4. Mai 2024

INGBW-Umfrage zu öffentlichen Vergabeverfahren: Preis spielt bei Vergabe entscheidende Rolle

Berlin (pm) – Die Honorare für Planungsleistungen müssen sich spätestens seit Einführung der neuen Honorarordnung für Architekten und Ingenieure (HOAI) nicht mehr in einem festen Preisrahmen bewegen. Eine Umfrage unter den Mitgliedern der Ingenieurkammer Baden-Württemberg zeigt, dass in öffentlichen Vergabeverfahren der Preis für den Zuschlag inzwischen die entscheidende Rolle spielt.

Die Umfrage, an der sich im vergangenen Sommer rund 150 Kammermitglieder beteiligten, hatte zum Ziel, mehr Klarheit über die aktuelle Vergabepraxis in öffentlichen Vergabestellen zu schaffen. Die Mitgliederbefragung belegt, dass sich die negativen Entwicklungen bei öffentlichen Vergabeverfahren seit dem hinfälligen Preisrahmen in der HOAI verfestigt haben. Obwohl sich Vergabestellen zur HOAI bekennen, scheint sich vielerorts ein Preiswettbewerb bei der öffentlichen Vergabe von Planungsleistungen zu etablieren. So gab die deutliche Mehrheit der Befragten an, dass bei der Teilnahme an öffentlichen Vergabeverfahren in über 70 Prozent der Fälle der Preis für die Entscheidung ausschlaggebend ist. In den Freifeldern war oft zu lesen, dass die Honorare bei der Vergabe zwar nicht übermäßig hoch gewichtet würden. Jedoch sei letztlich – bei ähnlichen Punktzahlen der Bewerber bei den übrigen Eignungskriterien – der Preis für den Zuschlag trotzdem ausschlaggebend.

Preisnachlässe unterhalb der Basisätze der HOAI werden erwartet

Häufig moniert wurde von den Umfrageteilnehmern auch, dass in den meisten Angebotsunterlagen Felder für Pauschalnachlässe vorhanden seien und viele Angebote weit unter den Basissätzen der HOAI vergeben würden. Mehrfach war die Rede von Sätzen, die 30 Prozent unterhalb der Basissätze lägen. Diese Aussagen werden auch von den Umfragezahlen gestützt: 52 Prozent der Umfrageteilnehmer gaben an, dass sie bei den Vergabeverfahren sehr deutlich den Eindruck hätten, dass Preisnachlässe unterhalb der Basisätze der HOAI erwartet würden. Weitere 30 Prozent gaben an, dass man diesen Eindruck zumindest bekommen konnte. Der Druck auf die Teilnehmer öffentlicher Vergabeverfahren, unterhalb der angemessenen HOAI-Sätze zu kalkulieren, ist offenbar groß.
INGBW-Präsident Stephan Engelsmann gab zu bedenken: „Der von Auftragnehmer und Auftraggeber gleichermaßen gewünschte Leistungswettbewerb findet in der Praxis nur teilweise statt – das bestätigen die Umfrageergebnisse. Die zwangsläufige Folge ist ein baukultureller, bautechnischer, ökonomischer und ökologischer Qualitätsverlust. Denn die Planerinnen und Planer bleibt ja nichts anderes übrig, als auf eine unauskömmliche Vergütung mit einer für den Auftraggeber oft nicht erkennbaren Reduzierung der Planungsleistung zu reagieren.“

Vergabekriterien oft unpassend und Aufwand zu hoch

Ein bekanntes Problem, das in der Umfrage vielfach bemängelt wurde, ist die fehlende Praxisnähe der öffentlichen Vergabeverfahren. Zu schematisiert und mit unpassenden Eignungs- und Zuschlagskriterien versehen, würde es den Ingenieuren teils unmöglich gemacht, an Vergabeverfahren aus ihrem ureigenen Kompetenzbereich teilzunehmen. Die Verfahren erschweren würden dem Teilnehmerfeedback nach auch die vielen verschiedenen Vergabe-Plattformen, die einen zu hohen Aufwand in der Bearbeitung der Bewerbungsformulare verursachten. Wo die Digitalisierung eigentlich Erleichterung schaffen sollte, bewirkt sie bei der E-Vergabe offenbar das Gegenteil. Über die Hälfte der Befragten betrachteten den Aufwand bei Vergabeverfahren als überhaupt nicht angemessen und fast ein Drittel als eher nicht angemessen. Zudem wünschten die Teilnehmer mehr Transparenz bei der Begründung der Zuschlagsentscheidung.

Laut Präsident Engelsmann gelte es nun, mit den Erkenntnissen aus der Umfrage zusammen mit den Kammern und Verbänden im Planungs- und Bauwesen erneut das Gespräch mit den öffentlichen Auftraggebern zu suchen. „Die öffentlichen Auftraggeber bei der Vergabe im Sinne der Qualität und des Leistungsgedankens zu unterstützen und zu beraten, ist die Aufgabe der Planerinnen und Planer. Wir benötigen ein an übergeordneten gesellschaftlichen Zielen orientiertes Qualitätsdenken in Bezug auf Ingenieurleistungen“, so Engelsmann.

Zu den Umfrageergebnissen: www.ingbw.de/fileadmin/pdf/ingkamm/Daten/Ergebnisse.pdf

 

Pressemitteilung: Ingenieurkammer Baden-Württemberg