28. März 2024

Die „Top 30 des Wohnungsbaus“ richten 6-Punkte-Notplan an
Bundes- und Landesregierungen, Parlamente und Parteispitzen

Berlin (pm) – Das bundesweit größte Branchen-Bündnis der Bau- und Immobilienwirtschaft warnt vor einem Einbruch beim Wohnungsbau: Die Aktion „Impulse für den Wohnungsbau“, in der sich dreißig Organisationen und Verbände der Bau- und Immobilienbranche zusammengeschlossen haben, erwartet einen anhaltenden und sogar zunehmenden Abwärtstrend beim Neubau von Wohnungen. Der Staat müsse deshalb jetzt entschieden gegensteuern.

Das Branchen-Bündnis spricht von einer „Talfahrt, die gerade gefährlich an Tempo zulegt“. Mehr und mehr Wohnungsbauprojekte würden auf Eis gelegt. „Die bereits heute bestehenden gravierenden Engpässe auf vielen regionalen Wohnungsmärkten werden sich so weiter verschärfen “, so die Aktion „Impulse für den Wohnungsbau“. Letztlich drohten Kurzarbeit und Entlassungen.

Die Akteure des Wohnungsbaus in Deutschland fordern deshalb ein schnelles, konsequentes und effektives Umsteuern der Wohnungsbaupolitik von Bund und Ländern. Hierzu legt das Bündnis ein Positionspapier als „6-Punkte-Notplan für den Wohnungsbau“ vor. Vom Bundeskanzler über die Ministerpräsidentinnen und Ministerpräsidenten bis zu den Parteispitzen – alle für den Wohnungsbau Verantwortlichen bekommen Post: Adressaten sind die Bundesregierung und der Bundestag sowie die Landesregierungen und Länderparlamente. Ebenso die Parteien.

Ziel müsse es sein, eine weitere Verschärfung auf den ohnehin angespannten Wohnungsmärkten zu vermeiden. Um die soziale Frage des Wohnens in den Griff zu bekommen, gebe es vor allem beim sozialen und bezahlbaren Wohnungsbau erheblichen Nachholbedarf. Hier müsse der Staat deutlich mehr investieren und die Rahmenbedingungen für den Neu- und Umbau verbessern. So müsse das Baurecht erheblich schlanker werden. Darüber hinaus sei es notwendig, die Anreize für den Neubau und die Modernisierung über die bereits erfolgten Verbesserungen hinaus noch attraktiver zu machen.

Wachsende Inflation, Zinserhöhungen, steigende Energiekosten … – Aufgabe des Staates ist es, so das Wohnungsbau-Bündnis, alles daranzusetzen, negativen Bedingungen für den Neubau wirksam entgegenzutreten und das Wohnen für die Menschen wieder bezahlbar zu machen.

Konkret bedeute dies eine neue und attraktivere Förderkulisse für den Neubau. Allein beim nachhaltigen und klimafreundlichen Wohnungsneubau sei angesichts steigender Kosten eine Verzehnfachung der Förderung notwendig: Die aus dem Klima- und Transformationsfonds für die Neubauförderung bereitgestellte Summe von 1,1 Milliarden Euro müsse auf mindestens 10 Milliarden Euro pro Jahr erhöht und um eine Sozialkomponente für bezahlbare Neubaumieten ergänzt werden. Nur so sei die Wende im Neubau zu schaffen.

Bundesweit gibt es weniger als 1,1 Millionen Sozialwohnungen – für das Wohnungsbau-Bündnis ein „alarmierender Zustand“. Für den sozialen Wohnungsbau müsse der Bund seine Förderung um ein Vielfaches aufstocken – und das rasch. Die Länder müssten hier bei der Finanzierung mitziehen. Ziel müsse es sein, in diesem Jahrzehnt 100.000 Sozialwohnungen pro Jahr neu zu bauen. Zusammen mit dem Ankauf von Belegungsrechten müsse es so gelingen, bundesweit wieder auf mindestens zwei Millionen Sozialwohnungen zu kommen.

Die Aktion „Impulse für den Wohnungsbau“ fordert darüber hinaus eine Offensive für mehr Wohneigentum: Da häufig Eigenkapital fehle, spricht sich das Bündnis – wie im Ampel-Koalitionsvertrag vorgesehen – für eine rasche Bereitstellung von Darlehen des Bundes aus, die das fehlende Startkapital ersetzen sollen. Wer niedrige Einkommen hat, solle darüber hinaus einen Förderbonus des Staates bekommen. Nur so hätten weite Teile der Bevölkerung überhaupt eine Chance auf Wohneigentum. Wichtig sei auch, den Kauf von Altbauwohnungen und bestehenden Wohnhäusern zu fördern, wenn diese anschließend energetisch modernisiert würden.

