28. März 2024

Gastbeitrag von Prof. Dr.-Ing. habil. Klaus Kabitzsch: Energie sparen mit System

Mehrere aktuelle Trends motivieren Bauherren und ihre Planer, Energiesparmaßnahmen nachzurüsten. Ein Konfigurator im Internet hilft ihnen, relevante Normen zielführend anzuwenden. 

Dresden (pm) – Die ständig steigenden Energiekosten verstärken den Zwang zum sparsamen Umgang mit fossilen Energieträgern, den der Klimawandel schon seit längerer Zeit einfordert. Der Koalitionsausschuss hat am 23.03.2022 ein „Maßnahmepaket zum Umgang mit den hohen Energiekosten“ verabschiedet. Gemäß Kapitel 4 „Verbrauch senken und Energieeffizienz steigern“ sollen auch „niedriginvestive Maßnahmen“ (z. B. intelligente Thermostate …) gefördert oder sogar vorgeschrieben werden.

Dabei sind mehrere Aspekte wichtig:

Nachrüstung: Wenn man die „graue Energie“ bei der Errichtung hinzurechnet, ist die Nachrüstung im Bestand meist die effizientere Wahl gegenüber einem Neubau. Insbesondere die Nachrüstung der Gebäudeautomation erfordert auch im Bestand keine „großen Baumaßnahmen“. So sind Sensoren mit wenig Aufwand montierbar und durch Funkkommunikation spart man oft sogar die Verlegung von Kabeln. Wenn man die richtigen Konzepte umsetzt, lassen sich so bis zu 30% Energie sparen.

Ganzheitliche Planung: Im Gebäude existieren viele Energieformen, so dass grundsätzlich alle Gewerke miteinander in Wechselwirkung stehen. Energiemanagement muss also ganzheitlich gedacht werden und die Fachplaner aller Gewerke einbeziehen. Hilfreich ist, wenn deren Koordination durch einen Generalisten erfolgt und sich alle Beteiligten auf eine einfache, gemeinsame „Sprache“ einigen. Wird die Planung zu früh an isoliert denkende, sprechende und handelnde Gewerke delegiert, sind keine ganzheitlichen Konzepte mehr umsetzbar und die o. g. Einsparungen können nie erreicht werden. Die Gebäudeautomation ist ein Vermittler zwischen vielen Gewerken und kann bei dieser Kommunikation helfen.

Frühzeitige Planung: Viele Konzepte werden von Architekten und Bauherren sehr früh festgelegt. Selten sind ihnen alle energetischen Konsequenzen klar, die dann oft irreversibel bleiben. Die o. g. interdisziplinäre und ganzheitliche Diskussion mit allen Beteiligten muss also sehr früh (Leistungsphase LPH 1) beginnen und für alle verständlich sein. Wenn die konzeptionellen Vorgaben früh von Generalisten moderiert werden, dürfen diese auch später die Koordination der Einzelgewerke nie aus den Augen verlieren und müssen die Ergebnisse bei der Bauabnahme auch kontrollieren (können).

Die Gebäudeautomation kann dann vor allem „zeitabhängige Verschwendungen“ reduzieren, z. B.:

  • Zeitveränderliche Benutzung: So wird ein Raum nur vollständig benutzt, wenn sich Menschen darin aufhalten. Gelingt eine Messung oder gar Vorhersage dieser Präsenz, können sich Beleuchtung, Heizung, Kühlung, Sonnenschutz, Lüftung, Be-/Entfeuchtung usw. darauf einstellen. Sie fahren dann z. B. in einen sparsamen Standby-Betrieb, sobald sich keine Personen im Raum aufhalten.
  • Zeitveränderliche Umgebungsbedingungen: Gelingt eine Messung von Außentemperatur, Windgeschwindigkeit, Feuchte, Sonneneinstrahlung usw., können sich Heizung, Kühlung, Beleuchtung usw. angepasst verhalten.
  • Zeitweise Speicherung „kostengünstiger“ (z. B. regenerativer) Energie: So könnte der Baukörper vorübergehend Kälte speichern („freie Nachtkühlung“) oder ungenutzte Räume thermisch aufladen bzw. vorausschauend lüften. Die Erträge von Solaranlagen können in Batterien (elektrisch) oder thermischen Speichern temporär aufbewahrt werden, bis ein Optimierungsalgorithmus den günstigsten Abgabezeitpunkt berechnet hat.

