29. März 2024

Die Leitthemen der BAU 2021: Wohnen in der Zukunft

München (pm) – Sie geben den Takt vor und bringen Ordnung in die Produktvielfalt: die vier Leitthemen der BAU 2021. Viele Aussteller werden ihre Präsentationen danach ausrichten und entsprechende Lösungen anbieten. In den Messeforen werden die Leitthemen unter verschiedenen Aspekten erörtert und diskutiert. Und in den Sonderschauen werden sie anhand von Produkt- und Projektbeispielen veranschaulicht. Hier stellen wir das vierte Leitthema vor: Wohnen in der Zukunft.

Die Corona-Pandemie wirft neue Fragen für das Wohnen in der Zukunft auf. Diese Tendenz zeichnet sich ab und ergänzt die ohnehin umfassenden Anforderungen an das Wohnen um eine weitere Unbekannte: die Distanz im öffentlichen Raum. Mit ihr geraten zwei Pfeiler der Stadtentwicklung der vergangenen Jahrzehnte ins Wanken. Nachverdichtung und weitere Verstädterung von Ballungsräumen sind nicht alleinige Lösung für die aktuelle Wohnraumproblematik. Denn Gesundheit, und das zeigt nicht erst Corona, erfordert räumlichen Abstand, vor allem in gesundheitsgefährdenden Situationen. Diesen Raum bieten die Metropolen auf dem Globus schon heute nicht mehr. Parallel erkennen wir in Corona elementare Auswirkungen auf das private Wohnen, für Hotels und Pensionen: Home-Office in den eigenen vier Wänden, Hygienekonzepte für Beherbergungsbetriebe und die Datenspeicherung für eine gezielte Nachverfolgung beim Verdacht einer Viruserkrankung bedeuten eine neue Selbstverständlichkeit für das Wohnen und Leben – die jeder für sich adaptieren lernen muss.

Qualitätsvoller und dennoch kostengünstiger Wohnraum ist längst eine Utopie in Metropolen wie Berlin, Hamburg, Frankfurt, Stuttgart und München. Gleichzeitig sehen viele deutsche Städte mit gewachsener Infrastruktur und robustem Gebäudebestand einer ungewissen Zukunft entgegen: hohe Leerstandsquoten in Halle, Frankfurt (Oder), Salzgitter, massive Abwanderungstendenzen aus Regionen wie dem Saarland, der Uckermark und dem Ruhrgebiet. Wie sollen wir also reagieren, wenn einerseits in vielen Orten Wohnraum fehlt und andererseits wertvoller Gebäudebestand auf lange Sicht ungenutzt bleibt oder sogar verfällt?

Hinzu kommen der demographische Wandel und eine stetig steigende Lebenserwartung: Die Menschen bleiben länger fit. Sie sind gesund, agil und vital. Ihre Lebensgewohnheiten nehmen damit direkten Einfluss auf die Gestaltung unserer Städte und Gemeinden und erfordern neue Serviceangebote für die „Generation Silver“ sowie Universal-Design-Konzepte im öffentlichen wie privaten Raum, die allen zugutekommen. Wohnen und Arbeiten, Familie und Freizeit sind eng miteinander verwoben. Und in einer noch weitaus stärker digitalisierten Zukunft, werden die Grenzen zwischen Berufs- und Privatleben weiter verschwimmen. Das wird direkten Einfluss auf das Lebens- und Arbeitsumfeld jedes Einzelnen haben.

Neue Konzepte und Modelle gegen Wohnungsmangel

Die Bundesregierung hat sich mit ihrer Wohnraumoffensive das Ziel gesteckt, bis Ende 2021 1,5 Mio. neue Wohnungen und 100.000 Sozialwohnungen zu schaffen. Staatlich geförderte Wohnungsbaumaßnahmen sind ohne Frage wichtige Impulse in einem aktuell überhitzten, indifferenten Wohnungsmarkt. Doch dürfen sie nicht darüber hinwegtäuschen, dass gesellschaftliche oder globale Entwicklungen wie Digitalisierung und Energiewende unsere Lebens- und Arbeitswelt schon heute nachhaltig verändern. Neue Konzepte sind daher dringend nötig, die Verstädterung und Landflucht, Wohnraummangel und Wohnungsleerstand reflektieren und darauf zukunftstauglich reagieren: Flexible Clusterwohnungen, die den unterschiedlichen Lebensentwürfen der Menschen und ihren verschiedenen Lebensphasen Rechnung trägen, entstehen bereits. Wohnmodelle, die Gemeinschaft ermöglichen sowie Partizipation und Privatheit zulassen, sind längst etabliert. Und die ressourcenschonende Nachverdichtung mit Wohnraum auf Parkdecks, Dächern von Einkaufsmärkten oder in umgenutzten Bürogebäuden wird bereits realisiert.

