29. März 2024

Healthcare Architecture: Das Krankenhaus steht vor einer Revolution

Covid-19 und die Zukunft der Healthcare Architecture

Klinikum Klagenfurt Eingangshalle © Hertha Hurnaus

Wien (pm) – Wir leben in einer Pandemie. Seit einem Jahr. Weltweit. Wir hören und sprechen täglich von einem hinterhältigen Virus und Fallzahlen, von Intensivbetten und Triage, von verschobenen Operationen und Behandlungen, von ersten Impfungen und weiteren Lockdowns – und social-distancing – weil, ja, weil Corona. Für eine Pandemie ist keine Gesellschaft und kein Krankenhaus dieser Welt vorbereitet. Muss es das? Oder ist die Frage vielmehr, werden sich Krankenhäuser durch die Erkenntnisse und die Erfordernisse der aktuellen Gesundheitskrise in Zukunft verändern, verändern müssen? Welche Zukunft nehmen wir vorweg? Und: Wie antwortet die Architektur auf diese Krise?

Als im Jänner 2020 im chinesischen Wuhan binnen Tagen zwei „Not-Krankenhäuser“ so groß wie zwanzig Fußballfelder errichtet wurden, war nur eines wichtig: Die Isolation und Versorgung von Covid-19-Erkrankten bei maximalem Schutz des Personals. In Norditalien mussten Ärzteschaft, Erkrankte und Angehörige kurze Zeit später erfahren, was passiert, wenn die Intensivversorgung nicht ausreicht und Patienten triagiert werden, also ausgewählt wird, wer (noch) versorgt wird und wer nicht. Inzwischen ist die Welt mit weiteren Corona-Wellen und neuen Virusmutationen konfrontiert, und die Intensivversorgung sieht sich unvorhersehbaren Zahlen gegenüber. Werden wir nach der Krise also ganz andere Krankenhäuser bauen?

Social Distancing versus reale Interaktion

Seit fast einem Jahr leben wir in einem seltsamen Vakuum, mit einer diffusen Bedrohung und mit einem Defizit sozialer Kontakte. Erwünschter Habitus ist die Vermeidung bzw. Reduzierung sozialer Interaktion. Alles kein Problem, leben wir doch im Zeitalter digitaler Räume. Im Oktober 2020 fand Rem Koolhaas – Mitgründer und Partner des Architekturriesen OMA in Rotterdam (Office for Metropolitan Architecture) zum Spannungsfeld von Digitalisierung und sozialer Vermeidung treffende Worte. „Paradoxically, the current pandemic and concurrent digital acceleration, demonstrate the need for spaces conceived for human beings to interact.“ Und zwar persönlich und nicht über Bildschirme, als unverzichtbares Grundbedürfnis (psychosozial) gesunder Gemeinschaft und Kollaboration.

In den Krankenhäusern ist der Zutritt seit Covid-19 empfindlich eingeschränkt, eine Registrierung und Vor-Abklärung sowie Temperaturmessen sind erforderlich. Besucher kommen nur schwer zu ihren Angehörigen, die diese für den Heilungsprozess aber dringend benötigen ­– oder sich u.U. sogar verabschieden müssen. Wie sieht dieses Spannungsfeld in der Zukunft aus? Brauchen wir eine Healthcare Architecture, die beides bereithält, eine schnelle Absonderung bzw. Isolation von hoch infektiösen Patienten und gleichzeitig möglichst rasch, wieder zu verbindende Funktionseinheiten – etwa um kleine Einheiten mit großen (wieder) zusammenzuführen, um möglichst schnell zu trennen bzw. zu schließen bei Infektionsgeschehen und um dann rasch aufzumachen für andere Bedürfnisse im alltäglichen Klinikbetrieb?

Die Herausforderung der Zukunft: Infektionsgeschehen

„Covid-19 war nur der Anfang, es ist ein Schuss vor den Bug, die Infektionsgeschehen nehmen zu. Wir werden mehr dezentrale, niederschwellige Erst-Anamnese-Zentren brauchen zur Abklärung von Infektionssymptomen und eine fixe Notfall-Triage im Sinne einer Priorisierung von Behandlungen weg vom Container im Krankenhaus,“ nennt Andreas Frauscher, Architekt und Krankenhausplaner von Architects Collective in Wien, einige wesentliche Punkte veränderter Krankenhausstrukturen. Die WHO rechnet in den nächsten Jahren mit rund siebzig neuen Erregern, die über eine Tier-Mensch-Übertragung global auftreten könnten.

