3. Mai 2024

Joachim Bause über die Standarisierung der Projektabwicklung

Joachim Bause, Director Sales Central Europe, Oracle Construction & Engineering (c) Oracle

Washington D.C. (pm) – Unternehmen der Bauindustrie sitzen auf einer Fülle von Daten. Trotzdem sind viele von ihnen nicht darauf eingerichtet, die Informationen aus den Projekten, an denen sie arbeiten, zu nutzen. Häufig liegt das daran, dass sie keine adäquate digitale Strategie oder Standardisierung bei der Projektabwicklung haben. Jetzt, wo das Internet der Dinge (IoT – Internet of Things) die Möglichkeiten der Datenerfassung erweitert, ist es an der Zeit, den nächsten Schritt zu machen.

Von Joachim Bause, Director Sales Central Europe, Oracle Construction & Engineering

Die Ende 2017 von Ernst & Young (EY) unter Unternehmen entlang der Wertschöpfungskette „Engineering and Construction“ durchgeführte Studie „Global Construction and Engineering Survey“ zeigt: Nur 25 Prozent der Befragten sind der Meinung, eine digitale Strategie und Agenda zu haben. Von dieser Gruppe haben lediglich neun Prozent das Gefühl, dass sie am oberen Ende der Skala der Unternehmen stehen, die für die Digitalisierung bereit sind. Ein überraschendes Ergebnis in einer Branche, die über so viele potenzielle Projektdaten verfügt, die sie für strategische Entscheidungen nutzen könnte.

Ein schlechter Umgang mit Projektdaten und -informationen kann sich auf die Sicherheit, Qualität, Bearbeitungszeit und das Budget eines Projekts auswirken. Darüber hinaus liegt der erweiterte Wert von Projektdaten darin, was gelernt, verstanden und identifiziert werden kann. Das gilt sowohl in Bezug auf das Erkennen von Problemen bei laufenden Projekten, als auch in Bezug auf deren Behandlung, bevor sie von Bedeutung sind. Des Weiteren können Projektdaten eine kontinuierliche Verbesserung ermöglichen, indem die Erfahrungen aus früheren Projekten als Best Practice-Beispiele für das Management zukünftiger Projekte dienen.

Warum ist dies also ein Thema in der Bauindustrie?

Nic Jacobs, Business Systems Lead für Faithful+Gould im Mittleren Osten, hat die wichtigsten Herausforderungen rund um die Daten mehrfach erlebt. „Es kommt wirklich darauf an, dass Unternehmen nicht über genügend Verantwortungsbewusstsein bei der Standardisierung der Projektabwicklung verfügen. Wenn ein Projekteigner mehr als ein Projekt hat, sollte es ein Mandat geben, dass alle diese Projekte nach den gleichen Standards durchgeführt werden.“ Wenn es eine Definition für Berichte in einem Projekt gebe, dann sollte diese für alle anderen Projekte gelten. Sonst stimmten die Daten nicht überein – und es ist unglaublich schwer, die gesammelten Informationen zu analysieren und aus ihnen zu lernen.

Jacobs betont, das Problem sei darauf zurückzuführen, dass Projektdaten und -informationen nur von nachgelagertem Interesse seien. Die verschiedenen Bauphasen eines Projekts – von der Planung über die Bau- bis hin zur Fertigstellungsphase – stünden im Mittelpunkt. Das langfristige Denken ende in der Realität sehr oft mit der Fertigstellung. Die Governance-Entscheidungen rund um die Daten- und Informationsstandardisierung, insbesondere die Klarheit darüber, welche Informationen gemeldet werden und wie sie aufbereitet werden, hätten bereits vor Projektbeginn getroffen werden müssen. Vor allem aber müssten sie vorhanden sein, bevor Lieferanten und Auftragnehmer beauftragt würden.

Wie sollten Unternehmen ihre Projektabwicklung standardisieren?

„Wenn wir über ein Projekt nachdenken, lautet die erste Frage, die wir uns stellen: ‚Wie sieht die Steuerung aus?‘. Nur so kann es eine Konsistenz zwischen den Projekten geben“, beschreibt Nic Jacobs. Dann recherchiere man den Informationsbedarf der Projektteilnehmer (EIR – Employer´s Information Requirements), denn dieser beschreibe wirklich, welche Informationen sowohl vom internen Team eines Projekts als auch von den Lieferanten oder Subunternehmern benötigt würden.

Das EIR bezieht sich auf den projektübergreifenden Einsatz von Building Information Modeling (BIM) und wie diese Informationen in eine gemeinsame Datenumgebung eingespeist werden. Es sollte spezifiziert werden, welche Informationen in jedem Projekt erfasst und weitergegeben werden, von Dingen wie verwendeten Materialien bis hin zu Informationen über die Verwendung und den Zweck der einzelnen Räume oder Elemente innerhalb eines Projekts. Vom EIR sollte jeder Lieferant genau wissen, was von ihm erwartet wird.

