12. Juni 2025

Das Hauptgebäude der RWTH: Auf dem Weg zur Klima-Ikone

Aachen (pm) – Solch einen Wettbewerb hat es in Deutschland noch nicht gegeben: Am Beispiel des denkmalgeschützten Hauptgebäudes der RWTH Aachen University haben sich kluge Köpfe Gedanken gemacht, wie eine klimaneutrale und nachhaltige Sanierung aussehen könnte. Die Ergebnisse könnten wegweisend für dieses und weitere Projekte sein.

Bauen und Sanieren im Bestand wird immer wichtiger, um Ressourcen zu schonen und nachhaltig zu arbeiten. Außerdem unterliegen inzwischen viele Gebäude Vorgaben durch den Denkmalschutz. Parallel gibt es hohe technische Anforderungen im Zuge des Klimaschutzes auf dem Weg zu einer nachhaltigen Bewirtschaftung von Gebäuden. Doch wie passt das zusammen? Eine Herausforderung, der sich auch der Bau- und Liegenschaftsbetrieb des Landes Nordrhein-Westfalen (BLB NRW) zusehends gegenübersieht. Und zu der es jetzt einen neuen, innovativen Ansatz gibt.

Die Niederlassung Aachen des BLB NRW plant die Sanierung des denkmalgeschützten Hauptgebäudes der RWTH Aachen University. Das Gebäude stammt aus dem Jahr 1870 und hat eine Brutto-Grundfläche von 16.991 Quadratmetern. Die Gesamtsanierung des Gebäudes bietet die einmalige Chance zur Umsetzung eines neuartigen Konzeptes zur Herrichtung eines Denkmals mit einem aktiven Mehrwert beim Klimaschutz, vorbildhaft für die Bauaufgaben der Zukunft.

„Das Denkmal der Zukunft – Vom RWTH-Gründungsbau (1870) zur Klima-Ikone“

Wie ein solches wegweisendes Projekt für eine klimaneutrale und nachhaltige Lebens- und Arbeitsumgebung im Rahmen des Denkmalschutzes aussehen könnte, war jetzt Thema des einzigartigen Realisierungswettbewerbs mit dem Titel „Das Denkmal der Zukunft – Vom RWTH-Gründungsbau (1870) zur Klima-Ikone“. Dieser bot die Chance, innovative Ansätze zu entwickeln, die nicht nur die Energieeffizienz verbessern, sondern auch die Nachhaltigkeit, die Klimaneutralität sowie die Senkung der Betriebskosten im Fokus haben, unter Bewahrung des historischen Bestandes.

Darüber hinaus sollte der Einsatz von natürlichen, ressourcenschonenden, recycelten beziehungsweise recyclefähigen Baustoffen angedacht werden. Die Ergebnisse sollten möglichst als Blaupause für zukünftige Sanierungen von denkmalgeschützten Gebäuden in Nordrhein-Westfalen dienen können.

Vor diesem Hintergrund wurden keine Beiträge eingereicht, die auf eine herkömmliche Sanierung abzielen, sondern explizit Wettbewerbsbeiträge, die den Blick weit in die Zukunft richten und die sowohl eine Abwägung zwischen einem nachhaltigen Umgang mit einem denkmalgeschützten Gebäude als auch einer Optimierung der Betriebsemissionen exemplarisch am Hauptgebäude der RWTH Aachen vorausdenken. Es war der erste Wettbewerb dieser Art mit einer solchen Aufgabenstellung in Deutschland.

Das Vorhaben setzt in erster Linie auf die Umsetzung von Nachhaltigkeit und Klimaneutralität als primäre Entwurfskriterien. In diesem Zusammenhang steht die Planung eines energetischen Konzepts unter Beibehaltung der erhaltenswerten Bausubstanz und des denkmalgeschützten Erscheinungsbildes des Hauptgebäudes im Vordergrund, während die architektonische Gestaltung eher eine unterstützende Rolle einnimmt. Dieser Ansatz betont die Bedeutung von ökologischen Aspekten, Ressourceneffizienz und langfristiger Lebensdauer bei der Planung und Ausführung der Sanierung. Nach der Sanierung soll das Gebäude wieder als Lehr- und Verwaltungsgebäude genutzt werden. Es soll mindestens eine BNB-Silber-
Zertifizierung angestrebt werden.