„Eventuell wird es eine Erst-Anamnese geben zur Abklärung wie dringend ein Notfall ist, als gängiges Standardprozedere mit separaten Eingängen – wie sie für Kinder beispielsweise existieren – und mit Schnelltestverfahren, bevor man überhaupt in ein Krankenhaus hineinkommt“, so Frauscher. Auch Antibiotika-Resistenzen und multiresistente Krankenhauskeime – deren Auftreten, Ausbreitung und Abwehr nachweislich in einer Wechselwirkung mit der Bauweise und den Materialien von Spitälern stehen – stellen ein zunehmendes Problem dar, hier müsse ebenso rasch identifiziert und isoliert werden. „Diese Themen werfen große Spannung bzw. Konflikte auf zwischen offenen Raumkonzepten einerseits und einer wirksamen Isolierung andererseits“, ergänzt Frauscher.

Das Krankenhaus im Spannungsfeld von Medizin, Wirtschaft und Politik

Krankenhäuser sind heute höchst komplexe Gebäude, die unterschiedlichste Funktionen unter einem Dach erfüllen. Der reibungslose Ablauf vielfältiger Behandlungen einerseits und eine angenehme Atmosphäre für Patienten und Personal andererseits müssen gewährleistet sein. Die Kassen im Gesundheitswesen allerdings sind knapp, der Ärzte- bzw. Personalmangel nimmt zu, die Vorgaben für eine öffentlich getragene Versorgung sind eng. Gleichzeitig gibt es viele neue medizinische, finanziell aufwendige aber notwendige Errungenschaften und Möglichkeiten – und damit hohe Erfordernisse in der Planung. Der Trend in der Patientenversorgung geht zu verkürzten Aufenthalten und ambulanter Therapie, soweit die heutige Realität. Ein Spagat zwischen Kosten und Nutzen.

Bauten im Gesundheitswesen stellen Architekten und Ingenieure vor ganz besondere Herausforderungen. Hanna Viergutz schrieb 2018 während ihres Doktorats im Rahmen einer Forschungskooperation zwischen der RWTH Aachen und HDR – eines der weltweit größten Architekturbüros, Krankenhäuser seien „besonders komplexe, infrastrukturelle Gebäude, die Funktionalität, Effizienz und Design bestmöglich miteinander verbinden müssen. Dabei haben sie den Ansprüchen von Medizinern, Patienten und Besuchern genauso gerecht zu werden, wie dem hochdynamischen Wandel medizinischer Forschung und Technologien. Gleichzeitig steigen die wirtschaftlichen Herausforderungen für einen effizienten Krankenhausbetrieb.“

„Die Strategien für die Zukunft des Bauens im Gesundheitswesens liegen nur zum Teil im direkten Zugriff des Architekten. Die Rahmenbedingungen werden von Politik, Krankenkassen, Betreibern und Investoren gesteckt. Oft muss erst das Bewusstsein für eine übergeordnete Zielplanung geschaffen werden. Im besten Falle genießt der Architekt als externer Berater und Moderator in dieser Planungsphase alle Freiheiten, die gesetzten Entwurfsprämissen neu zu formulieren,“ weiß Richard Klinger, CEO von Architects Collective Wien, er zeichnete für den Masterplan des Klinikums Klagenfurt verantwortlich und kennt das konfliktträchtige Spannungsfeld divergierender Interessen durch unzählige Teilzuständigkeiten und Kontrollen aus seinem Alltag als Architekturplaner.

„Wir müssen die richtige Balance bei den Zielen Qualität, Wirtschaftlichkeit und Versorgungssicherheit finden,“ schreibt der Präsident der deutschen Krankenhausgesellschaft, Gerald Gaß im Sommer 2020 im Positionspapier über die wesentlichen Lehren aus der Pandemie für gute Krankenhauspolitik. „Wir benötigen bedarfsgerechte Personalausstattung, eine nachhaltige Investitionsfinanzierung, die Weiterentwicklung der Vergütungssysteme und das Ausschöpfen der Potentiale der Digitalisierung.“

