20. November 2025

HAWK-Studierende entwickeln Transformationskonzepte für Fernsehturm in Hannover

Hildesheim (pm) – HAWK-Masterstudierende der Architektur haben sich an ein echtes Wahrzeichen gewagt: Sie entwickelten neue Gestaltungskonzepte für Hannovers berühmten Telemoritz am Raschplatz. Dabei warteten einige knifflige Herausforderungen auf die Studierenden, denn einen alten Fernsehturm in ein Wohngebäude zu verwandeln – und das mitten in der hannoverschen Innenstadt – ist alles andere als eine leichte Übung.

Schon ab dem ersten Besichtigungstermin arbeiteten die Studierenden dabei im Austausch mit dem Investor Oliver Blume. Er hatte den Turm 2024 für den symbolischen Preis von 1 Euro dem Konzern VW-Nutzfahrzeuge abgekauft und plant, das ikonische Gebäude in einen Wohnkomplex zu verwandeln. Auch öffentlich zugängliche Bereiche wie eine Aussichtsplattform oder eine Gastronomie in den oberen Etagen soll es zukünftig geben.

Den Telemoritz, der seit 2024 unter Denkmalschutz steht, auf diese Weise wieder nutzbar zu machen und zu erhalten, sei aus verschiedenen Gründen sehr sinnvoll, findet Prof. Dr.-Ing. Till Böttger. Er ist an der HAWK-Fakultät Bauen und Erhalten zuständig für das Lehrgebiet Darstellen/Gestalten/Entwerfen und hat das Projekt für seine Studierenden konzipiert, organisiert und zusammen mit Xhesika Osmani betreut. „Wir wollen verhindern, dass Gebäude abgerissen werden müssen, weil enorm viel graue Energie in diesen Baukörpern steckt.“ Graue Energie bezeichnet die in einem Gebäude gebundene Energie, die von der Gewinnung der Baumaterialien bis zum Abriss und zur Entsorgung aufgewendet werden muss. „Und andererseits gehört der Telemoritz einfach zur Identität der Stadt Hannover“, findet Böttger

Abgesehen von der ungewöhnlichen Form – mit einem Turm hatten sich die meisten Studierenden noch nie in einem Projekt auseinandergesetzt – gab es einen weiteren, besonders spannenden Aspekt. „Der Austausch mit dem Investor war für die Studierenden sehr interessant“, so Böttger. „Wir konnten das Projekt auf einer ganz anderen Ebene angehen, weil es so praxisnah war“, findet auch Studentin Amelie Wenzel. „Wir haben gemeinsam mit dem Investor den Turm besucht und konnten so auch Rückfragen stellen.“

Doch der Telemoritz ist nicht nur sanierungsbedürftig, auch die Lage unmittelbar an einer vielbefahrenen Straße und mit geringem Abstand zu weiteren Gebäuden erschwert die Umnutzung. Die Studierenden fanden in ihren Entwürfen ganz unterschiedliche Lösungen für das Platzproblem. Wenzel hat gemeinsam mit ihrer Kommilitonin Fatme Mraiache an einem Entwurf mit dem Titel „Ein Pokal für Hannover“ gearbeitet. Ihnen war besonders wichtig, den Fernsehturm-Charakter beizubehalten und dem Turm eine schlanke Hülle zu geben. Mit Zwischenebenen konnten sie in ihrem Entwurf Platz für 154 kleine Wohnungen schaffen.

Nina Stolberg und Laura Matula entschieden sich mit ihrem Konzept „Box Tower – Rundum vollendet“, den Turm nur im oberen Teil mit unterschiedlich großen Wohngeschossen zu ummanteln. „Wir wollten kein neues Gebäude daraus machen, sondern den Bestand aufgreifen und verändern“, beschreiben sie ihre Idee. Eine weitere Besonderheit in ihrem Entwurf ist die unterirdische Erschließung des Turms. Zusätzlich zum vorhandenen Zugang am Turm selbst, der den zukünftigen Bewohnerinnen vorbehalten sein soll, entwarfen die Studentinnen ein zusätzliches rundes Gebäude, das seinen Platz neben dem Telemoritz finden soll. Besucherinnen sollen über dieses unterirdisch zu einem weiteren Aufzug im Turm gelangen, der Zugang zur öffentlichen Aussichtsplattform und zur Gastronomie bietet.

Eine ganz andere Lösung entwickelten Juliana Torres und Yaren Kilic. Sie ergänzten den Fernsehturm um drei gebogene „Arme“, die sich vom Turm aus in unterschiedliche Richtungen erstrecken und Appartements beinhalten. Um den Bereich für Fußgänger*innen durchlässig zu halten, planten die Studentinnen großzügige Durchgänge im unteren Bereich der Gebäude. „Zusätzlich wollen wir im Erdgeschoss Gewerbeeinheiten schaffen, um den Ort zu beleben“, erklärt Torres.

„Was alle Entwürfe gemeinsam haben, ist, dass sie versuchen, möglichst viele Wohnungen zu schaffen“, beschreibt Böttger die Ergebnisse. Denn der Wohnraum sei wichtigster Bestandteil des Finanzierungsansatzes. Daneben gebe es immer auch öffentliche Räume mit Eventbereichen, Terrassen oder Aussichtsplattformen. „Spannend war zu sehen, wie die Studierenden mit diesem Dilemma zwischen dem Runden und dem Eckigen umgehen“, erklärt Böttger. Denn eine runde Grundform sei für die Wohnraum Möblierung zunächst einmal ungewöhnlich. „Da gab es einige, die es wirklich geschickt geschafft haben, diese kleineren Wohneinheiten zu größeren Verbänden zu stapeln und dann um den Bestandsturm herumlaufen zu lassen.“ Andere hätten eher einen kantigeren Ansatz im neuen Ausdruck gewählt „Und das war eigentlich für mich das Erstaunliche, dass beide Ansätze so gut funktioniert haben.“

Für Investor Blume sind die 9 Entwürfe der Masterstudierenden wertvolle Inspiration für sein Großprojekt. Wie sich einzelne Ideen der Studierenden in der Realität umsetzen lassen, ist noch unklar. Um den Telemoritz für Wohnraum nutzbar zu machen, müsste die Stadt Hannover zunächst das Baurecht für den Innenstadtbereich ändern. Für die Studierenden war das Projekt so oder so ein wertvolles Erlebnis, ist sich Böttger sicher. Sie hätten die Herausforderung gut gemeistert und als Team wunderbar funktioniert. „Das, was ich am meisten mitnehme, ist, dass man sich oft auch ruhig trauen darf und sich dann auch darauf verlassen kann, dass gemeinschaftlich etwas Gutes dabei herauskommt.“

Quelle: HAWK Hochschule für angewandte Wissenschaft und Kunst Hildesheim/Holzminden/Göttingen