Die Branche fordert zudem einen „Sanierungs-Booster“: Um die energetische Sanierung voranzubringen, müsse der Staat seine Förderung deutlich verbessern. Die Zeit sei dabei ein wichtiger und drängender Faktor. Und es komme darauf an, die Modernisierungsrate deutlich zu erhöhen. So müssten die oft umfangreichen Energiespar-Sanierungen von Miethäusern deshalb deutlich besser unterstützt werden – ohne Mieterhaushalte zusätzlich zu belasten: Es sei wichtig, hier „Warmmieten-neutral“ vorzugehen. Darüber hinaus sei es notwendig, Familien und weniger einkommensstarke Haushalte mit selbstgenutztem Wohneigentum intensiver zu fördern.

Das Bündnis beklagt vor allem auch ein zu kompliziertes Baurecht, das das Bauen zudem unnötig teuer mache. Planungs-, Genehmigungs- und Bauprozesse müssten deutlich schlanker und schneller werden. Notwendig dafür sei auch mehr Personal in den Behörden. Eine Experimentierklausel soll „schlankes Bauen“ möglich machen, so die Forderung der Branche. Gesetze, Normen und Standards sollten dabei flexibler ausgelegt werden können: Die Branche fordert mehr Beinfreiheit beim Bauen und weniger Kontrollzwang bei den Behörden. Als Beispiel nennt sie Abstriche beim Schallschutz. Darüber hinaus setzt die Aktion „Impulse für den Wohnungsbau“ auf „Baumaterial von vor Ort“: Die heimische Rohstoffgewinnung fürs Baumaterial solle gesichert und gestärkt werden, ebenso wie der Einsatz von Recycling-Baustoffen.

Und die Branche warnt: Es wird spätestens dann, wenn die Baby-Boomer-Generation in Rente geht, einen zunehmenden Mangel an Fachkräften auf dem Bau geben. Es komme deshalb darauf an, auch jetzt in der Krise die vorhandene Manpower zu halten und künftig die Zuwanderung von Arbeitskräften zu sichern. Wichtig dabei sei es, Hürden abzubauen und qualifizierten Menschen durch ein reformiertes Fachkräfteeinwanderungsrecht den Einstieg in den Arbeitsmarkt zu ermöglichen. Und zwar zu fairen, tariflichen Bedingungen. Ziel müsse es zudem sein, auch junge Menschen aus dem Ausland für eine Ausbildung im Handwerk zu gewinnen.

Aktion „Impulse für den Wohnungsbau“
Positionspapier

Wohnungsbau stärken – Konjunktureinbruch vermeiden – Bezahlbarkeit gewährleisten
Deutliche Rückgänge im Wohnungsneubau absehbar

Die durch den russischen Angriff auf die Ukraine ausgelösten volkswirtschaftlichen Verwerfungen haben mit Blick auf die Energiepreise und die damit weiter steigenden Material- und Baupreise zu einer sprunghaft erhöhten Inflation geführt. Durch die Zinserhöhungen der Europäischen Zentralbank kommt ein deutlich verschlechtertes Finanzierungsumfeld hinzu. In der Folge ergeben sich hohe Belastungen für private Haushalte, Unternehmen und deren Beschäftigte. Anders als während der Corona-Krise ist diesmal auch die Bauwirtschaft betroffen. Dabei ist der Bedarf an bezahlbarem Wohnraum ungebrochen hoch. Damit der Bau wieder als wirtschaftlicher Stabilitätsanker wirken kann, müssen Bauprojekte für Investoren wieder plan- und kalkulierbar werden – ansonsten dürften viele bereits genehmigte Projekte nicht realisiert werden, und der Wohnungsneubau wird deutlich geschwächt. Die ambitionierten und zu begrüßenden Wohnungsbauziele der Bundesregierung würden damit in weite Ferne rücken. Gleichzeitig führen nicht realisierte Bauvorhaben zu weniger Nachfrage und damit unweigerlich zu einem Kapazitätsabbau bei Fachkräften, die in der vergangenen Dekade aufgebaut wurden.

Soziale und wirtschaftliche Folgen

Die Folge eines nachhaltigen Rückgangs der Bautätigkeit wäre eine weitere Verschärfung der ohnehin schon angespannten Situation auf den Wohnungsmärkten. Zwar kann die zum Jahresanfang in Kraft getretene Wohngeldreform der Bundesregierung soziale Folgen teilweise abfedern; für eine nachhaltige Entspannung auf dem Wohnungsmarkt ist aber eine deutliche Ausweitung insbesondere des geförderten und bezahlbaren Wohnungsangebots erforderlich. Zur Erreichung dieses Ziels muss die Bautätigkeit trotz negativer Schocks stabilisiert werden, damit der Wohnungsbau seine unverzichtbaren Beiträge zur sozialen Sicherheit, regionalen Wertschöpfung und zum Erhalt von Arbeitsplätzen leisten kann.