Die Evolution des Krankenhauses

Ein kurzer Rückblick zeigt: Ursprünglich war das Spital ein Ort der Mildtätigkeit. Im Hospicium, dem Tempel oder auch dem Kloster, wurden Arme versorgt, während Reiche zuhause operiert und gepflegt wurden. Über die Jahrhunderte entwickelte sich das Krankenhaus zunehmend rasant zu einem Ort technischer Innovation und Forschung, zu einer „healing machine“, mit der Entdeckung der Röntgenbilder bis zu heutiger bildgebender Diagnostik und State-of-the-Art Behandlungen wie minimal-invasiver Mikrochirurgie, zu einem Ort medizinisch-technologischer Einrichtung und Autorität – die Arme und Reiche in entwickelten Ländern gleichermaßen aufsuchen.

Heute haben wir es überdies mit einem Business zu tun, Ärzte sind Dienstleister und Stakeholder, Patienten sind Kunden. Die tragische Ironie im 20. Jahrhundert bereits war, je mehr der Krankenhausbau mit innovativen Prozessen mithalten wollte, desto schneller wurden diese obsolet. Das Krankenhaus selbst leidet an der zunehmend kürzer werdenden Lebensdauer einer zeitgemäßen Ausführung. Experten sprechen von Erneuerungszyklen zwischen fünfzehn und dreißig Jahren. Und nun wo chronische Erkrankungen gefährliche Infektionskrankheiten abgelöst haben, taucht ein neuer game changer auf. „Hospitals that were built in the 1950s or 1960s were conceived to respond to certain population needs, for example, to cope with diseases like tuberculosis. They then had to adjust to cope with chronic conditions and increased population sizes. Then came COVID-19 and shook things up,” schreibt Anja Borojevic, Krankenhaus-Beraterin der WHO in Italien.

Demographie und Technologie erfordern mutige Vision

Auch die Bevölkerung ändert sich weiter rasant, die Babyboomer treten in absehbarer Zeit in den Ruhestand. In den 1960ern standen in Österreich einem Rentner sechs Erwerbstätige gegenüber, heute sind es drei, 2040 werden es nur noch zwei pro Rentner sein, die erwerbsfähige Bevölkerung altert mit steigendem medizinischen Bedarf. Ein schrumpfender Anteil Jüngerer stemmt deren Versorgung, wir benötigen immer mehr Behandlungen für Krankheiten, mit denen wir weiterleben können, an denen wir nicht mehr sterben müssen. Diese Entwicklung und die technologischen Umwälzungen kollidieren nun mit neuen Infektionsgeschehen, und die heutige Gesellschaft dient nicht mehr als Referenz für das Krankenhaus der Zukunft: Stehen wir vor einer Revolution?

Wie denken wir das Krankenhaus der Zukunft, wie können wir es bei heutigem Wissensstand – überhaupt denken? Wer sind die Protagonisten? Mensch oder Maschine, Behandlung oder Prävention? Hightech-Technik oder No-tech-Empathie? Trennen wir noch zwischen Patienten und Personal – brauchen wir eine viel größere, mutigere Vision? Eine Vision, die mit transdisziplinärem Denken Raumordnungen, Wegebeziehungen und das Organisationskonzept Krankenhaus grundlegend auf den Kopf stellt: Könnte das Hospital wieder ein Ort der Gastfreundschaft sein? Könnte das Spital der Zukunft ein Ort der Kollaboration sein? Zum Rasten und Austauschen? Mit einer Aussicht? Ein Ort des Zusammenlebens und der Geselligkeit? Ein Ort in der Stadt? Oder vielleicht auch eine Stadt in sich selbst? Allgegenwärtig?

Das Krankenhaus der Zukunft will mehr als ein Spital sein. Was früher Orte wie Kirchen und Museen als Räume des Zusammenlebens erfüllten, könnte die Klinik der Zukunft als öffentlicher Raum der Interaktion sein, omnipräsent und in konstanter Veränderung. Kurt Sattler, Gesellschafter von Architects Collective, hat die Vision einer Klinik der Zukunft in erster Linie als Ort der Zusammenkunft, der offen ist und Platz hat, mit viel natürlichem Licht und Bezug zur Außenwelt und zur Natur, ein Ort maximaler Flexibilität. Und ein Ort des Wohlbefindens mit schönen Verweil- und Grünräumen, die die Trennung zwischen Patienten, Angehörigen und Personal maximal aufheben, weil diese an diesem Ort des Gesundwerdens nur gemeinsam und untrennbar voneinander existieren und interagieren können. „Das `Haus der Kranken´ hat ausgedient. Die Zukunft braucht eine moderne Klinik.“

