25. April 2024

Fünf Zukunftstrends für einen Digitalisierungsschub der AECO-Branche

Gastbeitrag von Patrik Heider, CEO von Thinkproject

Patrik Heider, CEO von Thinkproject (Quelle: Thinkproject)

München (pm) – Die Branche für Architektur, Engineering, Bau und Betrieb (Architecture, Engineering, Construction, and Operations, AECO) befindet sich mitten in der Transformation. Fünf Trends zeichnen sich ab, die dazu führen werden, dass der Sektor nachhaltiger und digitaler wird. Im Zentrum stehen dabei BIM-Lösungen und Common Data Environments (CDE).

Stuttgart 21 und der Berliner Flughafen BER: Beide Projekte stehen synonym für deutsche Baupannen der letzten 15 Jahre. Budgets wurden gesprengt, Zeitpläne nicht eingehalten und Qualitätsanforderungen unterschritten. Häufig sind dabei Abstimmungsprobleme für Verzögerungen und Mehrkosten verantwortlich. Denn die deutsche AECO-Branche arbeitet im internationalen Vergleich sehr zweidimensional. Über die Hälfte der Architekten hierzulande nutzen keine dreidimensionalen Planungstools. Das mag daran liegen, dass es anders als beispielsweise im Vereinigten Königreich dazu lediglich für öffentliche Bauvorhaben Vorgaben von staatlicher Seite gibt.

Doch allein aus pragmatischer Sicht und um der Konkurrenz im Ausland nicht hinterherzuhinken, muss sich der AECO-Sektor transformieren. Gerade bei größeren Projekten sollten Common Data Environments, die als Single Source of Truth Abstimmungsprobleme zwischen den einzelnen Akteuren vermeiden, sowie BIM auch in Deutschland zum Standard werden. Konkret lassen sich in dieser Hinsicht fünf Trends für die nähere Zukunft ausmachen.

Mobile Endgeräte für jede Baustelle

Die Logistik hat es vorgemacht: In den Warenlagern dieser Welt sind mobile Geräte zum Standard-Arbeitsgerät geworden. In der Baubranche ist dieser Schritt überfällig. Ob einfacher Bauarbeiter, Planer oder Projektkoordinator, alle Beteiligten erheben auf eine bestimmte Weise Daten, speichern diese ab oder lesen sie aus. Wichtig ist jedoch, dass diese Informationen nicht nur gespeichert, sondern auch mit Soll-Zuständen verglichen werden können. In einem CDE laufen alle Daten zusammen und sind gleichzeitig universell zugänglich. Wenn die am Projekt beteiligten Personen mit einer gemeinsamen Informationsbasis arbeiten und diese flexibel abrufen können, lassen sich mögliche Herausforderungen besser voraussagen und einplanen. Außerdem kann nichts mehr auf dem Postweg oder anderweitig verloren gehen.

Gemeinsame Schnittstellen schaffen und Prozesse automatisieren

An Bauprojekten sind viele Unternehmen beteiligt: vom Auftraggeber über den Architekten bis zum Generalunternehmer und dessen Subunternehmern. Bei den Kooperationen prallen unterschiedliche Systeme und Programme aufeinander. Um ein CDE aufzubauen, müssen zwei Bedingungen erfüllt werden. Auf der einen Seite benötigt die CDE-Software kompatible Schnittstellen, über die sie für externe Programme erreichbar ist. Auf der anderen Seite muss die zentrale CDE-Plattform die Vielzahl unterschiedlicher Dateiformate verarbeiten können.

Wurde so eine gemeinsame Datenbasis etabliert, lassen sich auch die Workflows der verschiedenen Projektpartner aufeinander abstimmen und innerhalb der Plattform durchführen. Ein klassisches Beispiel hierfür sind Genehmigungsverfahren, die digital abgebildet und automatisiert werden können. Wenn die aktive Beteiligung einer bestimmten Person erforderlich ist, erhält diese eine automatische Benachrichtigung. Damit gelangen die Verfahren rascher zum erwünschten Ziel und kostbare Zeit wird eingespart.