Anpassung der Rahmenbedingungen für den Wohnungsbau erforderlich

In dieser Lage ist es notwendig, dass die politischen Rahmenbedingungen für den Bau planbar und verlässlich ausgestaltet sind: Baurechtliche Anforderungen müssen möglichst weit verschlankt sowie die richtigen Anreize für den Bau von neuem und die Modernisierung von bestehendem Wohnraum gesetzt werden. Die von der Bundesregierung bereits eingeleiteten Maßnahmen wie z.B. die Erhöhung der linearen AfA im Mietwohnungsbau auf 3 Prozent p.a. sowie die schrittweise Umsetzung des im Bündnis bezahlbarer Wohnraum verabredeten Maßnahmenpakets sind richtig, reichen aber angesichts der dramatischen Lage nicht aus. Es bedarf zusätzlicher Schritte, um dringend benötigten Wohnraum zu schaffen, die Baukonjunktur zu stabilisieren und die in den vergangenen Jahren aufgebauten Kapazitäten in der Bauwirtschaft zu erhalten.

Die Aktion Impulse für den Wohnungsbau schlägt folgende Maßnahmen vor:

  1. Neubau-Förderkulisse attraktiv, effizient und technologieoffen gestalten
    Der nachhaltige Wohnungsneubau braucht wieder transparente, attraktive und umsetzbare Förderbedingungen. Daher ist die seit März 2023 greifende BEG-Neubauförderung für das nachhaltige und klimafreundliche Bauen unter Einbeziehung des Lebenszyklusgedankens grundsätzlich richtig. Allerdings bedarf es spürbarer Förderanreize: Mit einem Gesamtvolumen von 1,1 Mrd. Euro, davon 350 Mio. Euro für das nachhaltige selbstgenutzte Wohneigentum, ist die Förderung angesichts hoher Baupreise und signifikanter Mehrkosten des EH 40 NH-Niveaus gegenüber dem GEG-Standard dramatisch unterfinanziert. Um spürbare Wirkung zu entfalten, müsste das Volumen für die Neubauförderung auf mindestens 10 Mrd. Euro pro Jahr erhöht werden. Zusätzlich ist eine Sozialkomponente erforderlich, um damit auch eine Sonderförderung für den bezahlbaren Mietwohnungsneubau in Verbindung mit einer Mietpreisobergrenze zu ermöglichen. Ziel ist, die Bezahlbarkeit der Mieten zu gewährleisten. Außerdem muss ein effizientes, kostenneutrales und innovationsfreundliches Förder- und Nachweisverfahren sichergestellt sein.
  2. Geförderten Wohnungsbau schneller vorantreiben
    Mit weniger als 22.000 neu gebauten geförderten Wohnungen ist der Sozialmietwohnungsbestand 2021 aufgrund der zahlreichen auslaufenden Belegungsbindungen auf nur noch 1,1 Mio. Einheiten geschrumpft. Die Entwicklung ist angesichts der bestehenden Engpässe auf dem Wohnungsmarkt und den perspektivisch weiter steigenden Marktmie- ten besorgniserregend. Aus diesem Grund ist der deutliche Hochlauf bei der sozialen Wohnraumförderung des Bundes von 1 Mrd. Euro (2021) auf 3,5 Mrd. Euro (2025/26) positiv, aber nicht ausreichend: Wegen der schwierigen Lage auf dem Baumarkt, den stark gestiegenen Preisen und den weitaus höheren Finanzierungskosten muss der Hochlauf gestrafft und an die Preisentwicklung angepasst werden, um signifikante Effekte auslösen zu können. Daher ist die deutliche Ausweitung der Bundesförderung sowie die entsprechende Ergänzung durch Landesmittel erforderlich. Ziel muss sein, den Bestand an Sozialwohnungen bis 2030 durch den Neubau von jährlich 100.000 Sozialwohnungen sowie den Ankauf von Preis- und Belegungsbedingungen im Bestand auf mindestens 2 Millionen Wohnungen aufzustocken.
  3. Förderung des selbstgenutzten Wohneigentums breiter ausgestalten
    Die Schaffung einer an Einkommensgrenzen gekoppelten Förderung für das selbstge- nutzte Wohneigentum für Schwellenhaushalte ist ein wichtiger Baustein zum Erreichen der Wohnungsbauziele und grundsätzlich zu begrüßen. Da diese jedoch ausschließlich auf partielle Zinsverbilligungen im Neubau ausgerichtet sein soll, fehlen Erleichterungen für die Schaffung des bei jungen Familien häufig noch nicht ausreichend vorhandenen Eigenkapitalanteils – z.B., wie im Koalitionsvertrag vorgesehen, durch eigenkapitalerset- zende Darlehen. Für Bezieher niedriger Einkommen wäre darüber hinaus ein Förderbonus sinnvoll, damit der aufwendige EH 40 NH-Standard im Neubau erreicht werden kann. Um Schwellenhaushalten die Wohneigentumsbildung auf breiter Ebene zu ermöglichen, sollte auch der Erwerb von Bestandsgebäuden förderfähig gemacht werden, sofern anschließend eine energetische Modernisierung erfolgt.