Expertise im Gesundheitswesen: Trennung und Verbindung gleichzeitig

Carolina Lohfert Praetorius, internationale Planungsexpertin für Gesundheitsbauten in Dänemark, ist überzeugt, „dass aus der Pandemie ganz wesentliche Einflussfaktoren für den Krankenhausbau der Zukunft abgeleitet werden können. Kennzeichnend ist, dass Behandlungs- und Pflegekapazitäten flexibel ausgeweitet oder reduziert werden müssen.“ Daraus ergeben sich neue Planungsprinzipien wie „maßgeschneiderte gesundheitspolitisch geprägte Strukturen“, die etwa „isolierte Einzelkliniken“ durch „anpassungsfähige und flexible bauliche Lösungen“ ersetzen und „sich jederzeit an sich ändernde medizinische Aufgaben und Kapazitätsanforderungen anpassen lassen.“ Den Weg einer radikalen Umstrukturierung der Krankenhauslandschaft geht Dänemark bereits seit einigen Jahren: Wenige hochkomplexe „Superkrankenhäuser“ bei gleichzeitig flächendeckender Grundversorgung nah bei den Menschen: Der Hausarzt agiert als Gatekeeper zu Fachärzten und Krankenhäusern.

Jedes zukünftige Krankenhausprojekt brauche überdies ein konkretes Pandemie-Szenario. „Besondere Aufmerksamkeit verlangen die logistischen Anpassungen, sie betreffen besonders die Fragen, wie die Patienten zum Krankenhaus und im Krankenhaus geleitet werden, sodass eine Trennung der Patientenströme bei Infektionsverdacht sichergestellt werden kann“, so Lohfert Praetorius, und weiters gibt sie zu bedenken, „die Erkenntnisse aus der Pandemie für die Struktur des gesamten Gesundheitswesens sollten in den Planungs-Richtlinien der verantwortlichen Ministerien verankert werden. Das Problem liegt dabei in den wirtschaftlichen Konsequenzen – nicht nur für die baulichen Auswirkungen einer auf diese Forderungen ausgerichteten Baustruktur – sondern auch in den Mehrkosten, die durch die Berücksichtigung einer möglichen Pandemie auftreten.“

Die Pandemie hat schmerzvoll aufgezeigt, dass wir Strukturen für ein schnelles Umrüsten zu Intensivbetten jedenfalls benötigen. „Es braucht ein flexibles Betten-Management, durch einfache räumliche Abtrennung und Lüftung zum Beispiel kann ich die Funktionen von spezifischen Bereichen schnell ändern. Dies benötigt viel Fläche und Lüftungsschleusen – und kostet sehr viel Geld, das macht den Krankenhausbau natürlich zunächst teurer“, berichtet Andreas Frauscher. „Skandinavien geht bereits in diese Richtung vermehrt Einzelzimmer zu errichten, dies verringert das Infektionsrisiko deutlich, trägt sehr zum Wohlbefinden der Patienten bei und macht ein effizientes Belegungsmanagement möglich.“ In der Geriatrie seien Einzelbetten freilich zweischneidig, weil Menschen schnell vereinsamen. „In den Niederlanden werden daher Zimmer mit Glaswänden gebaut, deren Transparenz von Patienten gesteuert werden, je nachdem, ob sie sich zurückziehen oder am `Marktplatz´ vor den Glaswänden beteiligen möchten“, ergänzt Frauscher.

Neben flexiblen Klinikstrukturen nennt Johannes Hohenauer, Partner der international tätigen BDO Health Care Consultancy in Wien, einen weiteren wesentlichen – zur Vision einer Klinik als offener Ort der Zusammenkunft aber zunächst widersprüchlichen – Punkt des zukünftigen Gesundheitswesens: die Hinwendung zur mobilen Versorgung, vor allem im Falle von Infektionsgeschehen. „Die Medizin soll zum Patienten kommen, die Bewegung der stationären Patienten minimieren und den Fokus der Behandlung auf ambulante und digitale Angebote legen, damit das Spital als risikobehafteter Ort nur möglichst kurz besucht wird.“ Kliniken sollen zukünftig weniger in Anspruch genommen werden, weil sie „weniger offene, sondern geschützte und zu schützende Orte“ darstellen. „Das Spital der Zukunft wird zum Netzwerkpunkt der Gesundheitsversorgung mit starker Ausrichtung nach außen durch Servicepunkte etwa für Hospital-at-home-Konzepte. Im Spital selbst werden wir weniger Betten, dafür welche mit höherem Versorgungsniveau, mehr Privatsphäre und in isolierbaren Einheiten schaffen.“