Unternehmen, die BIM projektübergreifend einsetzen, müssen laut Jacobs einen einheitlichen Ansatz bei der Nutzung haben. Das Gleiche gilt für Geographische Informationssysteme (GIS): Jeder Kunde sollte eine klar definierte Strategie haben, wie Daten im GIS gespeichert werden und wie sie im Dashboard erscheinen. Ebenso sollten Kostenberichterstattung, Projektstrukturplan und Berichtsanforderungen einheitlich verwaltet werden. Jacobs erklärt, dass es klare KPI-Frameworks geben sollte, die unternehmensweit angewendet werden, um eine Grundlinie, eine angemessene Zielsetzung und die Messung der Zielerreichung zu ermöglichen.

Er verweist auf aktuelle Normen, die von der Industrie übernommen werden sollen, wie COBie für BIM und ESRI für GIS, stellt aber fest, dass zwischen Design und Konstruktion und der Asset-Management-Komponente noch eine Lücke besteht. Oracle hat jedoch in Deutschland an der DIN SPEC 91391 mitgearbeitet, die Spezifikationen für eine gemeinsame Datenumgebung für BIM festlegt. Ziel ist es, daraus einen international anerkannten Standard zu entwickeln.

Warum haben Unternehmen keine Standards für die Projektabwicklung?

„Die meisten Kunden hegen die Ambition zu standardisieren. Sie schaffen oft Regeln, die aus anderen Disziplinen stammen und für die Ingenieur- und Bauindustrie nicht geeignet sind, denn diese Regeln werden oftmals von Organisationen geschrieben, die keine Branchenexperten sind“, beschreibt Jacobs. „Wir haben auch gehört, dass einige Organisationen kulturelle Probleme zu überwinden haben. Und oftmals sind Standardisierungen nicht Teil der vertraglichen Anforderungen, sodass sie während der Vertragsverhandlungsphase keine Rolle spielen.“

Die EIR-Anforderungen nicht von Anfang an zu erfüllen, ist unpraktisch, denn dann kann ein Berater nicht einfach einen Bericht von dem System, das er bevorzugt, bereitstellen. Im Wesentlichen kann die Verwendung mehrerer Systeme in einem Projekt zur Erfassung von Informationen und zur Bereitstellung von Berichten die Genauigkeit und Effektivität dieser Berichte beeinträchtigen. Ein derartiger Ansatz ermöglicht daher keine zuverlässige digitale Partnerschaft innerhalb des Projekts.

Letztendlich führt diese Art von unzusammenhängendem Ansatz dazu, dass die Projektträger mit inkonsistenten Informationen konfrontiert werden. Bei einem Projekt sollten die Daten vom Planer an den Auftragnehmer und an den Facility Manager übertragbar sein. Wenn es keine Standardisierung bei der Projektdurchführung gibt, wird es sehr schwierig, ein klares Bild von einem Projekt während der verschiedenen Übergabephasen zu vermitteln. Unternehmen sind nicht in der Lage, Projekte genau miteinander zu vergleichen, um aus jedem einzelnen zu lernen oder Best Practices zu identifizieren.

„Sie werden auch nicht in der Lage sein, die Vorteile von Künstlicher Intelligenz (KI), Automatisierung oder Maschinellem Lernen (ML) zu nutzen“, betont Jacobs. „Alle diese Technologien werden als der nächste Schritt für die Bautechnologie bezeichnet. Viele Organisationen versuchen, diese Praktiken bereits heute anzuwenden, um zu versuchen, Probleme in Echtzeit vorherzusagen, bewährte Verfahren zu identifizieren und die Entscheidungsfindung über Projekte hinweg zu verbessern. Das spart letztlich Zeit und Geld und verbessert gleichzeitig Qualität und Sicherheit.“

Es gibt keinen wirklichen Grund, warum die Standardisierung der Projektdurchführung und eine solide Governance nicht projektübergreifend umgesetzt werden sollten. Die Technologie ist vorhanden und bietet Schnelligkeit, Flexibilität und Sicherheit. Es ist an der Zeit, sich von unzusammenhängenden Projektinformationen zu lösen und der Branche den wahren Wert der Daten, auf denen sie sitzen, bewusst zu machen. Im Wesentlichen müssen Daten von der Betrachtung als Haftpflichtprojekt zu einem wertvollen Vermögenswert werden, um die Projektabwicklung zu verbessern.

Pressemitteilung: Joachim Bause, Director Sales Central Europe, Oracle Construction & Engineering