Wieviel Raum braucht man zum Leben?

Im Durchschnitt standen jedem Deutschen im Jahr 2018 fast 47 Quadratmeter Wohnfläche zur Verfügung. Das ist ein Plus von fast 13 Quadratmetern im Vergleich zu 1990, stellt das Statistische Bundesamt heraus. Diese massive Steigerung von mehr als 25 Prozent in den vergangenen drei Jahrzehnten impliziert neue Fragen: Wieviel Raum braucht man zum Leben? Bedeutet der Verzicht auf Wohnraum automatisch den Verlust von Wohnkomfort und gewachsener Lebensqualität? Und wie gehen wir mit der explodierenden Zahl von Singlehaushalten um? Denn 2018 waren es gut 46 Prozent mehr als noch 1991. Der persönliche Verzicht und die Reduktion auf das erforderliche Maß an persönlichem Raum, wird in der Zukunft wohl wichtiger als je zuvor. Denn unsere Städte können nicht unendlich ausufern, bestehende Bausubstanz nicht ohne Einschränkung nachverdichtet werden.

Wohnen in der Zukunft soll Ressourcen schonen

Die Herausforderungen, vor denen wir stehen, sind jedoch weitaus größer. Denn parallel zu den gesellschaftlichen Veränderungen, die das Wohnen in der Zukunft erfordert, gewinnt der Ressourcenschutz stetig an Bedeutung. Ein Großteil unseres jährlichen Rohstoffverbrauchs geht weltweit zu Lasten des Bauwesens. Veränderte Rohstoff-Flüsse in der Baustoffproduktion, die stärker auf recycelte Wertstoffe setzen, werden damit immer wichtiger. Das zeigt auch die Entwicklung im „Welterschöpfungstag“, jenem rechnerischen Datum, ab dem wir mehr Ressourcen angreifen, als die Erde bieten kann. Im Jahr 2019 hatte die Menschheit den „Earth Overshoot Day“ bereits am 29. Juli erreicht. Zukunftsstrategien sind daher Wertstoffstrategien. Sie müssen vor allem den Schutz der Ressourcen und im gleichen Atemzug das qualitätsvolle Recycling bereits verbauter Rohstoffe berücksichtigen. Nur so können wir gewährleisten, dass auch in Zukunft die notwendigen Reserven für die weitere technologische Entwicklung der Menschheit verbleiben.

Krisenbedingte Herausforderungen für das Wohnen in der Zukunft

Hinzu kommen neue Phänomene, deren Auswirkungen bisher niemand absehen kann. Die gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Verwerfungen der Corona Krise im Jahr 2020 zeigen eindrücklich, wie volatil unser Zusammenleben vor allem in den eng besiedelten Ballungsräumen in Deutschlands heute ist und in Zukunft bleiben wird. Für die Herausforderungen, die mit Gesundheits- oder Wirtschaftskrisen verbunden sind, sollten wir versuchen, uns zu wappnen. Solidarität und Empathie müssen befördert werden, Zusammenhalt und Achtsamkeit den Alltag stärker prägen. Das bedeutet einen Paradigmenwechsel, vom Ich zum Wir, der ebenso Einfluss auf das Wohnen nehmen sollte: Nicht die Anonymität der Individuen in ihren Mikro-Apartments wird gefördert, sondern Wohnkonzepte, die auf Werte wie Partizipation, Gemeinschaft und Relevanz für eine Gesellschaft einzahlen.

Das Wohnen und Leben und unser Miteinander in den kommenden Jahrzehnten erfordern weit mehr als pointierte Aktionen mit Vorbildcharakter aus Bauforschung, Politik oder Wirtschaft. Aktuell gehen wir wichtige Schritte inmitten eines digitalen Aufbruchs, der nach neuen Qualitäten verlangt: Stadt, Dorf, und Region werden enger verwoben sein, Individualverkehr und Massenmobilität neu gedacht und Arbeitsmodelle sind zu entwickeln, die dezentrale und ortsungebundene Tätigkeiten ermöglichen. Das Wohnen in der Zukunft gestalten wir somit schon jetzt und jeden Tag aufs Neue.

Pressemitteilung: Messe München GmbH