Wohlstandsgesellschaft erfordert Wohlfühl-Klinik

Der „Kundenflow“ im Krankenaus ist heute auch eine business opportunity, je kürzer Patienten im Spital sind desto besser, Begriffe wie Durchsatz tauchen auch in der Architekturplanung auf. Ein Begriff ursprünglich aus Informatik und Naturwissenschaften, der in der Ökonomie als Maß der Wirtschaftlichkeit gilt. Ist Wirtschaftlichkeit das Maß aller Dinge auch in einer Klinik? Andreas Frauscher weiß aus dem Alltag als Architekturplaner für Großprojekte im Gesundheitswesen auch um die Schwachstellen im System: „Alles muss möglichst effizient gemanagt sein, die Ärzte- und Personalknappheit nimmt zu und Betriebsorganisationsberater zeigen laufend Einsparungspotenziale auf.“ Dieser Trend spielt zum Glück dem Wohlbefinden der Patienten zu, und Frauscher ergänzt mit Wissen aus dem evidenzbasierten Design, das sich seit gut zehn Jahren im Fachbereich Healing Architecture auch zu einem Entwurfsgrundsatz der Architektur formiert hat.

Faktoren wie Lichtqualität, Lärm, Gerüche, Materialien, Kunst am Bau, die Grundrissorganisation und die Umgebungseinbindung haben nachweislich Einfluss auf den Heilungsverlauf der Patienten und die Arbeitszufriedenheit des Personals. „Wenn der Patient im Krankenhaus Wohlbefinden erfährt – durch den Ausblick ins Grüne, eine angenehme Atmosphäre, eine gute Raumakustik im Alltagsbetrieb, all das trägt zu einem guten Klima bei – hat er nachweislich einen kürzeren Aufenthalt.“ Eine Gratwanderung für die Architekturplanung? „Der Architekt hat die Aufgabe, auf die Nachteile von Einsparungen für das Wohlbefinden von Patienten und Personal immer wieder hinzuweisen. Eine gute Orientierbarkeit sowie eine angenehme Arbeitssituation und kurze Wege für das Personal schaffen bessere Heilungsergebnisse wiederum auch beim Patienten,“ so Frauscher.

Dieser Zugang ist für Architects Collective zentral. „Beim Südspidol in Luxemburg haben wir bereits im Wettbewerb mit der weltweit gefragten Landschaftsarchitektin Martha Schwartz von Martha Schwartz & Partners zusammengearbeitet. Der Außenbezug und die natürliche Belichtung aller Räume für das Wohlbefinden von Patienten und Mitarbeitern ist oberstes Prinzip auch in unseren Projekten der Kinder- und Jugendklinik in Freiburg sowie der Martini-Klinik in Hamburg.“ Seit den 2000er Jahren bereits gibt es im Gesundheitsbau die Entwicklung von der funktionsgetriebenen Denkweise mit starrem Technikglauben hin zum patientenzentrierten Modell „Umgebung mit Wohlbefinden“ – mit Vorreitern aus dem angelsächsischen und skandinavischen Raum.

„Auch die Spitalsstrukturen erfuhren als Ausdruck einer veränderten Gesellschaft ein Update, der Bedarf an speziellen Ambulanzen und Behandlung für Stress- und Umwelterkrankungen ist groß. Dies will auch in der Architekturplanung berücksichtigt werden, etwa durch eine möglichst schadstofffreie und lärmdämmende Bauweise oder ein großzügiges Freiraum-Konzept mit Anbindung an die Natur,“ präzisiert Frauscher. Gut – nicht nur für stressgeplagte Menschen – seien auch klare, übersichtliche Orientierungssysteme, kurze Wege und Patientenzimmer mit Hotelcharakter, die die Autonomie des Patienten und damit seine Heilungschancen wirksam fördern.

