6. Mai 2024

Gaus Architekten | kister scheithauer gross: Landratsamt in Göppingen – Transformation eines Hochhauses im laufenden Verwaltungsbetrieb

Stuttgart (pm) – Der achtgeschossige Bestandsbau des Landratsamts aus dem Jahr 1966 stellte in seinem gestalterischen, technischen und energetischen Standard kein zeitgemäßes Bürogebäude mehr dar. Als nachhaltige und ressourcenschonende Lösung wurde anstelle eines Abbruchs eine umfassende Sanierung angedacht – ohne den Verwaltungsbetrieb dafür auslagern zu müssen. Die Abwicklung erfolgte innerhalb des vorgegebenen Kosten- und Zeitrahmens.

Sanierung im laufenden Verwaltungsbetrieb

Eine besondere Herausforderung für die Baustelle stellte der laufende Betrieb dar, denn das Gebäude wurde auch während der Sanierungsarbeiten weiterhin von der Verwaltung genutzt. So wurden die Arbeiten auf insgesamt 7.930 Quadratmetern Bruttogeschossfläche in zwei Bauabschnitte aufgeteilt: Im ersten Bauabschnitt wurden die oberen fünf Geschosse zusammengefasst, im zweiten Schritt folgten das Erdgeschoss bis zum dritten Obergeschoss.

Während der Bauarbeiten von 2020 – 2022 wurde das Bürogebäude einer ganzheitlichen Transformation unterzogen, stets mit den Nutzern im Fokus. Unter Beteiligung des Landrats und seiner Verwaltung entstand innerhalb von Kosten- und Zeitrahmen eine offene Bürolandschaft mit deutlich besseren Qualitäten, die neue Möglichkeiten für Arbeit und Gemeinschaft bietet.

Erneuerte Technik und Bauphysik

Um die Innenräume grundlegend zu erneuern, erfolgte ein Rückbau bis auf den Rohbau. Nach der Beseitigung von Schadstoffen und einer Bestandsaufnahme der vorhandenen Bausubstanz konnten Maßnahmen zur energetischen Sanierung der Fassade, zur Verbesserung des Schallschutzes sowie der Haustechnik vorgenommen werden. Unter anderem wurde die Installation einer ganzheitlichen Brandmeldeanlage umgesetzt. In Abstimmung mit der Brandschutzbehörde geschah die Ermittlung von Brandschutzmaßnahmen, die einen maximal geringen Eingriff in den Bestand möglich machten.

Gestaltung von Arbeit und Leben im Landratsamt

Architektur wurde hier als Werkzeug eingesetzt: Nicht nur zur Verbesserung von Haustechnik, Raumklima und -atmosphäre. Vielmehr wurde die Architektur zum Werkzeug für eine Arbeitsumgebung, die den Menschen in den Mittelpunkt stellt. Ausgehend vom Arbeitsalltag der angestellten Beamten und Beamtinnen wurden Flächen kreiert, in denen nicht nur Arbeit Raum findet, sondern auch Begegnung und Zwischenmenschlichkeit. Die Architektur formt Kultur und Atmosphäre im Landratsamt.

Neben Einzel-, Doppel- und Gruppenbüros sowie unterschiedlichen und flexiblen Besprechungsräumen erhält jedes Stockwerk ein eigenes Herz: Die neu geschaffenen Gemeinschaftszonen um den offenen Aufenthalts- und Küchenbereich sind Treffpunkt, Ruhebereich und Wegekreuzung in einem.

Architektur schafft Identität

In ihrer Sprache bezieht sich die umgesetzte Architektur konsequent auf den Charakter des Landkreises und seine Identität: Das Corporate Design mit den wiederkehrenden Themen Kachelung und Farbe Grün wird auf kluge Art und Weise im Teppichmuster aufgegriffen. Insgesamt richtet sich das gesamte Farbkonzept in Materialität, Signaletik und Möblierung nach diesen Themen aus. Drucksachen, Online-Auftritte und Raumgestaltung verschmelzen zu einem ganzheitlichen, identitätsschaffenden Bild.

Begegnung zwischen Kunden und Mitarbeitern

Die Räume des Landratsamts sind nicht nur Umgebung für die Angestellten. Im Arbeitsalltag herrscht ein reger Kundenverkehr, wobei Kunden täglich auch die einzelnen Ämter in den Obergeschossen besuchen und sich innerhalb der Büroräume fortbewegen. Dabei ist die Architektur erneut Werkzeug: Werkzeug, um Begegnung zwischen der Kundschaft und den Beamten möglichst positiv einzufassen.

Hierzu wurde ein neues visuelles Orientierungs- und Leitsystem umgesetzt, das über barrierefreie Beschilderung sowie großformatige Inschriften an den Wänden den Weg weist.

In jedem Stockwerk sind außerdem für Kunden niederschwellige Angebote für Wartezeit und Aufenthalt geschaffen worden: In die Wandaufbauten integrierte Zeitschriftenregale, Sitzgelegenheiten sowie bedarfsweise nutzbare Tische werden zum klaren Ausdruck von Gastfreundschaft und schaffen eine Atmosphäre des neuen, vielleicht ungekannten Willkommen- Seins auf dem Amt.

Bauen im Bestand: Nachhaltige Neuschaffung

Insgesamt konnten mit der Sanierung zeitgemäße Bürolandschaften geschaffen werden, die den richtigen Rahmen für die Arbeit der Verwaltungsangestellten bieten. Die Neugestaltung des Landratsamts ist eine vollständige Transformation, die im Vergleich zum vorherigen Bestand gänzlich neue Bedingungen schafft: Aus einem pragmatisch reduzierten und eindimensional gestalteten Amtsgebäude wird ein neuer, offener Ort der Begegnung und Gemeinschaft. Ein Ort der Identität, ein Ort der Menschlichkeit, ein Ort mit Seele: ein Amt mit Blick in Richtung Zukunft.

Das Projekt zeigt insgesamt einen nachhaltigen Umgang mit vorhandener Bausubstanz, denn wertvolle Ressourcen konnten geschont und bestehende weiterverwendet werden. Dabei gelang eine Symbiose aus Nachhaltigkeit, Funktion und Gestaltung, die die neuen Büroräume zu einem wertvollen Arbeitsplatz und vielmehr noch zu einem Lebensraum werden lässt.

(c) Oliver Rieger

Quelle: Gaus Architekten