Um im o. g. Sinne die frühzeitige, ganzheitliche und interdisziplinäre Diskussion zu erleichtern, hat die EN 15232 Energieeffizienzklassen A bis D definiert und diese an die Umsetzung grundlegender Gebäudefunktionen geknüpft. Nach diesen Funktionen muss man also gezielt fragen, wenn man Spareffekte erreichen will. Je mehr dieser Funktionen und Konzepte im Gebäude eingebaut und aufeinander abgestimmt sind, umso höher ist das erreichbare Einsparpotenzial. Zur Klasse A gehören also die smartesten Funktionen mit dem höchsten Sparpotenzial, das Einsparungen bis zu 30% ermöglicht.

 

Auszug aus dem Dialog zwischen dem Konfigurator www.AUTERAS.de und dem Nutzer inklusive der resultierenden Energieeffizienzklasse (hier B) (c) Prof. Dr.-Ing. habil. Klaus Kabitzsch

 

Gerade für die o. g. gewerkeübergreifende Kommunikation zwischen allen Beteiligten fehlte aber bisher ein Hilfsmittel, um alle Funktionen und resultierenden Effizienzklassen systematisch und anschaulich zu erläutern, so dass alle die Konsequenzen ihrer Entscheidungen nachvollziehen können. Der in jedem Browser kostenfrei nutzbare Konfigurator www.AUTERAS.de unterstützt diese Kommunikation und unterstützt auch Nicht-Experten bei dieser konzeptionellen Mitwirkung. Er stellt ihnen einfach verständliche Fragen (Bild 1), die zu den energetisch wichtigen Funktionen hinführen, erklärt diese durch anschauliche Videos und zeigt nach jeder Antwort die bereits erreichbare Energieeffizienzklasse (A bis D) an. Man kann ihn also auch als Lernplattform für Raumautomation nutzen (E-Learning). Alle funktionalen Kundenwünsche werden dann in Standardfunktionen nach der VDI-Richtlinie 3813 übersetzt, so dass sie eindeutig und rechtssicher definiert sind, den anerkannten Regeln der Technik entsprechen und bei der Bauabnahme überprüft werden können. Alle Konzepte werden dafür protokolliert (Bild 2). Die Experten der Fachgewerke können so mit den Ergebnissen weiterarbeiten; Nicht-Experten müssen diese nicht mehr im Detail verstehen. Sie sind auch noch neutral bezüglich der verwendeten Technologien (z. B. Netzwerkprotokolle) oder gar Fabrikate.

 

Protokollierte Konzepte gemäß den Kundenwünschen (c) Prof. Dr.-Ing. habil. Klaus Kabitzsch

 

Trotzdem macht der Konfigurator frühzeitig auch erste Vorschläge, welche Kombinationen elektronischer Geräte diese gewünschten Funktionen realisieren könnten (Bild 3). Sie dienen der grundsätzlichen Machbarkeitsprüfung und erlauben eine erste grobe Kostenschätzung. Im Zeitalter von BIM (Building Information Modeling) darf der Konfigurator nicht in der LPH 1 stehenbleiben, sondern muss alle Entwurfsentscheidungen und –daten durchgängig an die folgenden Leistungsphasen weitergeben (exportieren).

 

Vom Konfigurator www.AUTERAS.de automatisch generierte Vorschläge für geeignete Produktkombinationen (c) Prof. Dr.-Ing. habil. Klaus Kabitzsch

 

Gastbeitrag von Prof. Dr.-Ing. habil. Klaus Kabitzsch / Technische Universität Dresden