.
WOHNEN MIT BÄUMEN
Rosa Menke
Hochschule Düsseldorf, PBSA
Prof. Robert Niess
Prof. Andrea Zanderigo




Eine poetische Arbeit, in jeglicher Hinsicht: Städtebaulich, konzeptionell und gestalterisch sensibel durchdacht und liebevoll von Hand gezeichnet, prägnant – in Konzept und Ausdruck.
Auf einem stillgelegten Gewerbegebiet im Krefelder Hafen entwickelt Rosa Menke in Kombination mit der Transformation des leergefallenen alten Kesselhauses einer ehemaligen Seifenfabrik ein ausdifferenziertes Wohnquartier in Holzbauweise. Die historische Substanz wird dabei zum Zentrum für vielfältige gemeinschaftliche Funktionen qualifiziert. Der Bestand wird durch zwölf Gebäudekomplexe mit Wohnnutzung ergänzt, die sich, entsprechend dem städtebaulichen Konzept, behutsam in den vorhandenen Baumbestand und die örtliche Topografie einfügen.
Die Gesamtstruktur fokussiert die harmonische Koexistenz von Baumbestand, vorhandenem Bach und Bebauung. Die außenliegenden Laubengänge dienen der Erschließung auf unterschiedlichen Ebenen. Wie Baumwipfelpfade verflechten sie Gebäude und umgebende Natur eng miteinander.
Die Gestaltung ist zurückhaltend, aber wertig, eine angemessene Geste inmitten der umgebenden Natur, die in die Bebauung bestmöglich einbezogen wird. Die innere Organisation in Form von Clusterwohnungen mit Joker-Räumen bietet nicht nur Raum für verschiedene Nutzungskombinationen von Wohnen und Arbeiten, sondern fördert darüber hinaus die soziale Durchmischung und Interaktion der Bewohner. Ein differenziert auf die Umgebung abgestimmtes energetisches Konzept ergänzt den nachhaltigen Entwurfsansatz auf vorbildliche innovative Weise.
DIE TAUBENHÜTTE
Oliver Majewski
Hochschule Düsseldorf, PBSA
V-Prof. Jan Kampshoff
Prof. Wolfgang Zeh



In Zeiten, die von Krisen, Konflikten und Zukunftsängsten geprägt sind, liefert diese Arbeit ein Plädoyer für Heiterkeit und Leichtigkeit in der Architektur.
Malerisch in die Wiesenlandschaft eingebettet, versteht sich das Taubenhaus als Gegenentwurf zur konkreten Aufgabe, ein Haus für den ortsansässigen Schützenverein zu entwickeln. Einerseits spielt die Arbeit mit der Ambivalenz der Bauaufgabe, mit unseren Vorurteilen und Erwartungen. Andererseits erarbeitet der Verfasser einen in sich schlüssigen Lösungsvorschlag, der konzeptuell und gestalterisch überzeugt.
Wo ein solches Vereinsheim womöglich störend die unangetastete Landschaft besetzt hätte, bietet diese Kleinarchitektur einen Raum, in welchem Mensch und Tier koexistieren können. Nach außen in starkem Signalrot gefasst, verbirgt das archetypische Satteldachhaus ein komplexes und gut durchdachtes Inneres. Durch eine kluge Verschachtelung und Schichtung von Innen- und Außenräumen finden Vögel und Menschen Einzug – dabei ist das Gebilde konstruktiv so geplant, dass es sich mit den ausklappbaren Läden als zugleich wandelbar und anpassungsfähig für unterschiedliche Nutzungen und Jahreszeiten erweist.
Der gut durchgearbeitete Entwurf spielt atmosphärisch und gestalterisch souverän mit unterschiedlichen Perspektiven auf die gesellschaftliche Bedeutung von Schützenvereinen. Ob das Gebäude als Ort für Tradition, Rückwärtsgewandtheit, Gemeinsinn oder Zusammenhalt gelesen wird, bleibt dabei dem Betrachter überlassen.
TRANSIT – STILLER WEG ZWISCHEN DEN ZEITEN
Nicolas Jochum
Hochschule Bochum
Prof. Katharina Feldhusen