Um ein innovatives und nachhaltiges Konzept zu erhalten, wurde ein nichtoffener, einphasiger Wettbewerb nach der Richtlinie für Planungswettbewerbe (RPW 2013) ausgelobt. Der Wettbewerb richtete sich an Teams aus Architekten und Innenarchitekten sowie an Planer der Bauphysik und Technischen Ausrüstung. Zum Preisgericht hatten 18 Büros ihre Beiträge eingereicht. Aus den 18 Arbeiten hat das Preisgericht vier Preisträger und zwei Anerkennungen ermittelt. Stellvertretend für alle Beiträge werden hier die Ideen der ersten drei Preisträger ausführlicher vorgestellt.

Erster Preis: KRP Architektur GmbH mit Brenne Architekten GmbH, Müller-BBM Building Solutions GmbH, puj ingenieure, EiSat GmbH, monokrom

Die Arbeit zeichnet sich insbesondere dadurch aus, dass sie den Bestand aufgeräumt hat von allen Einbauten, die in den verschiedenen Jahren hinzugekommen sind. Dadurch kommt die ursprüngliche Gebäudestruktur wieder zur Geltung und erhält ihre klare Architektursprache zurück. Diese Klarheit wird insbesondere deutlich in den Höfen und in den Büros durch den Entfall der Emporen. Beim Rückbau werden die verschiedenen Materialien sauber getrennt und, soweit möglich, wiederverwendet.

Die zwei bestehenden Innenhöfe werden überdacht und zum Innenraum gemacht, der vielfältig genutzt werden kann. Das Team um KRP Architektur wählt für die Überdachung eine Glas-Stahl-Konstruktion. Des Weiteren wird das Atrium zu Kühlung und Lufttransport herangezogen, insbesondere bei der Nachtauskühlung. Für die Sommermonate ist die natürliche Nachströmung von Außenluft über Frischluftbrunnen sowie die Nachtauskühlung über den Raumverbund und öffenbare Elemente im Glasdach vorgesehen. Im Winterfall wird eine Mindest-Raumtemperatur durch eine Fußbodenheizung gesichert und die Wärmehaltung wird durch Reflexionsebenen im Glasdach und dem dreischichtigen Fassadenaufbau optimiert.

Das energetisch Markante an diesem Entwurf ist, dass er die Fassaden komplett unangetastet lässt. Die Fassaden werden weder innen noch außen gedämmt und es werden keine Kastenfenster ausgebildet. Diese Funktionen nimmt eine zweite, innenliegende Fassadenebene auf, die „Raum im Raum“ schafft. Diese Ebene wird von innen mit Abstand eingestellt. Im Zwischenraum der beiden Fassadenebenen befinden sich der Sonnenschutz und eine Innendämmung. Die zweite eingestellte Fassade besteht aus Lehmziegeln und Glas. Die Glasflächen sind analog zu den historischen Glasflächen angeordnet.

Die Räume bleiben in ihrer gesamten Höhe erhalten, da die Emporen entfernt werden, wodurch Kühl- und Heizdecken eingezogen werden können. Diese sind respektvoll so angeordnet, dass die künstlerischen Verzierungen der Stützen weiterhin sichtbar bleiben.

Der Entwurf überzeugt dadurch, dass er die Struktur des Denkmals mit moderater, moderner Technik und flexiblen Arbeitswelten für die Zukunft sehr gut perspektivisch nutzbar macht.

Das Konzept der doppelten Fassade, bei dem im Innenbereich Glas, Holz und Lehmziegel verwendet werden, bietet nicht nur eine bessere Dämmung, sondern trägt auch zur Erhaltung des optischen Eindrucks des Gebäudes bei. Die ästhetische Wirkung wird somit nicht beeinträchtigt, während gleichzeitig energetische Vorteile generiert werden.

Positiv hervorzuheben ist die Lüftungstechnik in Räumen mit hoher Personendichte. Eine effiziente Lüftung ist essenziell, um ein gesundes Raumklima zu gewährleisten und die CO2-Konzentration sowie die Feuchtigkeit auf einem guten Niveau zu halten. Dies trägt nicht nur zum Wohlbefinden der Nutzer bei, sondern kann auch die Produktivität und Zufriedenheit steigern.

