Wuppertal (ab) – Herr Meßthaler, Sie sind erfolgreicher Architekt und Unternehmer. Sie haben viele ausgezeichnete Gesundheits- und Krankenhausbauten entworfen und realisiert. Sie waren Mitinhaber des renommierten Architekturbüros TMK Architekten aus Düsseldorf, das im Jahr 2013 mit der amerikanischen HDR Inc. fusionierte, die weltweit zu den besten Planungsgesellschaften zählt. Ihrer Heimatstadt Wuppertal sind Sie immer treu geblieben.
Wie haben Sie zur Architektur gefunden?
Guido Meßthaler: Ich habe schon früh die Liebe zur Architektur entdeckt. So mit 10/11 Jahren saß ich in an meinen kleinen Schreibtisch in meinem Zimmer und habe mit einem Bleistift mein Traumhaus entworfen. Als ich 13/14 Jahre alt war wusste ich: Ich möchte Architekt werden. Als Schüler habe ich in den Ferien bei einem Architekten gearbeitet und gezeichnet. Nach meinem Abitur studierte ich an der RWTH Aachen Architektur. Während des Studiums arbeitete ich in verschiedenen Architekturbüros, mit 22 Jahren sogar in einem New Yorker Architekturbüro für Krankenhausbau. Der Architekt sagte damals zu mir: „Fahr mal raus, wir müssen ein Vordach für ein Krankenhaus planen“. Diese Arbeit und Zeit hat mich geprägt und da dachte ich das erste Mal Krankenhausbau, das könnte interessant sein.
Eine schicksalhafte Begegnung prägte mich in meinem Leben. Die Begegnung mit dem Architekten Gerhard Thiede. Er gründete 1959 das Architekturbüro Thiede in Düsseldorf, 1981 kam ich dazu und wurde 1989 Partner und 1991 Mitinhaber des „Architekturbüros Thiede, Meßthaler und Partner“. „Jetzt machen wir was daraus“ war unsere Devise und wir arbeiteten mit unseren später ca. 200 Mitarbeitern und meinen Co-Inhabern Harald Klösges, Michael Keitel und weiteren Partnern am Erfolg des Büros. Gerhard Thiede war ein großartiger Mensch, durch ihn bin ich letztlich zum Krankenhausbau gekommen. Wenn sie sich einmal mit Krankenhausbau beschäftigen, lässt sie das nicht mehr los, weil es spannend ist.
In einem Krankenhaus wohnen und arbeiten viele Menschen auf Zeit. Ein Krankenhaus ist ein funktionell komplexes Gebilde, es ist einmalig. Ein Krankenhaus ist wie eine kleine Stadt oder ein Schiff, hier muss alles optimal aufeinander abgestimmt sein. Im Zentrum steht immer der Mensch als Patient, Besucher, Arzt oder Mitarbeiter. Der Architekt schafft ein stimmiges, harmonisches Bild für Menschen und deren Umgebung.
Bei wem haben Sie studiert?
Guido Meßthaler: Zwei Architekten haben mich während meines Studiums beeindruckt. Zum einen war das Wolfgang Döring. Er hat Baukonstruktion an der RWTH Aachen gelehrt. Zum anderen hat mich Gottfried Böhm, Professor für Stadtbereichsplanung und Werklehre fasziniert. Ich werde nie vergessen, wie er mit mir meine Diplomarbeit besprach und währenddessen in Ruhe Fassadenskizzen mit einem Kohlestift anfertigte. Er hatte eine unglaublich menschliche Dimension an sich, so unprätentiös, das mag ich sehr gern.
Welchen Herausforderungen müssen sich zukünftig die Gesundheitsbauten stellen?
Guido Meßthaler: Gesundheitszentren leisten sehr wichtige Arbeit. Ständig fortschreitende Entwicklungen hinsichtlich Medizin- und Arbeitswelten auch Künstliche Intelligenz und Electronic Health im Gesundheitswesen muss der Architekt in seine Arbeit mit einfließen lassen. Aus aktueller Sicht muss man sich fragen: Was können und müssen wir Architekten aus Corona lernen? Die Gesundheitsbauten sind aus meiner Sicht in Teilen baulich und technisch nicht auf Corona eingestellt.
Aus der derzeitigen pandemischen Situation kann man lernen, dass in Zukunft Viren eine entscheidende Bedeutung haben werden. Wir müssen mit solchen Situationen rechnen und die richtigen Antworten bereits in der Raumprogrammauslegungen finden. Ich habe hier noch keine Lösung, aber Klinikbauten müssen sich ständig an Veränderungen anpassen lassen. Beispielsweise müssen Innenwände in wesentlichen Teilen so gebaut werden, dass man diese bei Bedarf herausnehmen kann, ohne aufwendige statische Berechnungen durchführen zu müssen. Wir müssen uns in der Architektur dieser dynamischen Zeit anpassen und das Gebäude als lebenden Organismus begreifen, der sich wie die Haut ausdehnen oder verkleinern kann immer unter Berücksichtigung der menschlichen Bedürfnisse und Empfindungen. Denn der Mensch ist letztlich das Maß aller Dinge.