  4. Impulse für energetische Modernisierungen verstärken – Sanierungs-Booster einführen
    Die Modernisierungsrate im Immobilienbestand reicht aktuell bei weitem nicht aus, um die ambitionierten Klimaschutzziele zu erreichen. Um den Gebäudebestand bis 2045 dekarbonisieren zu können, sind die Sanierung der Gebäudehülle und die Umstellung der Heiztechnik auf erneuerbare Energien auf breiter Basis notwendig, wobei die Belastung für Mieterhaushalte im Blick zu behalten ist. Ziel muss sein, bei der Durchführung von energetischen Sanierungsmaßnahmen annähernd Warmmietenneutralität zu erreichen und damit Sozialverträglichkeit zu gewährleisten. Es bedarf dabei zusätzlicher Impulse für die kurzfristige deutliche Ausweitung der Sanierungstätigkeit. Die Angleichung der Förderung von Einzelmaßnahmen an der Gebäudehülle an das Niveau der Heizungsförderung sowie die Verbesserung der Rahmenbedingungen für die Durchführung umfang- reicher energetischer Sanierungsmaßnahmen im vermieteten Gebäudebestand kann dabei ebenso zur Steigerung der Modernisierungsrate beitragen wie die Einführung einer zusätzlichen Modernisierungsförderung für weniger einkommensstarke Haushalte und Familien mit Kindern im selbstgenutzten Wohneigentum.
  5. Baurecht entschlacken und bürokratische Fesseln lösen
    Die baurechtlichen Vorgaben sind an vielen Stellen kompliziert und kostentreibend und erschweren das effiziente Bauen. Planungs-, Genehmigungs- und Bauprozesse müssen schlanker und schneller werden – durch mehr Personal in den Behörden, digitalisierte Verfahren und die Stärkung von Typengenehmigungen. Darüber hinaus sollte es möglich werden, im Rahmen einer Experimentierklausel unter bestimmten Voraussetzungen durch Abweichung von Gesetzen, Normen und Standards vereinfacht bauen zu können, wenn Gebäudefunktion und -sicherheit gleichermaßen gewährleistet sind. Dies kann z.B. bestimmte Schallschutzanforderungen bei Neu- und Umbaumaßnahmen oder gebäudetechnische Vorgaben betreffen. Damit Innovationen nicht verzögert werden, ist darüber hinaus die Beschleunigung der Nachweiserteilung für bestimmte Bauprodukte und Bauarten notwendig. Schließlich ist für die Erreichung der Wohnungsbau-Ziele auch die bedarfsgerechte Versorgung mit Baurohstoffen dauerhaft zu gewährleisten. Dafür muss die heimische Rohstoffgewinnung verbindlich gesichert werden. Hier gilt es, Genehmigungsverfahren zu vereinfachen und zu beschleunigen sowie den Einsatz von Sekundärmaterialien wie z.B. Recyclingbaustoffen zu erleichtern.
  6. Fachkräftebedarf nachhaltig sichern
    Auch wenn die Baunachfrage kurzfristig sinken dürfte, bleibt die Fachkräftesicherung angesichts der bereits bestehenden Kapazitätsengpässe, des weitergehenden demographischen Wandels und der umfangreichen künftigen Herausforderungen am Bau eine zentrale gesamtgesellschaftliche Aufgabe. Neben der optimierten Nutzung des vorhandenen Arbeitskräftepotenzials spielt dabei auch die Zuwanderung eine wesentliche Rolle. Ent- sprechend gilt es Hürden abzubauen, um interessierten und qualifizierten Menschen den Einstieg in den deutschen Arbeitsmarkt zu fairen, tariflich abgesicherten Bedingungen zu ermöglichen. Daher ist die an qualifizierter Zuwanderung orientierte Reform des Fach- kräfteeinwanderungsrechts grundsätzlich zu begrüßen. Konkret müssen darüber hinaus Verfahren zur Anerkennung ausländischer Bildungsabschlüsse vereinfacht und das Fachkräfteeinwanderungsgesetz auch für junge Menschen geöffnet werden, die hierzulande eine Ausbildung z.B. in einem handwerklichen Beruf absolvieren wollen.

Pressemitteilung: Koordination der Aktion „Impulse für den Wohnungsbau“: Bundesverband Baustoffe – Steine und Erden e.V.