Zweiter Preis: HPP Generalplanung GmbH, DSTR Planungsgesellschaft für technische Gebäudeausstattung mbH und Greengineers GmbH

Die Arbeit erhält den historisch wertvollen Bestand und baut überflüssige Ergänzungen zugunsten einer aufgeräumten Gesamtstruktur zurück. Auch bei dieser Arbeit werden die zwei Innenhöfe überdacht. Allerdings werden hier die Innenhöfe begrünt und fördern gemeinsam mit einem Co-Working-Café unter der Aula den Austausch und bilden das Herzstück der Arbeit mit günstiger Setzung der Eingänge. Die Aufteilung der Funktionsbereiche sowohl räumlich als auch in Bezug auf die Nutzungs-/ Betriebszeiten zeigt eine adäquate Auseinandersetzung mit gegenwärtigen Arbeitszeitmodellen. Der Entwurf überzeugt durch seine Multifunktionalität und Flexibilität. Die eingezogenen Emporen, die nicht an die Außenwände anschließen, ermöglichen die Umsetzung des Raumprogramms und können gleichzeitig auf künftige Umformungen reagieren.

Der Entwurf zeigt in Bezug auf die historische Substanz einen minimalinvasiven Eingriff, der respektvoll das Denkmal wahrt und in Szene setzt. Nichttragende Wände werden zurückgebaut und die ursprüngliche Baustruktur durch Teilrückbau der Anbauten in den Innenhöfen wieder sichtbar und erlebbar gemacht. Die historischen Stützen aus Gusseisen bleiben erhalten; innenliegende Kastenfenster erhalten die historischen Fenster.

Die Arbeit setzt sich mit den Zielen der Klimaneutralität auseinander. So werden unter anderem Mobilitätsangebote und die Themen der Klimaresilienz, der Biodiversität und des Mikroklimas auch im Außenraum sowie auf den Solargründächern und in den Innenhöfen adressiert. Die Arbeit unterbreitet durchdachte Vorschläge zur Materialität, zur Kreislauffähigkeit und regt das natursensible Bauen an. Als Baustoffe für den Innenausbau werden maßgeblich nachwachsende Rohstoffe vorgeschlagen.

Dritter Preis: RKW Architektur +, Christian Würfl Form TL, Jung Eco Building Solutions GmbH und TEN Ingenieure GmbH

Wie bei den beiden vorhergehenden Preisträgern werden die Innenhöfe überdacht und schaffen damit Freiflächen für Kommunikation, Aufenthalt und Open Work Spaces. Diese Gestaltung fördert die Interaktion und schafft Räume mit hoher Aufenthaltsqualität.

Die Verfasser des Projekts haben einen respektvollen Umgang mit der vorhandenen Bausubstanz gezeigt. Sie haben minimale Eingriffe vorgenommen und dabei den historischen Charakter des Gebäudes bewahrt. Dabei gibt es eine klare Struktur der Grundrisse mit einer guten Wegeführung, die zur Orientierung und Navigation innerhalb des Gebäudes beitragen. Ein weiterer positiver Aspekt des Projekts ist die Erweiterung des Treppenhauses in das zweite Obergeschoss. Diese wertet den zentralen Bereich auf und ermöglicht den Zugang zum zweiten Obergeschoss vom Haupteingang aus.

Die energetische Aufwertung der Gebäudehülle wurde angemessen und behutsam umgesetzt. Die Raumklimatisierung mittels Wandheizung ist bauphysikalisch zu befürworten und ermöglicht eine angemessene Raumkühlung. Das haustechnische Versorgungskonzept mittels eines Eisspeichers wäre zukunftsfähig. Es ermöglicht die Einbringung von Kälte zur Raumkühlung ohne hohen Energieaufwand. Die natürliche Raumkühlung der Innenhöfe mittels Nachtauskühlung zeigt ebenfalls das Engagement des Projekts für nachhaltige und energieeffiziente Lösungen.

Quelle: Bau- und Liegenschaftsbetrieb NRW (BLB NRW)