Checkpoint Bravo war ein Unort, der auf der Autobahnroute nach Berlin passiert werden musste. Nun liegt er in einer Senke an der A115 wie eine verlassene Autobahnraststätte. Die Geschichte ist über den Abfertigungspunkt hinweggegangen. Das tut im Entwurf von Nicolas Jochum nun eine Brücke, Zentrum einer linearen Wegeachse, die Raum bieten und Distanz schaffen will, für eine Auseinandersetzung mit der deutschen Nachkriegsgeschichte.
Der Weg ist das Ziel. Seine Dimension leitet sich ab von den Ankerpunkten des Grenzübergangs Dreilinden und führt schnurgerade durch den Wald. Daran angedockt sind langgestreckte Gebäude, deren Eingeschossigkeit architektonischen und geschichtlichen Bezug auf die Barackenarchitektur der Abfertigungsgebäude nimmt.
Nicolas Jochum bezieht mit seinem Entwurf Position. Eine Position des Bewusstmachens, Reflektierens und Beobachtens. Dazu schafft sein Weg die notwendige Distanz. Die Strecke schafft den Raum, die Gebäude eine entsprechende Infrastruktur: Ausstellung, Seminargebäude, Gästehaus, Fahrrad-Hub. Dabei vermeidet der Verfasser jedes museale Zitat und lässt die Stille des Waldes sprechen.
Der Weg wird zur Erfahrung von Vergangenheit und Vergänglichkeit und nutzt seine lineare Stringenz für die Entschleunigung des Besuchers. Paradoxerweise verlieren die Gebäude hierbei ihre architektonische Relevanz, auch wenn sie in Grundrissen und Isometrien sauber durchgearbeitet wurden. Je mehr sie sich der Achse unterordnen, desto wesentlicher wird der Inhalt, nicht die Hülle.
Es bleibt offen, wo der Weg endet. Aber das ist ja das Gute daran. Wir sind noch lange nicht am Ende der Erinnerung.
DIE STADTBAUSTELLE ALS URBANE PRAXIS
Julian Krüger
Lorenz Rhiner
Alanus Hochschule
Jun. Prof. Miriam Hamel
Prof. Ragnhild Klußmann




Das Projekt „Die Stadtbaustelle als Urbane Praxis“ stellt einen gelungenen Beitrag zu einer zukunftsorientierten und partizipativen Stadtentwicklung dar.
Mit dem Konzept der Stadtbaustelle wird temporäres Bauen zum Werkzeug für kollaborative Stadtentwicklung. Der Ansatz verknüpft Partizipation, Gestaltung und Nutzung unmittelbar miteinander und ermöglicht somit eine aktive Teilhabe der Bewohner:innen am Entstehungsprozess ihres Stadtraums.
Die zentrale Fragestellung, wie Stadtplanung näher an die Nutzer:innen herangerückt werden kann, wird durch das Reallabor überzeugend beantwortet. Dabei versteht sich das Projekt als offener, fortlaufender Prozess. Die Arbeit auf dem Bonner Chlodwigplatz zeigt, wie gemeinsames Planen und Bauen neue soziale Bindungen, Verantwortungsbewusstsein und Aufenthaltsqualitäten generationenübergreifend erzeugt.
Das entstandene Stadtmobiliar wurde dabei sorgfältig entwickelt und gibt so einen kuratierten Rahmen für das Projekt. Der ressourcenschonende Umgang mit Materialien, die Wiederverwendbarkeit der Bauelemente und die Einbettung lokaler Akteur:innen verdeutlichen das Verständnis für ökologische und soziale Verantwortung.
Das Projekt leistet einen spannenden Beitrag zur Erneuerung und Entwicklung städtischer Planungskultur. Es macht deutlich, dass Stadtentwicklung nicht nur durch Pläne, sondern durch gemeinsames Tun entsteht und so die Nähe, Teilhabe und Identifikation von Bewohner:innen in Quartieren fördern kann.
Preis der Nominierten
OLYMPIA 2040
Dominik Nehring
Levien Klünder
TU Dortmund
Prof. Piet Eckert
Prof. Wim Eckert
Felix Löwin



WOHNEN MIT BÄUMEN
Rosa Menke
Hochschule Düsseldorf, PBSA
Prof. Robert Niess
Prof. Andrea Zanderigo




Quelle: B D A Nordrhein-Westfalen