Wien (pm) – Was sind die besten europäischen Bauten? Der wichtigste europäische Architekturpreis geht zum ersten Mal an zwei Wohnbauten.
Alle zwei Jahre stellt die Ausstellung „Europas beste Bauten“ herausragende Architektur aus Europa in den Mittelpunkt und avancierte damit in den vergangenen Jahren zum Publikumsmagnet. Grundlage der Ausstellung bildet der mit insgesamt 80.000 Euro dotierte „Preis der Europäischen Union für zeitgenössische Architektur. Mies van der Rohe Award“. Nachdem in den bisherigen Ausgaben überwiegend aufsehenerregende Kulturbauten ausgezeichnet wurden, geht der Preis dieses Mal an zwei wegweisende Projekte aus dem Bereich Wohnbau. Der Hauptpreis, das Projekt De Flat Kleiburg von NL architects und XVW Architectuur, befasst sich mit der partizipativen Sanierung und Aufwertung eines Plattenbaus aus den 1960er Jahren. Ein Thema, das auch hierzulande hochaktuell ist, angesichts von vielen Großwohnbauten aus der Nachkriegsmoderne, die in die Jahre gekommen sind und dringend sozial, funktional und technisch erneuert werden müssen. Der Nachwuchspreis geht an einen sozialen Wohnungsbau des Büros MSA und V+ in Brüssel.
Beide Gewinnerprojekte bieten neue Antworten auf die veränderten Lebensstile des 21. Jahrhunderts. „Die Hinwendung zum sozialen Wohnbau, aber auch zum Thema Umbau und Weiterbau des Bestandes setzt ein klares Zeichen für eine Reorientierung der Architektur in Richtung einer gebauten Verteilungsgerechtigkeit und des Haushaltens mit Ressourcen“, so Angelika Fitz, Direktorin des Az W. In der Ausstellung sind insgesamt 40 Bauten aus den Bereichen Wohnbau, Kultur, Bildung, Gewerbe und Infrastruktur zu sehen. Sie alle wurden von einer hochkarätigen Jury aus insgesamt 355 Projekten aus 36 europäischen Ländern ausgewählt. „Die Ausstellung vermittelt die hohe Qualität der Projekte anschaulich in Modellen, Videos, Originalzeichnungen und 1:1 Konstruktionselementen“, erklärt Kurator Ivan Blasi von der Mies van der Rohe Foundation. Weiters werden im Az W auch die 18 österreichischen Nominierungen gezeigt. Der begleitende Katalog stellt alle nominierten Projekte vor.
Wohnbau gewinnt
Beim Hauptgewinner De Flat wurde dem 400 Meter langen, 500 Wohnungen umfassenden Plattenbau Kleiburg im Amsterdamer Stadtteil Bijlmermeer ein zweites Leben ermöglicht. Das dafür gegründete Konsortium De Flat rettete das Gebäude aus den späten 1960er Jahren vor dem Abriss. Während die Architekten NL Architects und XVW Architectuur die gemeinschaftlich genutzten Teile sanierten und einige wesentliche Umbaueingriffe vornahmen, sah das wirtschaftliche Konzept vor, dass die zukünftigen Bewohner*innen die Wohnungen selbst ausbauen. Beim Nachwuchspreisträger Navez handelt es sich um einen Wohnbau mit 5 Sozialwohnungen für kinderreiche und einkommensschwächere Familien. Den Architektenteams MSA und V+ ist mit diesem Projekt sowohl hinsichtlich seiner identitätsstiftenden Wirkung für das Stadtviertel als auch seiner räumlichen Großzügigkeit ein Wohnbau mit Beispielwirkung gelungen. Einfallsreiche Antworten auf die wirtschaftlichen und baulichen Einschränkungen ermöglichen Wohnungen mit viel Bewegungsfreiheit und kilometerweiter Sicht auf die umgebende Landschaft.
Wegweisende europäische Architektur
Unter den weiteren Finalist*innen, die in der Ausstellung ausführlich vorgestellt werden, finden sich das Projekt Kannikegården von Lundgaard & Tranberg Architects, das sich auf einmalige Weise in das Ensemble des mittelalterlichen Hauptplatzes in Ribe, Dänemark einfügt; das Rivesaltes Memorial Museum in Frankreich von Rudy Ricciotti, das mit einer ruhigen und schweigsamen Entschlossenheit in die Erde gegraben ist und kraft seiner Architektur der Geschichte des Internierungslagers Camp Joffre Ausdruck verleiht; mit dem Ely Court ein weiteres Wohnbauprojekt aus London von Alison Brooks Architects und das Katyn Museum in Warschau von BBGK Architekci, Jerzy Kalina und Maksa, das sich eindrucksvoll mit der Geschichte und dem Ort auseinandersetzt.