Krisen öffnen Räume: Bauherren wägen noch ab

Und wie stehen die Bauherren zur Pandemie? „Bisher gibt es einige konkrete Aussagen und vor allem viele Fragen zu Raumbeschreibungen und ihren Beziehungen zueinander durch die Betriebsorganisationsberater,“ so Frauscher. Die Krankenhausbetreiber reagieren noch vorsichtig auf die neuen Fragen einer von Infektionen herausgeforderten Zukunft. „Die Pandemie wird erst in ein bis zwei Jahren eine spezifische Auswirkung auf die Architektur haben: Mehr flexible separate Zugänge und Abtrennungen von Abteilungen und Räumen, und jedenfalls speziellere Räume wie Isolierzimmer, Intensivzimmer und Einzelzimmer“ rekapituliert Frauscher. Gibt es den Besuch am Krankenbett dann überhaupt noch? Oder werden es andere Räume sein? „Gelungene Architektur erfüllt ihre Aufgabe funktional und gestalterisch. Sie leistet einen Mehrwert, sie schafft Platz und Plätze, öffnet oder regt Räume an und sie provoziert Antworten.“ Auch im Krankenhaus? „Es wird neue Räume geben: Intime Besuchsräume, andere Möglichkeiten, mit anderen Ausstattungen und Angeboten der Begegnung.“

Maximale Flexibilität

Lange vor dem Coronavirus suchte Rem Koolhaas nach Antworten, wozu wir im digitalen Zeitalter überhaupt noch Räume bräuchten. Sein Statement dürfte auch auf das Gesundheitswesen zutreffen. „Open, multifunctional spaces that enable maximum flexibility of use. Avantgarde architecture as a magnet for encounters and communication. The building as a powerhouse of creativity.“ Not macht erfinderisch. In der Praxis maximaler Flexibilität üben wir uns als Gesellschaft und als Individuen in dieser Pandemie bereits täglich. Danke Corona. Sag, wie willst du in Zukunft behandelt werden? Für Andreas Frauscher sind „die möglichst flexible und dabei kollektive Nutzung von Raum, das Vorantreiben von Gemeinwohl und gesellschaftlicher Entwicklung bei einem gleichzeitigen fairen Ausgleich von Interessen die wichtigsten Herausforderungen für die Zukunft.“ Geht sich das aus? Zu wünschen, wäre es. Das Coronavirus ist dann längst Geschichte. Zu hoffen bleibt, die Lehren der Pandemie inzwischen nur nicht zu vergessen, weil eine Wirtschaft zu retten war.

 

Über Architects Collective

Andreas Frauscher ist CEO von Architects Collective, gemeinsam mit CEO Richard Klinger und Gesellschafter Kurt Sattler sowie knapp 50 MitarbeiterInnen verfügt das 2006 gegründete Wiener Kollektiv über eine mehr als 25-jährige Expertise in der Architektur-, Master- und Generalplanung von Großprojekten im Gesundheitswesen. Aktuell ist Architects Collective bei so wegweisenden Projekten wie der Kinder- und Jugendklinik Freiburg, dem Südspidol in Luxemburg (beide im Healthteam mit Albert Wimmer ZT GmbH Wien), der Martini-Klinik in Hamburg (gemeinsam mit HWP PlanungsgmbH Stuttgart), sowie für Neu- und Umbauarbeiten großer Teile des Wiener Universitätsklinikums AKH mitverantwortlich. Das Großprojekt Klinikum Klagenfurt (ARGE Generalplanung LKH Klagenfurt Neu mit Dietmar Feichtinger Architectes, priebernig.“P“, FCP Fritsch und Chiari & Partner ZT GmbH), das Hartmann Kloster/Franziskus Spital in Wien und die Gesundheitseinrichtung Bad Schallerbach wurden bereits realisiert.

Architects Collective haben als Architektur- und Generalplaner zahlreiche Projekte im In- und Ausland ausgeführt: Von kleineren innovativen Strukturen über große, komplexe Gebäude bis hin zur Planung und Steuerung von städtebaulichen Masterplänen. Zu den bekanntesten Bauten zählen das mit dem Bauherrenpreis 2011 ausgezeichnete Klinikum Klagenfurt, die Ozuluama Residence in Mexico City, die Wohnanlage Glanhof in Klagenfurt, das Weingut Nett in der Pfalz und die A-NOBIS Sektkellerei Norbert Szigeti im Burgenland.

Pressemitteilung: Architects Collective