Daten nicht nur erfassen, sondern auch nutzen

Auf Baustellen werden schon heute viele Daten erfasst und die Menge nimmt in Zukunft weiter zu. Aktuell liegen diese Informationen teils analog, teils getrennt voneinander in sogenannten Silos vor. Um deren Potenzial zu nutzen, müssen sie zueinander in Beziehung gesetzt werden. Idealerweise analysiert ein System die Daten bereits während der Erhebung in Echtzeit und dem passenden Kontext. Darüber hinaus können Sensoren an Baumaschinen oder der Kleidung die Arbeitssicherheit verbessern. Arbeiter sind beispielsweise bei Sägearbeiten hohen Staubbelastungen ausgesetzt. Die Sensordaten zeigen, wen das für wie lange betraf und wo Abläufe gegebenenfalls angepasst werden sollten. Auch die Baulogistik profitiert hiervon. Digitale Materiallisten lassen sich mit Baufortschritten, Bestellungen und Lieferungen referenzieren. Ein Bauleiter behält so den Überblick und erkennt Engpässe frühzeitig.

Informationen müssen priorisiert werden

Aus der Menge an erhobenen Daten ergibt sich zwangsläufig auch die Frage der Verarbeitung. Dies übersteigt heute aufgrund der schieren Datenflut jedoch die menschliche Kapazität. Künstliche Intelligenz (KI) dagegen kann über maschinelles Lernen die Fähigkeit erlangen, diese Informationen zu verwalten. Davon profitieren zahlreiche Prozessschritte, deren Anforderungen und Rahmenbedingungen über einzelne Bauprojekte hinweg standardisiert sind — wie etwa die Freigabe von Ablaufrinnen im Straßenbau. Damit einhergehend ist die Datenauswahl ebenso wichtig. Eine KI lernt aus den Informationen, mit denen sie versorgt wird. Dabei zählt die Qualität. Nicht alle Daten, die erhoben werden, eignen sich dafür. Im Hinblick auf die immer weiter steigenden Mengen an Daten müssen hier klare Prioritäten gesetzt werden.

Nachhaltig planen, bauen und betreiben

Laut dem Global Status Report for Buildings and Construction 2020 der Vereinten Nationen verursacht die Bau- und Gebäudewirtschaft ein Drittel der globalen CO2-Emissionen. Außerdem sind die durchschnittlichen Baukosten im Hinblick auf den Baupreisindex in Deutschland seit 2015 um etwa 30 Prozent gestiegen. Aus diesen Gründen müssen und werden Nachhaltigkeitsüberlegungen zukünftig Teil jedes Stadiums eines Projekts sein. Bauträger haben bereits damit begonnen, in der Planung BIM einzusetzen, um Ressourcen effizienter zu nutzen. Doch auch nach Abschluss eines Projekts behalten die Daten ihre Bedeutung. In den Simulations- und Materialdaten zum fertigen Gebäude liegt ein großer Mehrwert für den Betreiber. 80 Prozent der Kosten und des ökologischen Fußabdrucks entstehen über die Lebensdauer eines Bauobjekts erst im Betrieb. Die Informationen, die auf der gemeinsamen Datenplattform gespeichert sind, können lückenlos an den Betreiber übergeben werden. Sie bilden etwa die Basis für weitere Ausbaustufen, Reparaturen oder Wartungen. So lassen sich nicht nur bei der Vorbereitung und Durchführung, sondern auch im Betrieb Kosten und Emissionen sparen.

Daten zu nutzen, um Prozesse zu optimieren und Transformationen anzuregen, spielt in allen Bereichen der Wirtschaft eine Rolle. Auch in der AECO-Industrie gibt es bereits positive Entwicklungen: Immer mehr Asset Owner setzen auf CDE und BIM. Architekten und Bauunternehmer ziehen nach. Doch die Branche hat noch einen weiten Weg vor sich. Die fünf genannten Trends werden in den nächsten Jahren zu dem dringend benötigten Digitalisierungsschub beitragen.

 

Gastbeitrag von Patrik Heider, CEO von Thinkproject www.thinkproject.com