Aber auch die restlichen Projekte der Shortlist stellen einen beeindruckenden Querschnitt der Entwicklung zeitgenössischer europäischer Architektur dar. Die Beispiele reichen von Kulturbauten, wie der Erweiterung des Museo de las Colecciones Reales in Madrid von Mansilla + Tuñón Arquitectos, über Bildungsbauten, wie die Modellschule Inchicore in Dublin von Donaghy + Dimond, Infrastrukturprojekte wie das Landmark von Monadnock mit einem Cafe und Besucherzentrum für die niederländische Stadt Nieuw-Bergen bis Gewerbe- und Bürobauten, wie das Timmerhuis von O.M.A. in Rotterdam.
Zum Mies van der Rohe Award
Hauptanliegen des Mies van der Rohe Awards ist die Anerkennung und Würdigung herausragender Verdienste im Bereich der Architektur innerhalb Europas. Es werden Projekte ausgezeichnet, deren innovativer Charakter als Orientierung, wenn nicht sogar als Manifest für die Entwicklung zeitgenössischer Architektur dient. Der mit insgesamt 80.000 € dotierte Preis (Hauptpreis: 60.000 €, Emerging Architect-Preis: 20.000 €) wird für außergewöhnliche Leistungen in konzeptueller, technischer und baulicher Hinsicht verliehen. Der Emerging Architect-Preis versteht sich dabei auch als Förderung des Berufsstandes an sich und als Ermutigung für Architekt*innen am Beginn ihrer Karriere. Aus 355 nominierten Projekten aus 36 europäischen Ländern wurden insgesamt 40 Projekte von einer internationalen Jury – bestehend aus Stephen Bates, Gonçalo Byrne, Peter Cachola Schmal, Pelin Dervis, Dominique Jakob, Juulia Kauste und Malgorzata Omilanowska – für die Ausstellung ausgewählt. Darunter 5 Finalisten und die beiden Siegerprojekte aus dem Bereich Wohnbau.
Ein Katalog zur Ausstellung präsentiert alle nominierten Projekte und ist im Rahmen der Ausstellung im Az W erhältlich.
PREISTRÄGER
NL DeFlat Kleiburg, Amsterdam, NL Architects / XVW architectuur

Bild: Marcel van der Burg
EMERGING ARCHITECT SPECIAL MENTION
BE NAVEZ – 5 social units as Northern entrance of Brussels, Schaarbeek, MSA / V+

Bild: Serge Brison
FINALISTINNEN
DK Kannikegården, Ribe, Lundgaard & Tranberg Architects
UK Ely Court, London, Alison Brooks Architects
FR The Rivesaltes Memorial Museum, Rivesaltes, Rudy Ricciotti
PL Katyn Museum, Warszawa, BBGK Architekci; Jerzy Kalina; Maksa
PROJEKTE DER SHORTLIST
Die Shortlist, aus der die Finalist*innen hervorgegangen sind, stellt einen beeindruckenden Querschnitt der Entwicklung zeitgenössischer europäischer Architektur dar.
BE Polyvalent Infrastructure, Spa, BAUKUNST
DE European Hansemuseum, Lübeck, Studio Andreas Heller GmbH Architects & Designers
DE Barn, Fergitz, Thomas Kröger Architekten
DK Kvæsthus Pier, Kopenhagen, Lundgaard & Tranberg Architects
DK Skjern River Pump Stations, Skjern, Johansen Skovsted Arkitekter
ES House 1014, Granollers, HARQUITECTES
ES Collective housing for elderly people and civic and health centre, Barcelona, Bonelli Gil, peris+toral.arquitectes
ES Museum of the Royal Collections, Madrid, Emilio Tuñón Architects, Mansilla + Tuñón Arquitectos
FI Suvela Chapel, Espoo, OOPEAA Office for Peripheral Architecture
FI Opinmäki School Espoo, Esa Ruskeepää
FI Puukuokka Housing Block (house 1), Jyväskylä, OOPEAA Office for Peripheral Architecture
FR Community Workshop, Poigny-la-Forêt, Boidot Robin architectes
FR Ariane futsal sports complex, Nice, Cab Architectes (Calori Azimi Botineau)
FR 59 Dwellings, Neppert Gardens Social Housing, Mulhouse, Haut-Rhin, Lacaton & Vassal architectes
IE Model School Inchicore, Dublin, Donaghy + Dimond
IE Merrion Cricket Pavilion, Dublin, TAKA
IT Fondazione Prada, Mailand, O.M.A.