Welche interdisziplinären Faktoren beeinflussen die Architektur von Gesundheitsbauten?
Guido Meßthaler: Als Architekten haben wir die Aufgabe, den Menschen in eine positive Grundstimmung zu versetzen, mit allem was uns zur Verfügung steht. Krankenhäuser müssen interaktive Zonen der Begegnungen und Kommunikation ermöglichen. Tageslicht durchflutete Räume und ansprechende Farb- und Materialauswahl beeinflussen das Wohlbefinden positiv und identitätsstiftend. „Healing architecture“ ist einer der zentralen planerischen Ansätze.
Das Thema Nachhaltigkeit hat auch Auswirkungen auf den Gesundheitsbau. Wir planen mit Materialien, die einen langen Lebenszyklus haben und eine gute CO2 Bilanz aufweisen. Früher hat man Holzfenster eingesetzt, die man aber schlecht desinfizieren konnte, dann kam man zu Aluminiumfenstern, die man gut desinfizieren kann, die wiederum eine schlecht CO2 Bilanz aufweisen. Die Beschäftigung mit der Auswahl gesunder, ressourcenschonender und nachhaltiger Materialien muss weiter gehen. Thomas Rau, ein innovativer Architekt, schafft aus Abrissmaterial etwas Neues. Der Materialkreislauf muss viel stärker im Bau berücksichtigt werden. Das zu erwähnen, ist mir gerade gegenüber jungen Kollegen sehr wichtig.
Ich habe mich einmal als persönliches „Experiment“ notfallmäßig in ein Krankenhaus einliefern lassen. Ehrlich gesagt, ich war einigermaßen entsetzt. Da ich gesund war, konnte ich alles genau beobachten. Ich wollte den Prozess als Architekt erleben. Auf der fahrbaren Trage wurde ich von der Liegendanfahrt über Kopfsteinpflaster ins Gebäude gebracht und im inneren über die Dehnungsfugen geschoben. Ich dachte nur, zum Glück habe ich keine Kopfverletzung. Liegend an die Decke blickend habe ich einen „Lampenschock“ bekommen und das „Ödland“ von Deckspiegeln wurde mir bewusst. Bettlägerige Patienten schauen unter Umständen den ganzen Tag an die Decke. Ein derartiger Anblick ist alles andere als mobilisierend und dem Wohl des Patienten und Personals zuträglich. Als Architekt biete ich wechselnde Bilder an den Decken an.
Erzählen Sie uns die Geschichte zu dem Gebäude, das Ihnen besonders am Herzen liegt.
Guido Meßthaler: Jedes Projekt ist spannend, ob groß oder klein. Als Architekt hat man eine hohe Verantwortung und es ist ein respektvoller Umgang mit allen Beteiligten erforderlich.
Ein großartiges Projekt für mich war sicherlich der Neubau des Schwarzwald-Baar Klinikums in Villingen-Schwenningen gemeinsam mit Vögele-Architekten. Es wird auch das „Klinikum des Lichts“ genannt. Hier haben die Menschen den Blick auf den Schwarzwald und die Alpen. Mit großen Fenstern haben wir mit viel Licht das Äußere nach innen geholt. Es gibt hier elf Innenhöfe und keine dunklen Flure. Das Projekt war eine große Herausforderung, die wir mit allen Beteiligten aus Land, Kreis und Stadt sowie einem fantastischen Bauherrn bestens zum Erfolg geführt haben.
Das Mathias-Spital Rheine hat mich auch begeistert und ist das genaue Gegenteil des Schwarzwald-Baar Klinikums. Wir haben denkmalgeschützte Gebäude aus den Anfängen des letzten Jahrhunderts vor uns gehabt. Gerhard Thiede hat den damals ausgelobten Wettbewerb für den Neubau des Krankenhauses gewonnen. Aus finanziellen Gründen konnte dieser nicht realisiert werden. Stattdessen wurde der Auftrag dahingehend geändert, dass die vorhandene Klinikanlage für die nächsten Jahrzehnte am Standort weiterentwickelt werden sollte. In den vergangenen vier Jahrzehnten ist unter Würdigung des Denkmalschutzes ein attraktives und modernes, für die Zukunft gut gerüstetes Klinikum als Modellprojekt des Landes Nordrhein-Westfalen entstanden. Der Bauherr war unglaublich dynamisch und zukunftsorientiert.
Was verbindet Sie mit Ihrer Heimatstadt Wuppertal am meisten?
Guido Meßthaler: In meiner Geburts- und Heimatstadt habe ich ebenfalls viel bauen dürfen. Es ist nicht nur meine Heimat, sondern auch mein ruhender Anker. Die Stadt hat einen unglaublichen Charme mit viel Grün eingebettet in das Bergische Land und einem großen zusammenhängenden Villenviertel denkmalgeschützter Gebäude mit einem wunderschönen architektonischen Ambiente. Wuppertal hat mich in seinen Bann gezogen.
Wie lautet Ihr Wahlspruch?
Guido Meßthaler: Nichts ist so beständig wie der Wandel.
Vielen Dank für das Interview.