LT Rasu Houses, Vilnius, Paleko Arch Studija, PLAZMA Architecture Studio
NL Timmerhuis, Rotterdam, O.M.A.
NL Landmark Nieuw-Bergen, Nieuw-Bergen, Monadnock
NO Weekend House at Sildegarnsholmen, Herøy, Knut Hjeltnes AS Sivilarkitekter MNAL
NO Moholt 50I50 – Timber Towers, Trondheim, MDH Arkitekter SA, Masu planning
NO Eldhusøya Tourist Route Project, Averøy, Ghilardi+Hellsten Arkitekter
PT House in Oeiras, Oeiras, Pedro Domingos Arquitectos
PT Museum of Art, Architecture and Technology, Lisbon, AL_A
PT EDP Headquarters, Lisbon, AIRES MATEUS
PT Nadir Afonso Museum for Contemporary Art Chaves, Álvaro Siza 2 – Arquitecto, SA
RO Take a(l)titude, Fagaras Mountain, Archaeus ltd.
SE Östermalm’s Temporary Market Hall, Stockholm, Tengbom
TR Angelos Organic Olive Oil Mill, Bademli, Dikili, Izmir, Mimarlar ve Han Tümertekin
TR Beyazıt State Library Renovation, Istanbul, Tabanlioglu Architects
UK Holmes Road Studios, London, Peter Barber Architects
UK Shepherdess Walk Housing, London, Jaccaud Zein Architects
UK Granby Four Streets, Liverpool, ASSEMBLE
NOMINIERTE PROJEKTE MIT ÖSTERREICHISCHER BETEILIGUNG
AT Tiwag KWB Leitstelle Silz, Bechter Zaffignani Architekten
AT Volksschule Dorf Lauterach, Lauterach, Feyferlik / Fritzer
AT Überbauung Pfauengarten, Graz, Pichler & Traupmann Architekten ZT GmbH
AT Panzerhalle, Salzburg, LP architektur ZT GmbH; hobby a. schuster & maul; cs-architektur Christoph Scheithauer; strobl architekten zt gmbh
AT Pflegewohnheim Erika Horn, Andritz, Graz, Dietger Wissounig Architekten
AT HERberge für Menschen auf der Flucht, Innsbruck, STUDiO LOiS
Barbara Poberschnigg, Walch Elias
AT Einfamilienhaus Moser, Neustift im Stubaital, Madritsch Pfurtscheller
AT KAMP – Firmengebäude Kampichler, Theresienfeld, gerner°gerner plus architects
AT Autobahnmeisterei Salzburg, Salzburg, Marte.Marte Architekten
AT Wohnbau St. Gallenkirch, St. Gallenkirch, Dorner⧵Matt
AT Loft in der Scheune, Hittisau, Georg Bechter Architektur+Design
AT Weingut Högl, Spitz an der Donau, Ludescher + Lutz Architekten
AT bilding. Kunst- und Architekturschule für Kinder und Jugendliche, Innsbruck, studio3 – Institut für experimentelle Architektur
AT Erste Campus Headquarter, Wien, Henke Schreieck Architekten ZT GmbH
AT Gebäudeadaptierung Biomedizinische Technik – Technische Universität Graz, Graz, Gangoly & Kristiner Architekten
DE Die Europäische Zentralbank, Frankfurt am Main, COOP HIMMELB(L)AU
Wolf D. Prix & Partner
DE St. Agnes (Umnutzung eines Gemeindezentrums inkl. Kirchenraum zur Galerie Johann König), Berlin, Brandlhuber+ Emde, Burlon; Riegler Riewe
FR Palais de la musique et des congrès de Strasbourg, Strasbourg, Dietrich | Untertrifaller Architekten
Ausstellung: 23.08.2018 – 22.10.2018 | Ausstellungshalle 2
Pressemitteilung: Architekturzentrum Wien